Es geht um die Zukunft der Demokratie

#DefunDES Eine Initiative von linken und konservativen Stipendiat*innen setzt sich gegen die Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ein. Hier schreibt sie wieso
Die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung: Erika Steinbach
Die Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung: Erika Steinbach

Foto: Imago/photothek

Ein Gastbeitrag von DefunDES

Zugegeben, Stipendiat:in zu sein, ist nichts, worüber man sich beklagen sollte aber auch nicht das Erste, was man auf einer Party erzählt. Der Grund: Klischees von Anzugträger:innen, die auf Staatskosten Studi-Partys feiern oder sich schon mal Einfluss in Parteien und Think Tanks erarbeiten. Wenn wir uns jetzt zu Wort melden und unabhängig von unseren Förderwerken sprechen, liegt das jedoch nicht daran, dass wir mit diesen Klischees brechen wollen. Uns geht es, ohne falsche Bescheidenheit, um die Zukunft der Demokratie.

Als Stipendiat:innen werden wir unter anderem für gesellschaftliches Engagement gefördert. Von sozialen Einrichtungen bis zu Gewerkschaften, Kirchen oder NGOs in all diesen Bereichen setzen sich auch Stipendiat:innen für die Gesellschaft ein. Wir sagen das nicht, um unsere Stipendien zu rechtfertigen. Aber weil wir diese Unterstützung des Staates, und damit letztlich der Gesellschaft bekommen, sehen wir uns auch in der Verantwortung, uns für die Gesellschaft und unsere Demokratie einzusetzen.

Selten waren bisher Initiativen, in denen sich einzelne Stipendiat:innen über die Grenzen ihrer einzelnen Stiftungen und Förderwerke für ein gemeinsames politisches Ziel zusammenschlossen. Es braucht aber ein breites, stiftungsübergreifendes Bündnis gegen das, was uns direkt und viele von uns existenziell bedroht: Mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag könnte deren parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) bis zu 70 Millionen Euro Steuergelder bekommen und damit Stipendien finanzieren und rechte Ideologien verbreiten.

Die Auswirkungen einer Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung

In den vergangenen Wochen schlug die drohende Finanzierung der DES medial bereits hohe Wellen. Mehrfach wurde auf die Gefahr hingewiesen: Haushaltsgelder könnten an eine Stiftung gehen, deren Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder immer wieder durch rassistische, antisemitische, geschichtsrevisionistische und hetzerische Äußerungen auffallen. In pseudowissenschaftlichen Publikationen, Veranstaltungen oder Pressemitteilungen befeuern sie rechtes und völkisches Gedankengut. Außerdem ist bekannt, dass die Stiftung eine Schlüsselrolle bei der Vernetzung von Rechtsextremen und bürgerlichen Rechten spielt. Einige ihrer Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder stehen rechtsradikalen und rechtsextremen Verlagen, Zeitungen oder Plattformen nahe oder sind für diese als Autor:innen und Aktivist:innen tätig. Positionen, die unserer Demokratie und Werten zuwider sind, würden mit der DES unter dem Deckmantel der Studienförderung und Bildungsarbeit salonfähig.

Wir Stipendiat:innen der anderen Förderwerke sind von der möglichen Ausschüttung der Gelder an die DES direkt betroffen. Werksübergreifende Formate ermöglichen uns bisher, respektvoll über Politik und Positionen zu streiten. Bei der Bandbreite politischer Meinungen zwischen links, liberal und konservativ herrscht oft keine Einigkeit, doch genau deswegen schätzen wir den menschlichen und konstruktiven Umgang miteinander. Es ist anzunehmen, dass die Positionen der künftigen DES-Stipendiat:innen denen ihrer Stiftung ähneln und somit eine antidemokratische, äußerst rechte Kaderschmiede entsteht. Sie brächten rechte, rechtsradikale und rechtsextreme Positionen in stiftungsübergreifende Austauschformate ein und würden beispielsweise muslimische, jüdische oder nichtweiße Personen gefährden. Darüber hinaus würde faschistisches, völkisches, antidemokratisches Gedankengut in den vorpolitischen Raum verstärkt eindringen: ob in Seminarräumen, Veranstaltungen oder bei Konferenzen würden sich die Grenzen des Gesagten und Gedachten deutlich nach rechts verschieben.

Positionen, die Menschen und Gruppen ihre Existenz und Würde absprechen, machen jede Form von Dialog unmöglich. Wir schulden es den von Diskriminierung betroffenen Stipendiat:innen und der viel größeren Zahl anderer Studierender, uns dafür einzusetzen, solche Räume des Dialogs und des demokratischen Streits zu erhalten sowie sie keiner Diskriminierung auszusetzen. Unsere eigenen Stipendien bedeuten für uns eine Verpflichtung zum Einsatz für die Gesellschaft. Auch deshalb sehen wir uns in der Verantwortung, für die plurale Demokratie und gegen die DES einzutreten.

