Reaktionen in der Welt

International Wie in anderen Staaten über die Atomkatastrophe in Japan diskutiert wird

USA: Minimal Fallout

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Frankreich: Leise Zweifel

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Tschechien: Ewiger Störfall

./resolveuid/0e22dc8812e9cf4e886cb80b8980ce09/image_previewSo lange es keine Erdbeben gibt, sorgt man sich seitens der tschechischen Regierung auch nicht um die Sicherheit der zwei Kraftwerke im Land: An der Kernenergie, die etwa 30 Prozent der Gesamtstromerzeugung ausmacht, wird auch angesichts der Katastrophe in Japan festgehalten. Das Kraftwerk Temelin wird ausgebaut. Bis zum Jahr 2025 sollen zwei Blöcke dazukommen. Protestiert wird gegen den Meiler Temelin schon lange – nicht in Tschechien selbst, aber in Bayern und Österreich. Zu nah dran ist den Atomkraft-Gegnern das marode AKW im Nachbarland. Mehr als Hundert Störfälle soll es dort in den letzten 30 Jahren gegeben haben. Die Betreiber dementieren und haben den Dreh raus: Je mehr Kraftwerke andernorts stillgelegt werden, desto mehr Strom aus Temelin könne man dann ja verkaufen.

China: Ausgesetzt

./resolveuid/621c1802d896b9b86e8ce9c9f49ea4b2/image_previewDie Meldung kam überraschend: Ein Sinneswandel bei der chinesischen Regierung, die ihr massives Bau­- vor­haben von 40 neuen Reaktoren in den nächsten Jahren auf Eis legte. Worauf die Entscheidung beruhte, vom gerade erst beschlossenen Fünfjahresplan zurückzutreten und das umfassende Atom-Programm auszusetzen – darüber gibt es keine Einigkeit. Es wird mit der Notwendigkeit zusammenhängen, die staatliche Macht und den Einfluss der Atom­aufsichtsbehörde gegenüber der Atom-Industrie zu stärken. Bislang war diese der Nuklearwirtschaft eher hinterhergelaufen, als dass sie deren Arbeit tatsächlich kontrollieren konnte. Die chinesische Anti-Atom-Bewegung hingegen schlägt den Regierungsumschwung einem wachsenden Einfluss der chinesischen Zivilgesellschaft zu.

Venezuela: Beten für Japan

./resolveuid/6cf5b4d80d3c9b9f63f2e7863bbec777/image_previewDer venezolanische Präsident Hugo Chávez wurde eine Woche nach dem japanischen AKW-Unfall in der lokalen Presse zitiert: „Wir kennen die Aus- maße des Problems in Japan noch nicht. Wir bitten Gott, dass sie gering sind und keine großen Auswirkungen auf die Menschen in Japan und den Nachbarländern haben werden. Aber ich bezweifele nicht, dass dies die Entwicklung der Nuklearenergie weltweit verändern wird.“ Sprach’s und erließ ein Morato­rium für Venezuelas Atomprogramm. Das war auf zehn Jahre angelegt, vorgesehen war auch der Neubau eines Kraftwerks mit russischer Hilfe. Chávez unter­- hält nicht nur enge Beziehungen zu Russland, sondern auch zu Irans Präsidenten Ahmadine­dschad, dessen Atomprogramm genauso heftig in der Kritik steht wie sein Auftreten gegenüber Israel.

Indien ist nicht Japan

./resolveuid/3d6a6e31a1db52d94bef55a00aff8e14/image_previewOptimistisch zeigte sich Indiens Regierung, dass die japanischen Arbeiter den Gau in Fukushima in den Griff bekommen. Man müsse abwarten, es gäbe noch für jedes Problem eine technische Lösung. Nach dem 11. September seien schließlich auch Kraftwerke gebaut worden, die sicher vor Flugzeug­abstürzen seien. Optimistisch ist man auch be­züg- lich der 20 eigenen Reak- toren, keiner von ihnen läge in erdbebengefährdeten Regionen. „Indien ist nicht Japan“, hieß es. Dem stimmt die indische Anti-Atom-Bewegung nicht ­zu: „Die Regierung wäre unvorbereitet und äußerst überfordert, würde es einen nuklearen Unfall geben. Sie kann nicht mal weniger schwerwiegende Probleme lösen.“ Überprüfungen und eventuelle Anhebungen der Sicherheitsstandards kündigte sie dann aber doch an.

