Zainab Katimba steht noch am Anfang ihrer politischen Karriere. Die 24-Jährige aus der Millionenstadt Daressalam ist Abgeordnete im tansanischen Parlament. Und sie weiß: Sie wäre nicht in diesem Amt, wenn es die Frauenquote nicht gäbe.
Tansania, im Osten Afrikas am Indischen Ozean gelegen, gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Und es hat eine Quote, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Diese gilt aber nicht für Unternehmen, nur für die Politik. 30 Prozent der Abgeordneten im Parlament müssen weiblich sein. Die meisten Politikerinnen werden dabei nicht vom Volk gewählt, sondern vom Präsidenten des Landes ernannt. Gerade mal sechs Prozent der weiblichen Abgeordneten schaffen es per Direktwahl, die restlichen 24 Prozent besetzen die special seats. 104 Sitze, die den Frauen vorbehalten sind, um die Quote zu erfüllen.
Die junge Politikerin Katimba studiert noch Jura und macht zurzeit ihr Diplom an der Universität von Daressalam. Schon seit ihrem zehnten Lebensjahr ist sie Mitglied der führenden Partei, der CCM (Chama Cha Mapinduzi, „Partei der Revolution“). „Früher hat die Gesellschaft uns Frauen einfach in einem anderen Licht gesehen“, sagt sie. Ihre Stimme ist laut und kraftvoll. Während sie spricht, untermalen ihre Hände ihre Worte, als hielte sie gerade eine politische Rede. „Vor allem die Männer haben nicht daran geglaubt, von Frauen geführt zu werden. Die Zeiten haben sich geändert.“
Präsident Kikwete sei Dank
Katimba wünscht sich, dass zukünftig noch mehr Frauen direkt ins Parlament gewählt werden. „Die Gesellschaft soll Vertrauen in unsere Fähigkeiten gewinnen, deshalb geben wir Frauen unser Bestes.“ Ob sie auch Schwächen in dem System sieht? Sie zögert. „Zuerst einmal muss ich unserem Präsidenten gratulieren, der die 30-Prozent-Quote im Parlament durchgesetzt hat. Auch Jakaya Kikwete ist Mitglied der CCM.“ Die Frau, die gerade über die Quote gesprochen hat, ist einer Politikerin gewichen, die von ihrer Partei überzeugen will.
Nach einigen Nachfragen sagt sie aber: „Ich kann schon verstehen, dass Frauen Angst haben, nur noch wegen der Quote in ein Amt zu kommen. Aber selbst wenn es so wäre, könnten sie dann beweisen, dass sie ihrer Aufgabe gewachsen sind.“
Für Helen Kijo-Bisimba gibt es gar keine andere Möglichkeit, als die Führungspositionen in Tansania mit Frauen zu besetzen. „Die tansanischen Männer sind einfach zu faul. Sobald sie verheiratet sind, legen sie die Füße hoch“, sagt sie und lacht laut. Kijo-Bisimba ist Leiterin des Legal and Human Rights Centre. Die Organisation setzt sich für die Einhaltung und Verbesserung der Gesetze in Tansania ein. Ihr Erfolg brachte der Anwältin bei ihren Landsleuten den Spitznamen „Mama Bisimba“ ein.
„Es gibt einige Organisationen hier, die von Frauen geleitet werden. Und diese Organisationen laufen gut“, sagt sie. Das Telefon auf ihrem dunklen Holzschreibtisch klingelt, sie ignoriert es. Stattdessen bittet sie die Besucherin, auf einer Sitzecke in ihrem Büro Platz zu nehmen, und lässt sich selbst in einen schweren Ledersessel fallen. „Wir Frauen sind hier in Tansania die Macher. Wir sind es gewohnt, zu arbeiten, und das schon in jungen Jahren.“

Foto: Claudia Wiggenbröker
An Arbeit fehlt es auch Mama Bisimba in ihrer Position nicht. „Es brauchen einfach zu viele Leute unsere Hilfe. Das ist manchmal ermüdend.“ Vor acht Jahren war es zu viel für sie, ihr Körper streikte: Sie hatte einen Burn-out und legte eine Auszeit ein. Drei Jahre lang wurde sie von einem Mann vertreten. Seitdem ist sie davon überzeugt, dass sie es als Mann in ihrem Job auch nicht leichter hätte: „Ich konnte nicht feststellen, dass mein Vertreter etwas anders gemacht hat als ich. Er konnte nicht mehr tun, als ich hätte tun können.“
Mittlerweile hat die 60-Jährige auch keine Probleme mehr, von Männern als Chefin akzeptiert zu werden. „Ich bin schon älter. Sobald du in Tansania zu den Älteren gehörst, bekommst du viel Respekt. Als ich noch jung war, sah das anders aus.“
Ähnliche Erfahrungen hat auch Jane Mosha Shirima gemacht. Sie ist Pressesprecherin der zweitgrößten Sendeanstalt in Tansania, der Tanzania Broadcasting Cooperation (TBC). „Als ich noch als Journalistin arbeitete, gab es viele Männer, die keine Anweisungen von mir annehmen wollten.“ Ihre Karriere begann Shirima in einer Redaktion, in der nur wenige Frauen arbeiteten. Mit der Zeit wurden immer mehr Positionen mit Frauen besetzt. Für die männlichen Kollegen sei das nur schwer zu akzeptieren gewesen, erinnert sie sich. „Aber es ist eine Frage des Auftretens. Ich war gut, und so begannen wir, dieselbe Sprache zu sprechen.“
