Die Arbeit in einem Untersuchungsausschuss gehört zu vornehmsten Aufgaben der parlamentarischen Demokratie. In ihm geht es, mehr noch als im Bundestag, darum, Regierungshandeln zu kontrollieren und zu überprüfen, ob eine Regierung fehlbar gehandelt hat. Und es sollte nur um eins gehen: Aufklärung und Wahrheit. Jenseits von parteitaktischer Verschleierung. Das ist das Ideal. Der BND-Untersuchungsausschuss hat nach drei Jahren nun seinen Abschlussbericht vorgelegt, der am Donnerstag im Bundestag debattiert wurde. Was steht am Ende? Ein 1.500-Seiten starker Abschlussbericht und ein sehr unterschiedliches Fazit durch die Beteiligten.
"Ein Untersuchungsausschuss ist kein Gericht," betonte Siegfried Kauder (CDU), der den BND-Untersuchungsausschuss geleitet hat. Das mögen manche Mitglieder bedauern. Doch für Ermittlungen durch ein Gericht bräuchte es einen Straftatbestand. Als solcher gilt weder die Unterstützung eines Krieges noch die unterlassene Hilfe wie im Fall Kurnaz. Dass der Abschluss des BND-Untersuchungsausschusses, der vor allem über Vernehmungen von Parteiprominenz immer wieder für Schlagzeilen sorgte, mitten im Wahlkampf Anlass für parteipolitische Schuldzuweisungen ist, verwundert nicht. Jeder will jetzt der Redlichste gewesen sein.
Naturgemäß arbeiten nicht alle im Untersuchungsausschuss vertretenen Parteien mit der gleichen Intensität an der Aufklärung mit. Was für ein Interesse sollten SPD und Grüne daran haben, zu klären, ob Rot-Grün sich vielleicht doch am Irak-Krieg beteiligt hat? Um so größer ist das Interesse der Union, nun zu zeigen, dass Schröder die Unwahrheit gesagt hat, als er behauptete, es habe weder direkt noch indirekt eine Unterstützung für den Irak-Krieg gegeben. Wir wissen heute, dass Rot-Grün mehr als logistische Unterstützung in Form von Überflugrechten gab. So zum Beispiel, dass zwei BND-Agenten in Bagdad Informationen an die CIA weitergegeben haben, die für den Krieg von immerhin so großer Bedeutung waren, dass sie dafür vom amerikanischen Militär mit einer Medaille für besondere Verdienste ausgezeichnet worden sind. Das Nein zum Irak-Krieg hatte 2002 nicht unerheblich zum Wahlerfolg von Rot-Grün beigetragen. Hans-Christian Ströbele (Die Grünen) sagt es deutlich: "Der BND hat ganz konkret die Kriegführung in Irak unterstützt." Er bewertet dies aber als Fehltritt des BND, nicht der Regierung: "Hier sind Teile des BND außer Kontrolle geraten." Das wäre allerdings schlimm und müsste erhebliche Konsequenzen für die involvierten Geheimdienstmitarbeiter haben, wenn der BND oder seine Agenten ein Eigenleben führten und sogar gänzlich entgegen dem Auftrag durch die Regierung handeln würden, sich an keiner Form am Irak-Krieg zu beteiligen. Wahrscheinlicher ist, dass sie bemüht waren, im Sinne der Regierung zu handeln.
Wie hätte sich die Union verhalten?
Wenn allerdings die Union nun alles daran setzt Rot-Grün der Wahlkampf-Lüge zu bezichtigen, muss man sich fragen, wie die Union sich selbst 2003 im Falle eines Wahlsieges zum Irak-Krieg verhalten hätte. Ausschussmitglied Thomas Oppermann (SPD) erinnert daran, dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel im Februar 2003 kurz vor Kriegsbeginn in einem Namensartikel in der Washington Post versicherte: "Gerhard Schröder spricht nicht für alle Deutschen." Sie hat damals eine militärische Option nicht ausgeschlossen. Oppermann in Richtung Union: "Sie waren kriegsbereit."
Die Arbeit des grünen Abgeordneten Hans-Christian Ströbele mag eine Ausnahme darstellen zur üblichen Parteiräson. Er hat Aufklärungswillen gezeigt. Und: die grüne Partei konnte sich ja auch mitunter in die Rolle des kleinen Koalitionspartners in Rot-Grün flüchten. Doch auch er schont in seiner Bewertung den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer, der frühzeitig von der unrechtmäßigen Verschleppung Murat Kurnaz' gewusst haben muss. Auch involviert war der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD).
