Das nachrevolutionäre Mexiko der dreißiger und vierziger Jahre war ein Mekka für politische Emigranten, Künstler und Intellektuelle, die alle früher oder später über die schwergewichtige Gestalt Diego Riveras stolperten. Rivera war der obsessisvte Maler unter ihnen, der geltungsbedürftigste Charmeur, der fleißigste Schürzenjäger. Er spann grobe Fäden leidenschaftlicher Zuneigung und tiefer Abscheu. Frida Kahlo, seine langjährige Ehefrau, nannte ihn den zweiten großen Unfall ihres Lebens, mit dessen Folgen sie bis zum Ende zu kämpfen hatte. Dennoch blieb sie ihrem schillernden Mann in der Inszenierung des eigenen Lebens ebenbürtig, unterhielt Affären und kompensierte mit der Malerei die körperlichen und emotionalen Schmerzen.
Eine andere Frau, die lebenslang in die Fänge Riveras geriet, kam aus den Reihen der Sammler und Mäzene. Dolores Olmedo Patiño wurde als 12-jährige von dem Maler als Model entdeckt und sollte seine großzügigste Förderin und enge Vertraute bleiben. Die letzten drei Jahre seines Lebens, nach Fridas Tod, verbrachte er größtenteils in ihrem Haus in Acapulco, wo er vom Krebs gezeichnet und in seiner Wildheit gezähmt, vom Balkon aus hübsche Sonnenuntergänge malte, die alle in Olmedos Sammlung eingingen.
Mit der Person Frida Kahlo konnte Olmedo nicht viel anfangen. Weder mit ihrer diffusen sexuellen Orientierung, noch ihrer kommunistischen Gesinnung - ein Punkt, den sie bei Diego beflissentlich übersah. Zwar respektierte sie Kahlo als Künstlerin, hielt andere mexikanische Malerinnen aber für weitaus bedeutender. »Frida wäre überhaupt nicht so berühmt geworden, wenn sie Diego nicht geheiratet hätte«, bemerkte sie oft. Die »Fridamania«, die vor allem in der westlichen Welt grassiert, hielt sie für »crazy«. Sie vergaß allerdings nie darauf hinzuweisen, dass es überhaupt erst sie selbst gewesen war, die Kahlo zu internationalem Ruhm verholfen hatte.
Denn Olmedo, eine der einflussreichsten Frauen in der mexikanischen Kultur, war nicht nur die eifrigste Kunstsammlerin Riveras. Es war auch ausgerechnet sie, die die bedeutendsten Werke Kahlos an sich brachte.
In den letzten Jahren ihres Lebens (Olmedo verstarb im Juli vergangenen Jahres) winkte Dolores Olmedo Patiño Besucher mit golfballgroßen Diamanten an den Fingern in ihre privaten Gemächer. Sie war eine spektakuläre Erscheinung mit knallroten Lippen und ebenso gern ganz in Rot gekleidet - wimpernklimpernde Koketterie und trockener Humor zeichneten sie aus. Ihre Hacienda im Stadtteil Xochimilco der mexikanischen Hauptstadt beherbergt neben der ehemaligen Wohnstätte das nach ihr benannte Museum, in dem 137 Werke von Rivera und 25 der wichtigsten Arbeiten Kahlos ausgestellt sind. Seit der Eröffnung des Museums 1994 unterhält sie damit die größte öffentlich zugängliche Sammlung des Kahloschen Werks.
Der Ankauf der Arbeiten geschah aber durchaus nicht freiwillig. Es handelte sich dabei um einen Gefallen Diego zu Liebe, der die Arbeiten seiner Frau zusammenhalten wollte und selbst dafür nicht das Geld besaß. Olmedo ließ ihre ausgezeichneten Beziehungen zur Bank von Mexico spielen und kaufte der Frau des damaligen Bankpräsidenten die Werke ab. Im Gegenzug ernannte Rivera sie nach seinem Tod zur Treuhänderin seines gesamten Besitzes, das unter anderem die eigene Kunstkollektion und Fridas Papiere umfasste. Olmedo wurde damit zur lebenslangen Direktorin sowohl des von ihm errichteten Museums Anahuacalli, als auch des Casa Azul, Fridas Geburtshaus und heute ebenfalls Museum.
