Privatisieren, deregulieren, den Wettbewerb fördern - auch von großen Konzernen wie E.ON oder RWE bekommt man solche Parolen zu hören, solange es nicht um ihren eigenen Markt geht. Man erinnert sich dann gern an ein Motto von Lenin in leicht verwandelter Form: Elektrifizierung + Monopolmacht = Kapitalismus. Seit Anfang Februar rückt diese Qualität des Kapitalismus mit der lange umstrittenen Fusion von E.ON und Ruhrgas ein Stück näher.
Wie in einem Hitchcock-Krimi stieg jeden Tag die Spannung: Wie würde die Hauptverhandlung ausgehen? Schon vor der Urteilsverkündung war durchgesickert, das Gericht werde negativ urteilen. Die Kläger, drei kleine Energieunternehmen und zwei Stadtwerke, würden Recht bekommen. Dabei drängte gleichzeitig an einer anderen Front die Zeit: Die E.ON-Anteile an Degussa sollten just bis zum 31. Januar gegen die Ruhrgas-Anteile von Exxon getauscht werden. Flugs macht E.ON die Brieftasche auf und einigt sich mit den Klägern außergerichtlich. Nötig war all das geworden, weil zuvor eine sogenannte Ministererlaubnis für die Fusion erteilt wurde, die negative Bescheide des Kartellamts und der Monopolkommission außer Kraft setzte.
Diese Ministererlaubnis wollten die kleinen Konkurrenten gerichtlich anfechten. Ihr Argument war der fehlende Wettbewerb. Nun allerdings ließen sie sich im Zuge der außergerichtlichen Einigung mit sogenannten »Zuwendungen für das Marketing« und Sonderkonditionen für Gas- und Stromlieferungen abspeisen. Ihre Klage war anscheinend nur der Versuch, den Preis der Übernahme hochzutreiben und auch ein bisschen zu partizipieren. Der ganze Spaß hat E.ON gerade mal neun Promille mehr gekostet, nämlich 90 Millionen Euro.
Rechtsfreie Räume für Energieversorger Der Deutsche Bundestag hat am 14. Februar 2003 in dritter Lesung eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes mit der Mehrheit von SPD und Grünen beschlossen. Die von privaten Industrieverbänden entwickelten Vereinbarungen ("Verbändevereinbarung") erlangen damit öffentlich-rechtliche Bindungswirkung. Belange privater Verbraucher sind in der Vereinbarung nicht gleichberechtigt berücksichtigt worden. Ebenso schränkt das Gesetz die Befugnisse der Kartellbehörden ein, weil die Verbändevereinbarungen nun als "gute fachliche Praxis" gelten und die Kartellbehörden vor dem Einschreiten dies erst widerlegen müssen. Steigende Durchleitungsentgelte und damit steigende Strompreise sind zu erwarten. |
Auch die Zahl der regionalen Verteiler ist mittlerweile auf die Hälfte gesunken. In der Folge steigen die Preise. Sie liegen heute klar über dem europäischen Durchschnitt. Fälschlicherweise macht der Geschäftsführer des Verbands der Elektrizitätswirtschaft Eberhard Meller dafür staatliche Abgaben verantwortlich, vor allem die Ökosteuer, die aber nur 17 Prozent des Gesamtpreises ausmacht. Der wahre Grund ist ein anderer: Die Hälfte der Strompreiserhöhung geht auf ein Ende des Wettbewerbsdrucks zurück. Man kann das auch anders ausdrücken. Nach einer kurzen Periode tatsächlicher Konkurrenz schlägt die Krake Energiewirtschaft zurück, meint etwa Hermann Scheer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Deutschlands prominentester Verfechter der Solarenergie.
Schaden erleidet dabei die Demokratie. Man kann es nicht treffender ausdrücken als Manfred Panitz, der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Energieabnehmer: »Die Meinung von Experten und die Haltung von Gerichten zählen nicht viel. Mit den nötigen Beziehungen und einer dicken Geldbörse kann man sich von allem freikaufen.«
Wer geglaubt hatte, dass der Wirtschaftsminister noch mal Einfluss nehmen würde, sah sich getäuscht. Wolfgang Clement setzte Mitte Januar noch eins drauf, und forderte, dass in Zukunft die Ministererlaubnis besser abgesichert werden müsse. Niemand stellt dagegen die Frage, wie eine administrative Verordnung absolutistischen Stils in einer parlamentarischen Demokratie möglich ist. Die Regierung macht ihren Kniefall vor der großen Industrie im Zeichen veralteten nationalistischen Denkens - zum Schaden der Verbraucher. Dennoch ist die Sache für E.ON und seine Konkurrenten noch nicht ganz ausgestanden. Denn Ulf Böge, der Präsident des Bundeskartellamts, meldete sich noch einmal zu Wort: Die außergerichtliche Einigung müsse überprüft werden. Würden damit wiederum nicht andere Konkurrenten, die nicht geklagt hatten, benachteiligt? In der Frage liegt die Antwort.
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