Im Februar veröffentlichten 60 US-Intellektuelle ein Manifest mit der Überschrift Wofür wir kämpfen und erklärten den Angriff auf Afghanistan zum "gerechten Krieg". Im Mai kam eine Antwort aus Deutschland. 103 Intellektuelle meinten, Gewalt könne niemals zu einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens führen. Ihr Hauptvorwurf: die Amerikaner würden "über den Massenmord an der afghanischen Zivilbevölkerung", der mit der Operation Enduring Freedom verbunden sei, "kein einziges Wort" verlieren. Im August folgte die Replik aus den USA (s. Freitag vom 23.8.2002). Darin warfen die Unterzeichner des ursprünglichen Manifestes ihren deutschen Kollegen vor, "keine schlüssige moralische Position" zu haben und sich in antiamerikanischer Rhetorik zu verlieren. Ähnlich äußerte sich der Schriftsteller Peter Schneider am 26. August im Spiegel gegen die "bewährte Gruppe von Mahnern und Warnern" in Deutschland.
Unsere Zivilisation schuf in einer vieltausendjährigen Geschichte unser Rechtssystem, es hat vielfältige Wandlungen erlebt, wird erweitert und ausgeformt und beruht doch nur auf drei fundamentalen Sätzen:
1. Der Angeklagte ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.
2. Das Opfer darf nicht über den Täter richten.
3. Es muss angemessen geurteilt werden, was im alttestamentarischen Bundesbuch mit den Worten Auge um Auge gefordert wurde.
Diese drei Sätze sind nicht natürlich, entsprechen nicht unserer Natur, sie sind Ergebnis unserer Zivilisierung. Unsere Natur will Gerechtigkeit und Rache, die Zivilisation gebietet dagegen, uns an das Recht zu halten, um des Fortbestandes der menschlichen Gemeinschaft willen. Wir wollen die Verurteilung, wenn die Schuld des Täters für uns offensichtlich ist, das Gesetz verlangt jedoch vor dem Schuldspruch den Beweis der Schuld. Wir bestehen darauf, das Unrecht zu sühnen, möglichst umgehend und schmerzhaft für den Täter. Das Recht gebietet, den unparteiischen Richter urteilen zu lassen, der nicht unserem Zorn folgen soll, sondern dem Gesetz.
Diese drei grundlegenden Sätze unseres Rechtssystems sind für uns schwer erträglich. Wer dieses bestreitet, weiß wenig von der menschlichen Natur oder hat nie ein Unrecht erlitten, das Sühne verlangte und ungesühnt blieb.
Das Gesetz und unser Rechtssystem verteidigen unsere Zivilisation. Wenn wir diese Voraussetzung der menschlichen Gemeinschaft aufgeben, beginnt die Rechtlosigkeit, beginnt der Weg in die Barbarei.
Im Februar wandten sich 58 amerikanische Wissenschaftler und Politiker mit einem Brief What we´re fighting for an die Öffentlichkeit. Im April antworteten ihnen 150 amerikanische Wissenschaftler und Publizisten, im Mai wurde der Brief von 100 deutschen Intellektuellen dazu veröffentlicht, und im August erhielten die Deutschen von den Amerikanern eine Antwort.
Die Auseinandersetzung, die unpolemisch und kommunikativ geführt wurde, lässt sich auf eine einzige Frage reduzieren: Darf oder muss ein Staat auf einen terroristischen Anschlag mit Krieg antworten?
Die 58 Amerikaner bejahen diese Frage uneingeschränkt mit einem Verweis auf "gerechte Kriege". Die anderen Briefschreiber bezweifeln, dass ein Krieg die angemessene Antwort auf einen Anschlag durch Terroristen sei, und verweisen stattdessen auf die zivilrechtlichen und rechtsstaatlichen Mittel, um Verbrechen zu bekämpfen und Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen.
Peter Schneider hat sich im Spiegel über diese Briefe geäußert und frönte dabei der beliebten feuilletonistischen Geistesübung deutscher Intellektueller, Intellektuelle zu denunzieren. Die deutschen Briefschreiber, teilt er mit, seien "jene bewährte Gruppe von Mahnern und Warnern, deren Unterschrift man noch unter keinem Aufruf zur Verbesserung des Menschengeschlechts vermisst hat ..., Schulmeister ..., Unschuldsengel ..., geschichtsvergessen ... Moralexperten ..., affektiv Enthemmte und Verstörte".