Durch diese Umstände kam es, dass die Kunstmäzenin Ende der neunziger Jahre plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses von Hollywood geriet. Zwei Verfilmungen des Lebens Frida Kahlos standen in den Startlöchern und benötigten die Genehmigung zum Abfilmen der Gemälde. Der Produzent Francis Ford Coppola mit der Schauspielerin Jennifer Lopez ließ sein Anliegen durch einen Vermittler bei Olmedo vortragen. Die soll daraufhin eine Summe von einer Million Dollar verlangt haben. Coppola war nicht gewillt zu zahlen, das Projekt geriet ins Stocken. Irgendwann stieg Lopez aus der Produktion aus, der Film wurde auf Eis gelegt.
Selma Hayek, Produzentin und Hauptdarstellerin des zweiten Projekts und Mexikanerin von Geburt, kannte sich genügend mit mexikanischen Egos aus, um die Sache diplomatischer anzugehen. Sie erbat sich bei Olmedo persönlich eine Audienz. Mehrere Stunden lang verbrachte sie in den orientalischen Wohnräumen der Patronin und ließ sich bei einer Flasche Champagner Geschichten aus Diegos und Fridas Leben erzählen. Am Ende erklärte Hayek Olmedo zur offiziellen Beraterin des Films. Bei so viel Schmeichelei konnte Olmedo nicht umhin, Hayek die Rechte an den Repliken zu übertragen und ihr damit den erfolgreichen Abschluss des Projekts zu sichern.
Olmedos Einfluss aufs Drehbuch mag dabei gering geblieben sein, wenn sich auch in der mexikanischen Zeitung Reforma Stimmen meldeten, die ihre Beteiligung für eine Farce hielten. Der selbsternannte Kahlo-Kenner Manuel Ávila Camacho hält den Film für inakkurat, weil die beiden Frauen Zeit ihres Lebens Rivalinnen um Rivera waren. »Sie hassten einander. Dolores war eifersüchtig auf Frida.« Besonders bösartige Zungen führen gleich sämtliche mangelnden Qualitäten des Films auf Olmedos Beratung zurück: Sie habe die Konkurrentin schlecht aussehen lassen wollen.
Laut Olmedo konnte von Eifersucht jedoch kaum die Rede gewesen sein. Trotz anders lautender Gerüchte sei sie niemals Diegos Geliebte gewesen. Eher verhielte es sich genau andersherum, Frida habe sie, Dolores, nicht ausstehen können. Denn kurz nach Kahlos schwerem Unfall trennte sich deren damaliger Verlobter Alejandro Goméz Arias von ihr, um kurz darauf eine langjährige Partnerschaft mit Olmedo einzugehen.
Obwohl Dolores Olmedo die meiste Zeit ihres Lebens auf die eine oder andere Weise - ob nun Zufall oder unorthodoxe aber gründliche Sammlerschaft - mit dem Leben Frida Kahlos verbunden war und das Erbe immerhin mehr als 40 Jahre lang verwaltete, war sie sich sicher, dass Frida eines Tages von der Bildfläche verschwunden sein würde. Für den anderen Fall hat sie allerdings dafür gesorgt, dass sie selbst zumindest neben der Künstlerin nicht in Vergessenheit gerät. Der dezenteste Hinweis befindet sich in den Ausstellungsräumen ihres Museums. Neben einer Aktstudie Riveras von Frida Kahlo, ließ sie eine Aktstudie von sich aus dem gleichen Jahr hängen. Etwas zentraler. Etwas größer. Etwas üppiger.
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