Der Fall Kurnaz
Noch unangenehmer ist der Fall Kurnaz allerdings für Frank-Walter Steinmeier: Zum Zeitpunkt von dessen Verschleppung und Festsetzung in Guantánamo war er Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Er hatte als Zeuge vor dem Ausschuss steif und fest behauptet, erst 2005 von Kurnaz erfahren zu haben. Das ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern regelrecht unglaubwürdig. Ausschussmitglied Norman Paech (Linke) sagt, Steinmeier habe spätestens seit Januar 2002 von der illegalen Verschleppungspraxis der Amerikaner gewusst und aus falsch verstandener Loyalität zum Bündnispartner geschwiegen. Rot-Grün hatte kein Interesse, Kurnaz aus Guantánamo nach Deutschland zu holen, hat dies sogar aktiv mit einer Einreisesperre zu verhindern gewusst und gab sich später unwissend.
Wenn Michael Hartmann (SPD) in der Bundestagsdebatte über den Abschlussbericht des Untersuchungsaussschusses nun Kurnaz als "nicht gerade engelsgleich" darstellt und daran erinnert, dass dieser kurz nach dem 11. September 2001 "mit Springerstiefeln" ins afghanische Hochland gereist ist, um seine "religiöse Bildung zu vertiefen", leistet er Steinmeier damit einen Bärendienst. Er bringt sich und die damals Verantwortlichen in den Ruch, die ungerechte und menschenverachtende Behandlung von Kurnaz in Guantánamo noch zu rechtfertigen. Ex-Bundesinnenminister Otto Schily hatte vor dem Ausschuss ähnlich gesprochen und verteidigt, weshalb die Sicherheitsbehörden Kurnaz als gefährlich einstuften. Schily hatte bei seiner Aussage 2007 die politische Verantwortung für den Fall Kurnaz übernommen und damit versucht, seinen Parteifreund Steinmeier zu entlasten. Wie Schily und Fischer gab sich auch Steinmeier vor dem Ausschuss selbstgerecht und ließ durchblicken, wie unnötig er die Veranstaltung fand.
Gefährliche Vorwürfe
Für den heutigen Kanzlerkandidaten Steinmeier ist dessen zwielichtige Rolle von damals nicht ungefährlich. Er hätte einen deutschen Staatsbürger aus der Folterhaft in Guantánamo befreien können und müssen. 2005 war es nach dem Regierungswechsel Merkel, die die Freilassung erwirkte. Steinmeier kommt heute zupass, dass die Öffentlichkeit sich nicht mehr sonderlich für diesen Fall interessiert.
Dass am 11. September in der Geschichte der Grundrechte ein schwarzes Kapitel begonnen hat, das bis heute noch nicht zu Ende ist – daran erinnert am ehesten Max Stadler (FDP). Er hat es am wenigsten nötig, seine Partei zu schützen, weil sie an den damaligen Vorgängen unbeteiligt war, und beklagt in seinem Fazit zunächst, dass nach dem 11. September 2001 in Deutschland die rechtsstaatlichen Grundprinzipien massiv verletzt worden seien: "Die Rechte Einzelner mussten hinter die Staatsräson zurücktreten." Es dürfe aber keine Sicherheitspolitik zu Lasten der Grundrechte geben, appelliert er. Der vom damaligen Innenminister Schily vertretene Grundsatz "in dubio pro securitate" habe zu einer Informationsbeschaffung um jeden Preis geführt. Im Fall Kurnaz habe die Logik des Präventionsstaats zu einer "Verbannung auf Verdacht" geführt. Stadler erinnert an die rechtswidrige Bespitzelung von Journalisten durch den BND, die sogar, nachdem sie im Bundestag getadelt worden war, noch fortgesetzt wurde.
Der BND-Untersuchungsausschuss befasste sich in den vergangenen drei Jahren mit der Verschleppung des Deutschen Khaled al Masri durch den US-Geheimdienst CIA, mit dem Fall Murat Kurnaz, einem türkischen Staatsangehörigen aus Bremen, der viereinhalb Jahre im US-Gefangenenlager Guantánamo saß sowie mit dem in Syrien inhaftierten und gefolterten Deutschen Mohammed Haydar Zammar. Außerdem beschäftigte sich der Ausschuss mit der Rolle von zwei BND-Agenten im Irak-Krieg, mit CIA-Gefangenenflügen über Deutschland und mit der Überwachung von Journalisten durch deutsche Nachrichtendienste
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