Das Superwahljahr 2009 hätte für die NPD nicht schlechter beginnen können. Gerade einmal 0,9 Prozent der hessischen Wähler votierten am vergangenen Wochenende für die rechtsextreme Partei. Selbst in traditionellen Hochburgen wie Wölfersheim oder Ehringshausen, in denen sie noch vor wenigen Jahren zweistellige Ergebnisse erzielen konnte, liegt sie inzwischen deutlich unter fünf Prozent. Er sei "maßlos enttäuscht", so Spitzenkandidat und Landeschef Jörg Krebs, dass man erneut an "der psychologisch wichtigen Ein-Prozent-Hürde" gescheitert sei - und meint damit wohl vor allem die finanzielle Seite des Desasters. Bei Landtagswahlen kommen Parteien erst ab einem Zweitstimmenergebnis von einem Prozent in den Genuss staatlicher Mittel. Aus denen aber bestreitet die NPD nahezu die Hälfte ihres Etats. Keine andere Partei hängt in dieser Größenordnung am Tropf der öffentlichen Hand.
Trotzdem dürfte das miserable Abschneiden des hessischen Landesverbandes, der selbst nach NPD-Maßstäben als dringend sanierungsbedürftig gilt, derzeit wohl eher zu den kleineren Problemen der Partei zählen. Denn seit der Bundesvorstand im November vergangenen Jahres gegen den erklärten Willen von Parteichef Udo Voigt für das Frühjahr 2009 einen Sonderparteitag anberaumt und wenig später mit Andreas Molau erstmals seit Voigts Amtsantritt vor zwölf Jahren ein aussichtsreicher Mitbewerber um den Chefsessel seinen Hut in den Ring geworfen hat, zeigt sich nicht nur die Parteiführung heillos zerstritten. Der Riss zieht sich bis tief in die Mitgliedschaft und das mit der NPD kooperierende militante Kameradschaftsspektrum. Überall, so der Eindruck, werden nun die offenen Rechnungen der vergangenen Jahre beglichen.
Besonders ernüchternd waren die zurückliegenden Wochen für den Vorsitzenden Udo Voigt. Denn bis zum Finanzskandal um seinen persönlichen Intimus und Schatzmeister Erwin Kemna, der im vergangenen September vor Gericht eingestand, über mehrere Jahre hinweg insgesamt rund 700.000 Euro aus der Parteikasse für private Zwecke abgezweigt zu haben, galt der ehemalige Bundeswehroffizier als unumstrittene Führungsfigur der Partei. Noch auf dem Bundesparteitag im Mai 2008 in Bamberg, als Kemna bereits seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft saß und in den eigenen Reihen zunehmend lauter über eine Mitverantwortung Voigts an der Affäre debattierte wurde, wagte es letztlich keiner seiner Kritiker, gegen ihn zu kandidieren. Diese Schonfrist ist seit Kemnas Verurteilung vorbei. Dass mit Generalsekretär Peter Marx und Partei-Vize Holger Apfel ausgerechnet zwei langjährige enge Weggefährten die Gelegenheit nutzen und umgehend einen Gegenkandidaten präsentieren würden, dürfte Voigt jedoch nicht nur überrascht, sondern auch schwer getroffen haben. Schließlich gilt Apfel als sein politischer Ziehsohn und Wunschkandidat bei der Amtsnachfolge.
Nur wenige Tage nach Molaus Ankündigung, sich auf dem Sonderparteitag im März oder April um den Parteivorsitz zu bewerben, heizten führende Aktivisten der militanten Kameradschaftsszene die Stimmung zusätzlich an. Sie waren Ende Dezember zu einem bundesweiten Koordinierungstreffen zusammengekommen. In einer kurz darauf von Thomas Wulff veröffentlichten Stellungnahme warfen sie der NPD-Führung vor, "zu einer Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht mehr Willens und in der Lage" zu sein. Stattdessen betreibe sie seit dem Bamberger Parteitag gegenüber der Kameradschaftsszene eine Politik der "Abgrenzung, Verleumdung und offenen Hetze". Die im Jahre 2004 vereinbarte "Volksfront von rechts" sei deshalb obsolet geworden.
Neben massiven persönlichen Angriffen auf Peter Marx, dem unter anderem "zersetzende Tätigkeit und Giftspritzerei" attestiert werden, beinhaltet die Erklärung zudem Klagen über "eine klebrig-bleierne Kameraderie" im NPD-Führungszirkel. "Hier scheint jeder über die Leichen des anderen so viel zu wissen, dass keine Krähe der anderen ein Auge aussticht", heißt es dazu im Text. Nur so habe es "zum verheerendsten Finanzskandal und damit zum größten Verrat gegenüber der aktiven Basis kommen" können, den "die junge Bewegung in den letzten Jahrzehnten sah."
Derzeit ist nur schwer abzuschätzen, wer den Führungsstreit in der NPD letztlich für sich entscheiden wird. Denn Molau verfügt über keine eigene Hausmacht. Die von Peter Marx eingefädelte Koalition aus Holger Apfel, dem Fraktionsvorsitzenden aus Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, und Parteivize Sascha Rossmüller ist demnach seine einzige Chance, überhaupt auf den Chefposten zu kommen. Sie wird aller Voraussicht nach aber nur so lange halten, bis entweder Apfel oder Pastörs genug Delegiertenstimmen hinter sich gebracht haben, um selbst nach der Macht zu greifen. Dass es ihnen in der Zwischenzeit nur Recht sein kann, wenn Molau das Risiko schultert, den angeschlagenen aber noch längst nicht geschlagenen Udo Voigt herauszufordern, liegt auf der Hand. Denn hinter dem versammelt sich derzeit eine Melange aus rechtem Parteiflügel, Neonazis und Teilen des alten westdeutschen Apparates, deren politisches Gewicht sich gegenwärtig kaum ermessen lässt.
Molau ist sich der ihm zugedachten Rolle als Königsmörder durchaus bewusst. Er wirbt deshalb seit Bekanntgabe seiner Kandidatur um eine Neuprofilierung der Partei im nationalkonservativen Spektrum, die weder von einem langjährigen Funktionär wie Apfel noch vom Parteirechtsaußen Pastörs glaubhaft verkörpert werden könnte. Gleichwohl wäre sie die unabdingbare Grundlage für den von vielen Mitgliedern geteilten Wunsch nach einer vereinigten Rechtspartei, die mit der Wahl von Matthias Faust zum neuen DVU-Vorsitzenden zumindest mittelfristig eine neue Perspektive erhalten hat. Darüber hinaus scheint Molau mit Patrick Brinkmann einen potenten Finanzier im Hintergrund zu haben. Der seit vergangenem Jahr in Berlin ansässige schwedische Geschäftsmann und Initiator der neurechten "Kontinent Europa Stiftung" soll sage und schreibe 20 Millionen Euro Unterstützung für den Fall in Aussicht gestellt haben, dass Molau Parteivorsitzender wird.
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