Bodenschätze machen arm. Staaten, die reich mit Rohstoffen ausgestattet sind, wachsen langsamer, führen öfter Krieg und sind meist korrupt. Um den Fluch der Ressourcen zu bannen, verlangt das neue US-Finanzmarktgesetz mehr Transparenz von Minenbetreibern und Energiekonzernen.
Was haben die Finanzmärkte mit den rohstoffexportierenden Ländern gemein? Beide haben bewiesen, dass sie ohne gesetzliche Rahmenbedingungen das Gemeinwohl aus den Augen verlieren. Während die Finanzmarktakteure das ihnen anvertraute System durch exzessive Risiken beinahe an die Wand gefahren haben, ist das Problem bei den Rohstoffexporteuren Korruption. Doch beiden Problemen kann man abhelfen, durch geschickte Regulierung.
Ob den USA mit ihrem Finanzmarktreformgesetz der große Wurf gelungen ist, kann man noch nicht abschätzen. Aber ein Abschnitt des 2.319 Seiten starken Gesetzes wird zumindest den Menschen in den rohstoffexportierenden Ländern helfen: Die Regelung verlangt, dass Minenbetreiber und Ölförderer, die an US-Börsen notiert sind, alle Zahlungen an fremde Regierungen offenlegen. So wird Shell in Zukunft sagen müssen, wer in Nigeria wie viel von der Ölförderung profitiert.
Denn wie das Beispiel Nigerias zeigt, sind Rohstoffe in den meisten Ländern ein Fluch: 60 Prozent der ärmsten Menschen der Welt, die mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen, leben in Staaten, die reich an Bodenschätzen sind. In Ländern mit großen Rohstoffvorkommen sind die Staatseinnahmen von der allgemeinen Wohlfahrt entkoppelt. Das Geld fließt, auch wenn das Volk hungert. Dies erhöht die Gefahr eines Bürgerkrieges: Wie der Ökonom Paul Collier berechnet hat, liegt die Gefahr eines Bürgerkriegs in normalen Ländern bei einem halben Prozent. In Ländern, die vom Bergbau abhängig sind beträgt sie hingegen 23 Prozent. Rohstoffe seien „der bedeutsamste Risikofaktor“ für einen Staat, weit vor historischen oder ethnischen Problemen. Dies zeigt sich nicht zuletzt im Niger-Delta, wo Nigerias Öl herkommt: Dort sieht sich die Regierung gleich mehreren Guerillaorganisationen gegenüber, die eine fairere Verteilung der Öleinnahmen fordern.
Aber auch ohne Bürgerkrieg, gelingt es den wenigsten rohstoffreichen Ländern von ihren Schätzen zu profitieren: Wie der Ökonom Jeffrey Sachs gezeigt hat, wachsen diese Länder langsamer als Staaten ohne Bodenschätze. Während das BIP pro Kopf in den neunziger Jahren weltweit im Schnitt um 17 Prozent gewachsen ist, haben die rohstoffexportierenden Länder einen Rückgang von elf Prozent verbucht. Dies hat in den meisten Ländern einen einfachen Grund: Korruption. Denn während in einer diversifizierten Volkswirtschaft wie der Schweiz oder der Bundesrepublik Tausende Unternehmen das Volkseinkommen erarbeiten, ist in den Rohstoffländern oft ein einziges Unternehmen mit dem Abbau der Schätze beauftragt. Nur wenige kontrollieren die Geldflüsse, und wer an der Quelle sitzt, hat einen oft unwiderstehlichen Anreiz, etwas für sich abzuzweigen.
Zahlungen offenlegen
Und genau hier setzt das amerikanische Gesetz zur Reform der Finanzmärkte an: Indem es die Minenbetreiber zwingt, ihre Zahlungen an die Regierungen der Förderländer offenzulegen, schafft es Transparenz. Nun können Nichtregierungsorganisationen oder die Medien in diesen Ländern nachprüfen, ob das Geld von den Minengesellschaften auch tatsächlich im Staatshaushalt auftaucht oder schon vorher verschwindet.
Dies ist ein enormer Erfolg für Publish What You Pay (PWYP), eine internationale Nichtregierungsorganisationen, die von Minengesellschaften verlangt, dass sie publik machen, wieviel sie an wen bezahlen. Parallel dazu verlangt die vom ehemaligen britischen Regierungschef Tony Blair initiierte Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), dass die Länder offenlegen, wieviel sie von den Minengesellschaften erhalten. So entsteht eine Art „doppelter Buchhaltung“ und die Bürger der Rohstoffländer können ihre Regierungen besser kontrollieren. Beide Organisationen machen Fortschritte: Noch vor den USA hat bereits die Hong Konger Börse festgeschrieben, dass die dort notierten Minenbetreiber ihre Zahlungen offenlegen müssen. Außerdem denkt das International Accounting Standards Board (IASB), ein Verband von Buchhaltern, derzeit darüber nach, eine ähnliche Regel einzuführen. Diese hätte dann in den 110 Ländern, die den IASB Standards folgen, Gültigkeit. Und EITI hat mittlerweile drei Länder zertifiziert, die ihre Rohstofferlöse offenlegen: Aserbaidschan, Liberia und Osttimor. Weitere 27 Länder gelten als Kandidaten für eine EITI-Zertifizierung.
Doch noch ist der „Fluch der Rohstoffe“ nicht gebannt. Zum einen gibt es weiterhin genügend Börsen, an denen Minengesellschaften nicht gezwungen sind, ihre Zahlungen zu publizieren, etwa in Großbritannien, Deutschland, Kanada oder Australien. Zum anderen machen die börsennotierten, westlichen Rohstoff- und Energiekonzerne nur einen Teil der weltweiten Ressourcenförderung aus. Viele Länder wie Saudi-Arabien, Venezuela oder Russland haben den Sektor verstaatlicht. Hier können die Menschen kaum kontrollieren, wieviel Geld verdient und wofür es ausgegeben wird.
Mit dem amerikanischen Gesetz haben sie aber nun ein weiteres Argument, um von ihren Regierungen Transparenz zu verlangen. Und so ist das US-Finanzmarktgesetz schon heute eine Meilenstein – jedenfalls für die Menschen in den rohstoffreichen aber oft bitterarmen Staaten der Welt.
Christian Mihatsch war in der Wirtschaftsredaktion der Basler Zeitung tätig, arbeitet heute als Autor in Bangkok und ist Korrespondent des Online-Magazins
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