1938: Im Vorhof der Hölle

Zeitgeschichte Mit der „Polenaktion“ weist das Deutsche Reich 17.000 Juden aus und deportiert sie auf äußerst brutale Weise. Auch der junge Marcel Reich muss Berlin verlassen
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 43/2020

Am 28. Oktober 1938 wird der 18-jährige Marcel Reich frühmorgens von einem Schutzmann geweckt, der dem völlig überraschten jungen Mann eine Ausweisungsorder in die Hand drückt. Er solle sich anziehen und mitkommen. Reich muss alles in seinem Zimmer in der Wilmersdorfer Güntzelstraße 53 zurücklassen. Behalten darf er nur fünf Mark und eine Aktentasche. Was er dort hineinpacken soll, weiß er nicht. Reich hat am Berliner Fichte-Gymnasium das Abitur abgelegt, wird aber als Jude nicht zum Studium zugelassen. Da er gerade Balzacs Roman Die Frau von dreißig Jahren liest, entscheidet er sich, dieses Buch mitzunehmen. Reich konnte sich seinerzeit nicht erklären, warum er Deutschland verlassen musste, und schrieb darüber: „Jemand