Polen: Halbwertzeit der Erinnerung

./resolveuid/a2370158ee679ea9424d73e001b0cc2c„Wenn in Polen Atomkraftwerke gebaut werden, sind sie sicher.“ Donald Tusk sprach am 13. März angesichts der japanischen Atomkatastrophe im polnischen Parlament aus, was als landesweiter Konsens gilt. Vor 25 Jahren sah das noch ganz anders aus. Da sollte im nordpolnischen Zarnowiec das erste AKW Polens entstehen. Die polnische Kleinstadt liegt 800 Kilometer westlich von Tschernobyl. Als am 26. April 1986 der ukrainische Unglücksreaktor explodierte, belastete die atomare Wolke den Nordosten Polens großräumig. Die anschließenden Proteste führen zum Stopp der Bauarbeiten. Jetzt wird vermutlich genau hier, auf den Ruinen der Fundamente, die atomare Hoffnung Polens gepflanzt: Zarnowiec hat gute Chancen, den Zuschlag für den erneuten Bauantrag und aus dem Angebot der EU-Finanzierungsmöglichkeiten für Atomkraftanlagen die dafür notwendige Unterstützung zu bekommen. Viele versprechen sich davon Aufwind für die wirtschaftlich brachliegende Region.

Brasilien: Atommacht-Ambitionen seit der Militärdiktatur

./resolveuid/c1a7481dd07cec1a7ff3e5ae612f566cZu Japans Atomkatastrophe kein Wort – Dilma Rousseff, Brasiliens Regierungschefin, macht seit ihrem Amtsantritt vor einem halben Jahr in vielem da weiter, wo ihr Vorgänger Lula da Silva aufgehört hat. Dazu gehört auch die Energiepolitik. 50 Atomkraftwerke in den nächsten 50 Jahren, lautete sinngemäß die Botschaft Lulas im Jahr 2008: „Wir verfügen über die Bedingungen, uns in eine große Energiemacht zu verwandeln, und wir werden nicht darauf verzichten.“ Neben anderen überdimensionierten Infrastruktur-Projekten, deren Planungsursprung zum Teil bis in die Zeit der Militärdiktatur Pérons zurückreicht, erlebt auch die Nuklearenergie ihre brasilianische Renaissance. Bei der Inbetriebnahme der ersten zwei AKW in den siebziger Jahren wurde die Junta-Regierung größtenteils von der Bundesrepu­blik Deutschland unterstützt.

Afrikanische Staaten: Atomare Ödnis

./resolveuid/34b468f82493eb40e3f7772c9d7d578cBedenken hinsichtlich ihrer atompolitischen Planungen haben die Regierungen von Südafrika, Uganda, Kenia und dem Senegal angesichts des Super-GAU in Japan nicht geäußert. Südlich der Sahara leben zwei Drittel der Menschen ohne Strom, ergo, auch ohne Atomkraft – bis auf einige wenige in Südafrika, wo in Koeberg das einzige AKW des Kontinents steht. Ob nun ein Paradies der besonderen oder eine Katastrophe der anderen Art – immer mehr afrikanische Regierungen interessieren sich stärker für nukleare Stromerzeugung als für den scheinbar nahe liegenden günstigen „Wüstenstrom“ via Solartechnik, den die westliche Entwicklungs­hilfe und Klima-Aktivisten gern herbeireden. Der ist allerdings teurer, als marode aussortierte Technik europäischer Atomkraftanlagen zu importieren.

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