Es ist kein Sommerloch-Thema, sondern bittere Realität: Die generelle "Nachfrageschwäche" im Einzelhandel hat nun auch den Buchhandel in einer Weise erfasst, dass es richtig weh tut. Betroffen sind nicht mehr nur die Kiez-Buchhandlungen, sondern auch die großen Ketten.
In der vergangenen Woche hat das traditionsreiche Berliner Unternehmen Kiepert (neun Filialen, 200 Mitarbeiter) Insolvenz angemeldet, die Hugendubel-Gruppe - mit 27 Filialen immerhin die Nr. 2 im Lande (hinter der jüngst fusionierten Großgruppe Thalia/Phönix/Montanus) - hat ihre mehr als 1.000 Mitarbeiter auf Kurzarbeit gesetzt und den Zentraleinkauf gedrosselt, im übrigen Sortiment herrscht allgemeine Einkaufszurückhaltung. Die Konsequenz bekommen jetzt wir Verlage zu spüren. Auf
ren. Auf der gerade laufenden Vertreterreise für das Herbstprogramm müssen mehr Titel denn je vom Buchhandel zurückgekauft werden, damit wir überhaupt ein paar Bestellungen für Novitäten platzieren können. Erste Verlagsschließungen zum Jahresende sind bereits angekündigt, darunter der auf Judaica spezialisierte Bleicher-Verlag in Gerlingen und das altlinke Westberliner Projekt Espresso, ehemals Elefanten Press, bei dem auch der Freitag einige Jahre erschienen ist. Und dabei wird es vermutlich nicht bleiben, denn Umsatzeinbrüche von 20 bis 30 Prozent können selbstfinanzierte, mittelständische Unternehmen nicht so nebenbei wegstecken, dafür sind die Rücklagen einfach viel zu klein. Was ist geschehen, ist (wieder einmal) das Ende der Buchkultur gekommen, weil die nachwachsende Generation nur noch im Internet surft und die Älteren sich von privaten Fernsehsendern berieseln lassen? - Keineswegs, es gibt keinen Grund zum großen Kulturpessimismus, die Wirklichkeit ist viel simpler. In den letzten Jahren des üppigen Medienwachstums, als alle beim neuen Informationszeitalter dabei sein wollten und kühn in die rosig beschriebene Zukunft investierten, sind nicht nur Imperien wie Kirch unverantwortlich expandiert, sondern hat es auch bei den Buchhandelsketten ein Flächenwachstum gegeben, das nicht von realer Nachfrage gedeckt war, denn die Zahl der Buchkäufer ist seit Jahren relativ konstant und nicht exponential steigend. Viele Medienkonzerne, die im Fernseh- und Zeitungsgeschäft gute Gewinne gemacht hatten, steckten ihr Geld lieber in Buchverlage, als es der Steuer zu geben, was eine Titelflut und übersteigerte Vorschusszahlungen an Agenten zur Folge hatte. Deutschland produzierte 2001 knapp 90.000 Titel, das ist beinahe doppelt so viel wie in den USA mit mehr als dreifacher Bevölkerung und einem riesigen englischsprachigen Publikum im Ausland. Die deutschen Leser können dieses Überangebot kaum noch überblicken und weichen daher lieber in überschaubare Läden mit einem kleinem, preisbewussten Sortiment aus, weshalb Weltbild mit seinen über 200 Filialen momentan auch Zuwächse verbucht, während die Chefs der Großflächen klagen. Nun, da inzwischen die Anzeigenerlöse zurückgehen und die Zeitungen immer dünner werden, ist auch die Lust an Büchern bei den drei großen Medienhäusern erkennbar rückläufig: Bertelsmann hat seine Ratgeberverlage Falken und Mosaik mit immerhin 50 Millionen Euro Jahresumsatz geschlossen und will den wissenschaftlichen Springer-Verlag verkaufen, Holtzbrinck stellte den Alexander-Fest-Verlag ein und schraubt gerade Nicolai zurück, bei Axel Springer verkündete Konzernchef Döpfner, daß er auf seine HEUL-Gruppe (Heyne, Econ, Ullstein, List) durchaus verzichten könne, wenn diese nicht bald schwarze Zahlen schreibe. Zu wünschen wäre, dass die momentane Krise zu einer überfälligen Rückbesinnung auf programmatisch wichtige Bücher führt und die Verstopfung des Marktes allmählich abgebaut werden kann. Doch die Zeche haben vermutlich erst einmal die kleineren und mittleren Verlage zu zahlen, die bei der gegenwärtigen Reduktion der Sortimente am ehesten weggelassen werden, da sie keine teuren Werbekostenzuschüsse an die Händler zahlen können und keinen Spielraum für zusätzliche Rabatte haben. Wenn sie jetzt nicht auslöffeln sollen, was andere eingebrockt haben, muss gegengesteuert werden. Daher hat die "Kurt-Wolff-Stiftung zur Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene" vergangene Woche dazu aufgerufen, einen Runden Tisch von Kultur- und Politikvertretern zu installieren, der Förderprogramme nach französischen und österreichischem Vorbild in die Wege leitet. Es geht nicht um Subventionen, sondern um langfristige Darlehen, womit wenigstens ein Minimum an Chancengleichheit hergestellt würde.Christoph Links ist Verleger des gleichnamigen Verlages in Berlin.