„Nehmt eure Waffen und rebelliert“

Honduras Im Machtkampf zwischen Präsident und Putschisten droht jetzt ein Bürgerkrieg

Die Leute in den weißen Hemden zwingen uns, dass wir Angestellten sie in ihrer schamlosen Sache unterstützen und an die Arbeit zurückkehren”, empört sich ein älterer Mann wütend über Unternehmerschaft und Oberschicht. Aus El Paraíso an der Grenze zu Nicaragua meldet er sich per Telefon bei Radio Globo – dem einzigen Sender in Tegucigalpa, der noch eine regierungskritische Berichterstattung riskiert –, will aber aus Angst vor Verfolgung seinen Namen nicht nennen. Das Gros der Privatmedien in der Acht-Millionen-Einwohner-Republik steht im Schulterschluss hinter De-facto-Präsident Micheletti und lässt sich wenig davon beeindrucken, dass die Wut der einfachen Honduraner über die „Wiederkehr der Gorillas“ mit jedem Tag wächst, den dieser Rückfall in die Ära der Obristen dauert.

„Heute erkennt das Volk wie nie zuvor, was sich hinter der Maske dieser alten Politiker verbirgt. Die nächsten Wahlen werden wir nicht anerkennen – Zelaya muss zurück“, ruft eine junge Frau bei Radio Globo erbittert durch ihr auf Sendung geschaltetes Telefon.

Die weiterhin angekündigte Rückkehr des legitimen Präsidenten sorgt für einen Nervenkrieg. Die Junta versucht, einen „Marsch auf Tegucigalpa“ um jeden Preis zu verhindern. Seit der aus dem Amt vertriebene Manuel Zelaya, der von seinen Anhängern längst zu einer Art „Volksheld der Demokratie“ verklärt wird, sein Hauptquartier in Nicaragua unweit der Grenze aufgeschlagen hat, erinnert die tropische Bergregion von El Paraiso an ein Feldlager der honduranischen Armee. Einschüchterung soll jeden Widerstand lähmen. Panzer und Spezialeinheiten verbreiten Angst und Schrecken. Sperren sind errichtet, Straßen blockiert. Anreisende Zelaya-Sympathisanten werden aus ihren Bussen heraus verhaftet, interniert oder tagelang ohne Versorgung eingekesselt. Wieder – wie schon bei Zelayas erster versuchter Wiederkehr – starb am vergangenen Wochenende ein junger Honduraner. Nahe der Grenze wurde der 23-jährige Pedro Magdiel tot aufgefunden.

Kein Zweifel, Manuel Zelaya setzt auf einen Volksaufstand und hofft, ihn durch seine Präsenz in einem grenznahen Zeltcamp anzufachen, das er als seinen „Brückenkopf“ bezeichnet. Ein solches Vorgehen verschafft ihm weder das Wohlwollen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) noch der USA, die darin keinen Weg der Versöhnung, sondern fehlende Besonnenheit sehen. Auch Mexiko und Brasilien, die tonangebenden Regionalmächte des Subkontinents, reagieren reserviert und schenken sich jeden Beifall.

Dass der von Oscar Arias, dem Präsidenten Costa Ricas, ausgehandelte „Vertrag von San José“, bisher von Roberto Micheletti brüsk abgelehnt wird, auch wenn die honduranische Armee verhaltene Zustimmung signalisiert, bestätigt für das Zelaya-Lager die Theorie von einer Tolerierung des Putsches am 28. Juni durch die Vereinigten Staaten. „Wer glaubt, der Staatsstreich ist das Ergebnis eines simplen Machtkampfes nationaler oligarchischer Gruppen, hat einen vereinfachten Blick“, meint César Lazo, Vorsitzender des honduranischen Schriftstellerverbandes UAEH. Wenn die US-Außenministerin Hillary Clinton weiter nur von einem „Zustand außerhalb der Verfassung“ rede, sei das auch ein Indiz dafür, dass es ein klares Interesse der USA an der Demission Zelayas gäbe. Dahinter stecke ein geplante Konspiration gegen die von Venezuela geführte Allianz Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América (ALBA), der Honduras unter Zelaya beigetreten sei.

Auf indirekte Weise bestätigt Pentagon-Sprecher Philipp Crowley den Argwohn des Zelaya-Lagers gegenüber der US-Regierung mit seiner Bemerkung: „Wenn wir in der Region ein Regierungsmodell und einen Modell-Führer aussuchen könnten, damit die restlichen Länder diesem folgen, dann ist es bestimmt nicht Venezuela. Und wenn das die Lehre ist, die Präsident Zelaya aus dieser Episode zieht, dann hat er sicher eine gute Lektion erhalten.“

Was auch immer davon zu halten ist, der Ton in Honduras verschärft sich. „Nehmt eure Waffen und rebelliert! Wir sind alle Brüder! Schießt nicht auf das eigene Volk!“ – schreit eine weitere Anruferin in der Sendung von Radio Globo. „Das ist eine Nachricht an General Vasquez (der Armeechef ). Wenn es mehr Tote gibt – wir wissen, woher du und deine Familie kommen, wir haben uns organisiert und werden dich finden“, droht ein anderer. Honduras geht stürmischen Zeiten entgegen.

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