Shirima ist eine entschiedene Befürworterin der Frauenquote. Sie ist überzeugt, dass die parlamentarische Regelung auch einen Wandel in der Privatwirtschaft ausgelöst hat. „Die Quote im Parlament war ein Anstoß. Wenn ein Unternehmen heute von Männern dominiert wird, werden die Leute ein Auge darauf werfen.“
Mutter heißt Ernährerin
Bisher gibt es nur wenige Statistiken, die diesen Wandel näher beleuchten. Eine der wenigen ist der Global Gender Gap des Weltwirtschaftsforums. Er untersucht 136 Länder auf die Chancengleichheit der Geschlechter. Für die wirtschaftliche Teilhabe der Frauen landet Tansania in diesem Ranking nur auf dem 70. Platz. Klaus Liepert von der Hanns-Seidel-Stiftung sagt: „Meines Wissens ist der Frauenanteil in der tansanischen Wirtschaft marginal. Zumindest was Unternehmen betrifft, die wir uns in Deutschland als wirtschaftliche Betriebe mit Führungspositionen vorstellen.“ Liepert ist Leiter der Afrikaabteilung der CSU-nahen Organisation. Die Hanns-Seidel-Stiftung setzt sich mit verschiedenen Programmen dafür ein, dass mehr Frauen in Tansanias Politik mitmischen. „Führungspositionen in Klein- oder Familienbetrieben sind dagegen stark mit Frauen besetzt“, sagt Liepert.
Schließlich gelten Frauen in Tansania als Ernährerinnen: Traditionell sorgt nicht das männliche Oberhaupt für die Familie, sondern seine Frau. Die heimischen Betriebe werden von den Müttern geführt, nebenbei schmeißen sie noch den Haushalt und erziehen die Kinder. „82 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. In diesen kleinen Betrieben generieren die Frauen das Einkommen und tragen die Wirtschaft. Sie sind also die Personen, die arbeiten.“ Dennoch muss auch Liepert einräumen, dass es nicht viele Statistiken gibt, die den Frauenanteil in Tansanias Wirtschaft untersuchen. „Es ist schwer verifizierbar, wie viele Frauen auf den Chefsesseln sitzen.“
Durch die Quote in Tansanias Parlament ist aber eins klar: Es gibt in jedem Fall mehr Frauen in der Politik. Auch Liepert sieht daher in dem Modell einen Erfolg. Allerdings mit einer Einschränkung: „Da die meisten Politikerinnen nicht von Tansanias Bürgern gewählt werden, haben sie nicht den entsprechenden Rückhalt im Volk.“
Die Frauen der special seats seien von ihrer Partei abhängig. Denn der Präsident ernennt nur Politikerinnen zu Abgeordneten, die von ihrer Partei vorgeschlagen wurden. Die Vergabeverfahren hierfür sind umstritten: Sie sind nicht transparent, auch wenn sich die Frauen für eine nachvollziehbare Vergabe einsetzen. Die Quote wurde bereits 1961 in der Verfassung Tansanias festgelegt, allerdings nicht der genaue Anteil. Bis Ende der 90er Jahre lag die Quote um zirka 20 Prozent, seitdem haben die tansanischen Frauen sie auf 30 Prozent hochgehandelt. Zukünftig wollen sie die Hälfte der Sitze für sich beanspruchen.
Und für Jane Shirima sind die Frauen längst auch in der Wirtschaft auf dem Vormarsch: „Viele Organisationen wollen Frauen verantwortungsvolle Positionen geben, weil sie einen guten Job machen. Oft sogar einen besseren als die Männer.“ Sie ist aber überzeugt, dass sie für ihren Job als Pressesprecherin härter arbeiten musste als ein Mann. „Ich habe es geschafft“, sagt sie stolz. „Ich habe all meine Aufgaben gemanagt – als Frau, als Ehepartnerin, als Mutter.“ Sie hat drei Kinder, alles Jungs. Bereut sie es manchmal, zu wenig Zeit für ihre Familie zu haben? „Ich bin dankbar dafür, dass ich einen verständnisvollen Mann habe. Und Kinder, die verstanden haben, dass ihre Mutter oft beschäftigt ist.“
Mama Bisimba ist seit 20 Jahren Witwe. Sie musste ihre vier Kinder allein großziehen. „Vor allem mein jüngster Sohn hat darunter gelitten, dass ich oft auf Geschäftsreisen war. Aber was sollte ich tun?“ Heute sind ihre Kinder erwachsen und selbst Eltern. Die 60-Jährige strahlt, wenn sie von ihren Enkeln erzählt. Und sie sagt: „Mein Job hat den größten Teil meiner Zeit beansprucht. Aber wenn ich Zeit mit meinen Kindern hatte, habe ich sie genutzt.“
Hintergrund
Die Recherche wurde von der EU im Rahmen des Projekts Beyond Your World unterstützt
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