In seiner Aufzählung fehlt lediglich die Bezeichnung "Gutmenschen", die in den letzten Jahren das im Feuilleton üblich gewordene Attribut für dissidierende Autoren wurde. Solche Etiketten werden weltweit nach einem einfachen Muster verteilt: Stimmt derjenige, der sich zu Wort meldet, der herrschenden Meinung zu, so ist es der mutige, unerschrockene und beachtenswerte Appell eines unabhängigen, freien Geistes. Steht die veröffentlichte Meinung gegen den mainstream, so erfolgt umgehend eine höhnische oder bösartige Kennzeichnung, um den oder die Verfasser lächerlich zu machen, wodurch es sich erübrigt, ihre Argumente wahrzunehmen oder gar auf sie einzugehen.
Üblich ist auch, der ironischen Titulatur das Wörtchen "selbsternannt" hinzugefügt, was die so Charakterisierten vollständig entlarven soll, und dem Leser gleichzeitig suggeriert, der Publizist auf der anderen Seite besäße in seinem Schreibtisch eine Ernennungsurkunde und einen Befähigungsnachweis, erteilt von einer sehr hohen und gottähnlichen Persönlichkeit.
Verwunderlicher ist es, dass ausgerechnet Peter Schneider in diesen höhnischen Feuilleton-Ton verfällt, war er doch noch vor wenigen Jahren einer der eifrigsten Briefeschreiber der Republik und wurde damals sicherlich wiederholt mit eben diesem Vokabular belegt, das er nun selbst freigiebig nutzt. Aber auch Elche altern, und die fromm gewordenen Damen und die Herren im feinen Tuch erinnern sich ungern der Jugendsünden.
Peter Schneider ist vermutlich für einen Krieg als Antwort auf jenen barbarischen Anschlag von Terroristen am 11. September. Er hält allerdings den Rekurs auf "gerechte Kriege" für einen Fehlgriff und spricht lieber von "gerechtfertigten und notwendigen Kriegen". Ein solcher Krieg war für ihn der Kampf der Alliierten gegen die faschistischen Achsenmächte. Hier stimmt er mit sämtlichen Briefschreiben überein, die - ungeachtet ihrer aktuellen Differenzen - den Krieg gegen die Faschisten vorbehaltlos und ausdrücklich für beispielhaft ansehen.
Schneiders Unterrichtung über gerechte und gerechtfertigte Kriege und darüber, dass Krieg nicht gleich Krieg sei, die ausführliche Belehrung über den deutschen Faschismus, der nur durch Gegengewalt und Krieg zu besiegen war, lässt im Leser die irrige Vorstellung entstehen, jene deutschen Briefschreiber seien infantile, geschichtsvergessene Träumer, die sogar den Kampf der gegen das faschistische Deutschland verbündeten Länder in Frage stellten oder missbilligten. Mit solchen und weiteren Unterstellungen soll die Zurechnungsfähigkeit oder doch Seriosität der deutschen Briefschreiber bezweifelt werden, was dadurch erleichtert wurde, da der durchweg polemisch zitierte Brief dem Spiegel-Leser nicht vorliegt.
Allerdings spricht Peter Schneider dann von einem "gerechtfertigten Gegenschlag", womit seine Position etwas unklar wird. Möglicherweise meint er damit einen Krieg, es kann aber auch sein, dass er mit einem Gegenschlag die notwendige und gerechtfertigte Sühne und Bestrafung rechtfertigen will, was ihn dann wiederum mit sämtlichen Briefschreibern in Konsens setzt, denn für eine Verfolgung und Bestrafung der Terroristen sprechen sich natürlich alle aus. Für diese Annahme spricht seine Wortwahl, denn ein "Gegenschlag", ein Zurückschlagen, suggeriert etwas von Ausgewogenheit und Parität.
