Über 100 Kandidaten, fast 200.000 Wahlzeitungen, 150.000 Flugblätter - und das alles für zwei Mandate bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein vor zwei Wochen. Die NPD hat schon bessere Ergebnisse gesehen. Das selbst ernannte Kraftzentrum der Nazi-Szene präsentiert sich zerstritten, die "Volksfront von rechts" bröckelt. Daran konnte auch der "Parteitag der Geschlossenheit" Ende Mai nicht viel ändern.
Die NPD hat in Bamberg keines ihrer Probleme gelöst. Debatten zur maroden Finanzlage, zum enttäuschenden Abschneiden bei den zurückliegenden Wahlen oder zur Gewaltfrage wurden, so weit es eben ging, vermieden. Gleich mehrere brisante Anträge kamen auf Drängen der Parteitagsregie gar nicht erst zur Abstimmung. Dabei brodelt es heftig an
heftig an der Basis - die hatte vor der Tagung gleich eine handvoll führender Funktionäre nominiert, die gegen den langjährigen Parteichef Udo Voigt antreten sollten. Doch alle fünf zogen zur Verwunderung des Parteitages in letzter Minute zurück. Nun ganz ohne Gegenkandidat, wurde Voigt von den Delegierten in einem Akt kollektiver Hilflosigkeit mit großer Mehrheit im Amt bestätigt.Er sei mit dem "Parteitag der Geschlossenheit" außerordentlich zufrieden, sagte Voigt, als alles überstanden war. Doch von Geschlossenheit kann wahrlich keine Rede sein. Schon eher davon, dass seine Kontrahenten weder genug Mut noch die nötige Hausmacht aufbieten konnten, um ihn offen herauszufordern. Doch Voigt ist erfahren genug, um zu wissen, dass seine Gegner das nächste Mal besser präpariert sein werden. Und dieses nächste Mal wird nicht lange auf sich warten lassen. Auf dem kommenden Parteitag im Herbst soll ein neues Programm verabschiedet werden. Ideologische Grabenkämpfe sind dabei geradezu programmiert.Die Zeit des alten und neuen Vorsitzenden ist also knapp bemessen, wenn er für die nächsten Attacken aus den eigenen Reihen gewappnet sein will. Dafür aber müsste er zu allererst den Beweis antreten, dass sich sein zentrales Projekt einer lagerübergreifenden "Volksfront von rechts" unter Führung der NPD auch tatsächlich für alle Beteiligten lohnt. Denn nur der hehren Sache wegen haben sich vor drei Jahren weder die nationalkonservativen Traditionalisten der DVU noch das militante Neonazispektrum auf eine so enge Kooperation mit der NPD eingelassen. Besonders die Kameradschaftsszene verliert mehr und mehr die Geduld. Sie diskutiert inzwischen ganz offen über Sinn und Unsinn einer weiteren Zusammenarbeit mit der Partei. Erste Gruppen haben sich bereits zurückgezogen. Andere leisten ihre (Wahlkampf-) Dienste für die Partei nur noch, wenn dafür auch der Rubel rollt.Die Bayernwahl im Herbst und der Wahlmarathon 2009 könnten NPD-Chef Voigt die Gelegenheit bieten, die erhitzten Gemüter zu besänftigen. Gewählt wird unter anderem im Saarland, in Thüringen und in Sachsen - hier sitzt die Partei bereits in Fraktionsstärke im Landtag. Auch in den anderen drei genannten Bundesländern traf sie zuletzt auf überdurchschnittlichen Wählerzuspruch. Rund ein Drittel ihrer Mitgliedschaft ist hier beheimatet. Die Organisationsstrukturen sind vergleichsweise gut ausgebaut und in Teilen der Bevölkerung gilt die NPD mittlerweile als normale Partei.Doch selbst in den einstigen Hochburgen ist das Abschneiden der NPD derzeit ungewiss. Ausgerechnet in den