Demokratische Werte und der Auftrag der Stiftungen

Das Meinungsspektrum unserer Initiative reicht von links bis konservativ. Deshalb wissen wir, was es bedeutet, andere Meinungen zu respektieren und tolerieren. Wir wissen darum, dass alle parteinahen Stiftungen abseits der DES einen wichtigen, demokratiefördernden Beitrag leisten. Weil wir Stipendiat:innen uns in diversen Kontexten für die Gesellschaft einsetzen, wissen wir aber auch: Es gibt Positionen, die nicht mit den Grundpfeilern unserer Demokratie und der Verfassung vereinbar sind. Wenn wir also die Entscheidungsträger:innen der Koalitionsverhandlungen dazu aufrufen, keine Steuergelder an die AfD zu vergeben, dann ist das weder Ungleichbehandlung noch undemokratisch. Vielmehr fordern wir, dass die Demokratie keine undemokratische Arbeit finanziert.

Die staatliche Förderung der Stiftungen etablierte sich als eine der Lehren aus den Fehlern der Weimarer Republik: Demokratie erhält sich nicht von selbst, sondern muss geschützt und gefördert werden. Politische Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Stabilisierung der Demokratie, indem sie zum Beispiel politische Bildungsarbeit für alle Bürger:innen anbieten, die Partizipation am demokratischen System fördern, internationale Zusammenarbeit über Auslandsbüros führen oder engagierte Studierende durch Stipendien fördern. Diese Arten der Förderung unserer Demokratie sollte auch weiterhin in bisheriger Höhe gefördert werden. Wie aber mit der möglichen Förderung der DES umgehen? Parteiengesetze fordern zu Recht eine strenge Gleichbehandlung aller Parteien. Aber Parteien und Stiftungen, rechtlich bis auf eine alle als Vereine eingetragen, sind voneinander unabhängig. Deshalb muss die Finanzierung der Stiftungen losgelöst von den ihnen nahestehenden Parteien daran gemessen werden, inwiefern sie die Gelder für ihren vorgesehenen Zweck einsetzt: demokratische Bildung. Passt das mit einer in Teilen wissenschaftsfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Stiftung zusammen?

Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung verhindern

Die rechtliche Grundlage für einen Anspruch auf Geldervergabe stellt das Parteiengesetz (§5, Abs. 1) dar, das einen Anspruch auf Förderung aller im Bundestag vertretenen Parteien regelt, um gleiche Bedingungen im politischen Wettbewerb zu gewährleisten. Weiterhin basiert die Verteilung der Fördermittel an die parteinahen Stiftungen auf Vereinbarungen der Stiftungen, die in der „Gemeinsamen Erklärung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen“ am 6. November 1998 festgehalten wurden. Eine parteinahe Stiftung ist hier förderungswürdig, sobald die ihr nahestehende Partei mindestens zweimal in Folge in den Bundestag gewählt wurde und davon einmal Fraktionsstärke vorweist. In der Praxis wird die Höhe der Gelder in sogenannten „Stiftungsgesprächen“ festgelegt, die Stiftungsvertreter:innen mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestags sowie Beamt:innen des Bundesinnenministeriums führen. Eine weitere rechtliche Regelung besteht nicht, sodass die DES derzeit kaum rechtssicher von einer Förderung ausgeschlossen werden könnte. Gegen einen Vorenthalt von Geldern könnte sie vermutlich rechtlich vorgehen.

Wir fordern daher die Erarbeitung eines Stiftungsgesetzes durch den Bundestag. Dieses müsste dem Haushaltsausschuss an die Seite gestellt werden, um die Ablehnung von Förderung zu begründen. In einem solchen muss die staatliche Förderung parteinaher Stiftungen an den aktiven Einsatz für die demokratischen Prinzipien Gleichheit, Freiheit und Pluralität gebunden werden. Eine Stiftung muss durch ihr institutionelles Handeln wie auch durch das Auftreten ihrer Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder in Wort und Schrift ein aktives Engagement für diese Werte zeigen. In anderen Worten: Gelder zur Demokratieförderung sollen nicht an demokratiefeindliche Stiftungen gehen. Hierbei geht es nicht um eine „Gesinnungsprüfung“. Stattdessen würden Haushaltsausschuss und die Legislative in die Lage versetzt werden, Demokratiefeind:innen zu identifizieren.

Eine solche rechtliche Grundlage, so betonen es immer wieder einzelne Politiker:innen und Wissenschaftler:innen, ist machbar. Was aktuell aber fehlt, ist ein politischer Wille. Oder es herrscht die Sorge, dass die AfD sich in ihrer Opferrolle bestätigt sieht. Nur wird sie erstens sowieso diese Rolle spielen. Zweitens, ist das kein Grund, Millionen von Steuergeldern eben in die Ideologie der AfD zu stecken. Drittens wäre ein solches Stiftungsgesetz geeignet, Vertrauen in die parteinahen Stiftungen zu erhöhen, da ihr Handeln nachvollziehbarer wird.

Wir sorgen uns nicht nur um die Möglichkeit stiftungsübergreifender Zusammenarbeit. Schließlich sind wir nur eines von vielen Beispielen dafür, dass pluraler Zusammenhalt auf einer gemeinsamen Wertebasis möglich ist. Aber vielmehr sorgen wir uns um die Demokratie und um die Sicherheit von Konstipendiat:innen und Kommiliton:innen. Deshalb rufen wir die Politiker:innen in den aktuellen Koalitionsverhandlungen auf, die staatliche Förderung der Desiderius-Erasmus-Stiftung zu verhindern. Das ist die gesellschaftlichen Verantwortung, die wir alle teilen.

DefunDES ist eine Initiative von Stipendiat*innen der 13 Begabtenförderungswerke, die sich gegen die Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) einsetzt

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