Für makaber hält Schneider, dass die deutschen Autoren von 4.000 zivilen Opfern des Afghanistan-Krieges sprechen. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt, da diese der Geheimhaltung unterliegen. Die Schätzungen von Journalisten nennen Zahlen zwischen 350 und 5.500. Die deutschen Briefschreiber nannten eine Zahl nach den seriösen Quellen, die ihnen vorlagen. Diese Zahl ist möglicherweise falsch, es könnte weniger Opfer gegeben haben oder mehr. Wäre es aber für Schneider nicht angebrachter zu fragen, weshalb diese Zahlen der Geheimhaltung unterliegen?
Die Kernfrage, ob ein Staat auf einen terroristischen Anschlag mit einem Krieg antworten soll oder darf, ist keine moralische Frage, wie Schneider vermutet, sondern vor allem eine rechtliche, eine staats- und völkerrechtliche. Die Briefschreiber vertreten dabei unterschiedliche und gegensätzliche Positionen, aus denen dann als Folge sich weitere rechtliche Wertungen und Beurteilungen ergeben, die Schneider ausschließlich moralisch zu beurteilen vermag.
Traditionell und von wenigen Ausnahmen abgesehen entschieden Regierungen bisher, dass Terrorismus mit zivil- und strafrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sei.
Als in der Bundesrepublik Terroristen Anschläge verübten und mordeten und vom Staat verlangten, als Armee betrachtet zu werden und ihre Terroraktionen als Krieg, lehnte die damalige deutsche Regierung eine solche Anerkennung ab und verfolgte und bestrafte sie gemäß dem bürgerlichen und Strafgesetzbuch.
Die Regierung der USA wechselte mehrfach ihre Bewertung der Attentäter vom 11. September. In den ersten Wochen nach dem fürchterlichen Anschlag wurden die Attentäter als Terroristen bezeichnet. Dann entschied sich die Regierung für einen Krieg gegen Afghanistan, den sie Unendliche Gerechtigkeit nannte, wodurch nun die Attentäter zwangsläufig zu kriegsführenden Kombattanten erklärt wurden, die mit ihrem Attentat einen Krieg eröffnet hätten.
Nach dem Ende des Krieges, als die gefangenen Taleban den Status von Kriegsgefangenen für sich beanspruchten, erneuerte die Regierung die Einschätzung. Die Gefangenen wurden nun zu kriminellen Attentätern, denen man nicht die Rechte von Kriegsgefangenen zubilligen könne. Und ein Gerichtshof der USA krönte das Ganze mit der Entscheidung, dass die auf Guantanamo Bay Inhaftierten auch keinen Anspruch auf die in Amerika festgeschriebenen Rechte von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen hätten, da sie sich nicht auf amerikanischen Boden aufhielten. Da auf Guantanamo Bay aber auch die kubanischen Gesetze keine Gültigkeit haben, befinden sich die Gefangenen nach US-amerikanischer Sicht in einem rechtsfreien Raum, in dem man durch kein Gesetz beschränkt und nach Belieben gegen sie vorgehen kann.
Die Bewertungen der Regierung der Vereinigten Staaten wechselten vermutlich aus dem Bestreben heraus, eine freie Hand für maximale Reaktionen zu bekommen, um dadurch eine höchstmögliche Bestrafung zu erreichen.
Es lag aus nachvollziehbaren und verständlichen Gründen der Regierung der Vereinigten Staaten daran, äußerst rasch und wirkungsvoll auf das entsetzliche und beispiellose Attentat zu reagieren, um keine Schwäche zu zeigen, aber auch um weitere Attentäter wirkungsvoll einzuschüchtern. Ob ein Krieg ein dafür geeignetes Mittel ist, war und bleibt umstritten, wenn auch nach diesem Krieg jene Staaten, die gleichfalls mit militärischen Mitteln die von ihnen als Terroristen angesehenen Staatsfeinde bekämpfen, dieser Einschätzung aus leicht erkennbaren Gründen zustimmten, zumal sie zuvor für ihre militärischen Aktionen gegen Terroristen von der Weltöffentlichkeit getadelt wurden.