Landesverbänden Bayern und Thüringen toben erbitterte Flügelkämpfe, die eine erfolgreiche Wahlteilnahme ernsthaft gefährden könnten. Auch verlor die NPD in Sachsen im vergangenen Jahr 150 ihrer 1.000 Mitglieder und lag bei den jüngsten Umfragen deutlich unter fünf Prozent.Hinzu kommt, dass die Strategie von Parteichef Voigt, sowohl rechtsbürgerliche Mitglieder und Wähler als auch das neonazistische Spektrum inhaltlich und organisatorisch an die NPD binden zu wollen, zu immer heftigeren Kontroversen um den Kurs der Partei geführt hat. Besonders der Rechtsaußen-Flügel und die militanten Kameradschaften erhöhen derzeit den Druck und fordern, die Fixierung auf den "Kampf um die Parlamente" aufzugeben und stattdessen den "Kampf um die Straße" wieder zu forcieren. Außerdem sind sie der wahltaktisch motivierten Disziplinierungsversuche durch die Parteiführung überdrüssig - zumal die angekündigten Wahlerfolge, außer in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, weitgehend ausgeblieben sind. Zuletzt erreichte die Partei in Niedersachsen gerade einmal 1,5 Prozent. In Hessen blieb sie mit 0,9 Prozent sogar unter der Schwelle zur Wahlkampfkostenerstattung.Ein handlungsfähiges Machtzentrum, das solchen Konflikten zumindest die Spitze nehmen könnte, fehlt derweil. Der neue Bundesvorstand ist in weiten Teilen eher ein Abbild der Flügelkämpfe als ein Gremium zu dessen Beilegung. Und auch der Parteivorsitzende selbst ist nach den Querelen um seine Amtsführung nicht gerade in Bestform. Treue Weggefährten wie NPD-Generalsekretär Peter Marx wurden von den Parteitagsdelegierten abgestraft. Der langjährige Schatzmeister Erwin Kemna sitzt wegen des Verdachts der Veruntreuung von rund 630.000 Euro zu ungunsten der eigenen Partei seit Monaten in Untersuchungshaft.Voigt ist klar: Sollten auch die kommenden Wahlen erfolglos für die NPD verlaufen oder sein Intimus Kemna tatsächlich verurteilt werden, wird er seinen Hut nehmen müssen. Denn die parteiinterne Konkurrenz liegt bereits in Lauerstellung und wartet nur auf die Gelegenheit, ihre blamablen Rückzieher bei der Vorsitzendenwahl vergessen zu machen. Das gilt besonders für den Kreis um Udo Pastörs und Andreas Molau. Neben persönlichen Machtallüren stehen sie für eine verstärkt "nationalsozialistische" Ausrichtung der NPD. In keinem anderen Bundesland sind Partei und militante Kameradschaften so eng miteinander verwoben wie in Mecklenburg-Vorpommern, wo Pastörs NPD-Fraktionschef ist. Das war bereits vor der Landtagswahl im Herbst 2006 allgemein bekannt. Dennoch votierten 7,3 Prozent der Wähler für die NPD, was durchaus als eine neue Qualität politischer Verwahrlosung verstanden werden konnte.Mit Jürgen Rieger gibt es einen weiteren Anwärter um den NPD-Chefposten; die besten Chancen hat aber Holger Apfel, der Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag. Er gilt als Ziehsohn Voigts, kennt die Parteistrukturen in- und auswendig und böte trotz eines Personalwechsels an der Spitze politische Kontinuität. Für die Mehrheit der Partei wäre das aus derzeitiger Sicht wohl die attraktivste Lösung. Die Mitarbeiter in Voigts Parteizentrale in Berlin-Köpenick schieben ihren Dienst derweil ehrenamtlich. Nach der Rückforderung von 870.000 Euro aus Mitteln der Wahlkampfkostenerstattung waren sie im vergangenen Jahr alle entlassen worden.