1941: „Meer von Häuptern“

Zeitgeschichte Dem Massaker der deutschen Besatzer an über 30.000 Juden in Babij Jar bei Kiew räumte der sowjetische Erinnerungskanon lange nicht den angemessenen Platz ein
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 40/2021
Erst nach 1990 wurde den ermordeten Juden gedacht, mit einer Menora
Erst nach 1990 wurde den ermordeten Juden gedacht, mit einer Menora

Foto: Sergij Kharchenke/Getty Images

Am 19. September 1941 beobachtet Anatoli, ein zwölfjähriger Junge, den Einmarsch deutscher Truppen in Kiew. „Sie rückten wie eine Wolke an, überschwemmten die Bürgersteige, erfüllten den ganzen Krestschatik mit Geknatter und Benzindämpfen“, schrieb er ein Vierteljahrhundert später als Schriftsteller unter dem Namen Anatoli Wassiljewitsch Kusnezow über die Invasion. Die Szene ist in seinem autobiografischen Roman Babij Jar festgehalten, der das Dasein unter deutscher Besatzung beschreibt. Die 1970 in München erschienene erste westdeutsche Fassung des Buches überrascht durch ihr Schriftbild: Normaldruck für die von sowjetischer Zensur beschnittene Fassung von 1966, Kursivdruck für die damals entfernten, nun wieder e