Der Streit darüber ist kein "Kuriosum", wie Peter Schneider meint. Ich bin der Ansicht, diese Frage wird uns weiterhin beschäftigen. Ich befürchte, wir werden den Terrorismus nicht in absehbarer Zeit besiegen, er bleibt eine Bedrohung unserer Welt.
Der Terrorismus hat spätestens seit dem 11. September eine andere Dimension erhalten. "Organisierte Killer mit globaler Reichweite bedrohen nun uns alle", schreiben die amerikanischen Kollegen zu Recht in ihrem Brief. Gegen diesen globalen Terrorismus ist sehr viel schwieriger vorzugehen als zu dem noch weithin national begrenzten, wie ihn die Bundesrepublik einst erlebte.
Aber erlaubt das Staats- und Völkerrecht der internationalen Gemeinschaft, von zivilen strafrechtlichen Mitteln zu militärischen überzugehen, wenn ein Attentat brutaler und mörderischer war als alle terroristischen Aktionen zuvor? Darf ein Staat das bisher allgemein geltende Recht überschreiten, wenn die Untat so schrecklich ist, dass uns allen die üblichen Sanktionen und Strafen als zu gering erscheinen? Anders und beispielhaft gefragt, darf ein Staat einen besonders bösartigen Gefangenen hinrichten, wenn die Mehrheit einer Gesellschaft die Todesstrafe für einen besonders grausamen Täter verlangt, obgleich diese Todesstrafe abgeschafft wurde und daher nach gültigem Recht nicht zulässig ist?
"Ein gerechter Krieg", schreiben die amerikanischen Kollegen in ihrem Brief vom Februar, "kann nur gegen Kombattanten geführt werden. Die ganze Geschichte hindurch und überall auf der Welt lehren die Autoritäten in Sachen gerechter Krieg - seien sie Vertreter muslimischer, jüdischer, christlicher, sonstiger religiöser oder weltlicher Auffassungen -, dass Nichtkombattanten nicht bewusst angegriffen werden dürfen. Es ist daher moralisch unzulässig, Zivilisten aus Rache oder auch nur zum Zweck der Abschreckung mit ihnen sympathisierender Menschen zu töten."
Zweifellos und beweisbar waren die Taleban im bombardierten Afghanistan Sympathisanten der Attentäter. Ob sie aber auch die Attentäter waren oder die Köpfe und Auftraggeber jenes Anschlags, ist - wie auch dem Spiegel zu entnehmen ist, in dem Schneiders Artikel erschien - bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Der Krieg war eine rasche und wirkungsmächtige Aktion, woran der amerikanischen Regierung aus sehr verständlichen Gründen gelegen war, aber möglicherweise war es ein Krieg gegen den falschen Gegner, gegen Sympathisanten, und nicht gegen die Attentäter und ihre Hintermänner. Nach den schlüssigen Beweisen wird noch fieberhaft gesucht.
Vor wenigen Tagen, am 30. August, erschien die Süddeutsche Zeitung mit der Titel-Schlagzeile "In Hamburg war die Keimzelle des Terrors". Als ich diese Schlagzeile las, erstarrte ich, denn in den Tagen nach dem Anschlag vom 11. September stand in den Zeitungen, dass die Keimzelle des Terrors in Afghanistan sei. Wenige Tage darauf erfolgte der Militärschlag gegen dieses Land.
Nach Peter Schneider hat der Brief der Deutschen "etwas mit einem Denk- und Gefühlsverbot zu tun. Das Böse, davon scheinen die deutschen Verfasser überzeugt zu sein, gibt es gar nicht, folglich muss es auch nicht, und notfalls mit Gewalt, gestoppt werden. Jeder Akt von Barbarei, jede ideologische Verwirrung, jeder Hassausbruch und jeder Mordwahn auf der Welt, hat, so glauben sie, nachvollziehbare und behebbare, soziale Ursachen."
Ich denke, alle am Streit Beteiligten, die amerikanischen wie die deutschen Intellektuellen, wollten kein Verbot des Denkens erreichen, sondern ganz im Gegenteil zu einem Nachdenken anregen. Dass die deutschen Autoren tatsächlich glauben, aller Hass und jegliche Barbarei hätten soziale Ursachen, kann ich dem Brief nicht entnehmen. Ob sie an das Böse glauben oder nicht, weiß ich nicht, denn dazu äußern sie sich nicht. Ich bezweifle auch, dass sie für Peter Schneider oder für wen auch immer ein "Gefühlsverbot" auszusprechen beabsichtigten, was immer das sein mag.
Ich beispielsweise denke, dass es das Böse im Menschen gibt und auch die menschliche Bosheit und die Dummheit, und dass sich das alles sehr schwer oder vielmehr überhaupt nicht ausrotten lässt. Ich folge sogar dem Philosophen Beckett, der da verkündete: "Wir werden alle verrückt geboren. Einige bleiben es."
Allerdings bin ich auch der Meinung, dass Staaten, menschliche Gesellschaften und Individuen nur jenes Böse erfolgreich bekämpfen können, das auf soziale und andere, für Menschen erkennbare Ursachen gegründet ist, denn nur dann ist es ihnen möglich, einzugreifen und zu verändern. Aber ich weiß auch, es gibt einen Hass und einen Mordwahn, dessen Ursachen für uns noch immer im Dunklen liegen und der nicht oder kaum heilbar ist, dem nur noch psychiatrisch begegnet werden kann oder durch eine Einweisung in geschlossene Anstalten.
Das Böse an sich aber, das Peter Schneider meint, wie auch das dazu gehörige Reich des Bösen entziehen sich dagegen weitgehend der menschlichen Erkenntnis und Aufklärung. Und ob "das Böse" selbst mit geweihten Waffen besiegt werden kann, ist auch nach Jahrhunderten des Kampfes gegen das Teuflische in der Welt noch immer fraglich. Hier sind dem Menschen möglicherweise Grenzen gesetzt, die er allein mit Gebeten oder Exorzismen überschreiten kann, doch ich will Schneider in diese exegetischen Gefilde nicht folgen, zumal ich über die Lehrmeinungen der Dämonologie nicht ausreichend unterrichtet bin.
Da Schneider aber den Autoren vorwirft, sie würden an das Böse glauben, das man mit der Gewalt eines Krieges stoppen könne, folgt daraus, er habe das Böse ausgemacht, das mit Bomben bekämpft werden könne. Was aber bedeutet das? Wohnt das Böse in den Angehörigen eines bestimmten Volkes, einer ethnischen Gruppe oder einer Religion? Ist es in einer definierten Region der Welt beheimatet? Und ist es durch Kleidung, Haartracht oder Gesichtszüge erkennbar? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jahrhunderte nach dem Mittelalter und Jahrzehnte nach der hoffentlich endgültigen Niederlage des Faschismus ein Autor ernsthaft solcher Ansicht ist. Aber was, beim Teufel und bei allem Bösen in der Welt, meint er dann?
Zum Ende des Artikels fragt Peter Schneider, was die USA denn tun sollen, "um es solchen Ratgebern (gemeint sind die deutschen Autoren; C.H.) Recht zu machen", vielleicht gar ihre Macht "mit andern teilen, am besten mit den Deutschen?"
Die feine Ironie ist unüberhörbar, mehr noch, sie ist mir sogar vertraut. Einer von Stalins Lieblingssätzen lautete: Wie viel Bataillone hat denn der Papst? Und das ostdeutsche Politbüro liebte über seine intellektuellen Kritiker zu scherzen: Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter. Der Protokollschreiber notierte dann stets: "ausgelassene Heiterkeit" oder "nicht endenwollender Beifall".
Natürlich wird keine Regierung auf die Intellektuellen hören, weder auf die amerikanischen noch auf die deutschen. Erinnern will ich aber an einen Satz von dem Historiker Carl J. Burckhardt, den Hans Mayer wiederholt zitierte, und der wie Portius Catos Ceterum censeo die unveränderliche und beständige Haltung des Intellektuellen sein sollte. Als Burckhardt zum Hochkommissar für Danzig ernannt wurde und in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diese Mission übernahm, sagte er: "Es werden eines Tages deutsche Kriegsschiffe im Hafen von Gdingen einlaufen, und ich werde vor der Tür meines Hauses stehen und mit erhobenem Füllfederhalter im Namen des Völkerbundes dagegen protestieren."
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