Ab zur ersten Mini

Sportplatz Was machen Sie, wenn Ihr Sprössling nicht mehr zum Kinder-Yoga oder zum Querflötenunterricht möchte, sondern unbedingt Fußball spielen will? Wir haben uns für Sie, probehalber, schon einmal darum gekümmert.

Zunächst ein Anruf beim Berliner Fußballverband: »Ich suche einen Fußballverein für meinen Sohn.« – »Darf´s denn och jemischt sein?« – »Was meinen Sie denn mit gemischt?« – »Na, mit Ausländer drin.« Da geht der Ärger also schon los. »Wo komm´ ´se denn her?«, ist die nächste Frage. »Aus Kreuzberg.« »Uff, dit wird schwierig. Lassen ´se mal in meine Liste gucken. Also, Turkiyemspor ja wohl eher nicht, probiern Sie´s mal bei Südring.« Rufen wir also als nächstes beim BFC Südring an, einem deutschen Verein mit vielen türkischen Spielern im Jugendbereich. »Wie alt ist denn Ihr Sohn?« – »Noch nicht ganz 10.« – »Hm, ist schon ein bisschen alt.« Wieso alt? So eine Frechheit! Aber was ein richtiger Fußballer ist, der lernt das Schießen halt vor dem Lesen und Schreiben. Beim BFC Südring startet die Fußballausbildung deshalb bereits mit vier Jahren. Dort spielen die Knirpse dann bei den »1. Minis«, den »2. Minis«, oder »3. Minis«. Allein diese Rangordnung lässt bereits erahnen, wie das Leistungs- und Auswahlprinzip höherer Jahrgänge auf die Kleinkinder übertragen wird. Für die 10- Jährigen gibt es dann oft, wie in unserem Fall, nur einen Platz auf der Warteliste für das nächste Jahr. Auch für Mädchen ist nicht immer ein Platz frei, denn nur etwa ein Drittel der Berliner Fußballvereine hat auch Mädchenmannschaften, und die sind auch noch auf die Stadtteile sehr unregelmäßig verteilt. Außerdem mangelt es an qualifizierten Trainerinnen. Bis zum 8. Lebensjahr können Mädchen in den Jungsteams mitspielen, »danach kommt dann oft der traurige Abschied von den neu gewonnenen Freunden«, sagt die Dame vom Berliner Fußballverband. Übrigens gab es auch einmal eine türkische Mädchenmannschaft, die des BSC Agrispor, die es bis in die Regionalliga schaffte, sich dann aber zerstritt und auseinander fiel.

Fußball ist eine seltsam abgeschiedene Welt. Hier gibt es noch keine Schwulen, hier stört keine political correctness und dem Trainer wird gefälligst nicht widersprochen. Dennoch hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Der Deutsche Fußball-Bund hat die Trainerausbildung grundlegend modernisiert und verlangt nun auch pädagogische und psychologische Schulungen. So verschwindet allmählich der Typ des unsensiblen brutalo- Trainers, wie ihn einst der 1860 München-Trainer Werner Lorant am trefflichsten symbolisierte: » Was soll ich mit den Spielern reden, ich bin doch kein Pfarrer.« Dafür rücken immer mehr junge moderne Trainer nach, wie der Schalke-Coach Ralf Ragnick (»Eine Mannschaft ist ein sensibles Gebilde«) oder der Neu-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann, der erstmals erfolgreich Sportpsychologen in den Trainingsbetrieb integrierte. Auch auf Amateurebene, wo viele Trainer ehrenamtlich arbeiten, wird sich dieser Wandel langsam vollziehen. Noch bleibt aber das Problem, dass viele Fußballtrainer, fast immer sind es ehemalige Spieler, mit den gleichen Lehrmethoden fortfahren, mit denen sie selbst einst gedrillt worden sind. Ein ebenso häufiges Ärgernis sind die oft überehrgeizigen Eltern, die ihre Kinder unnötig unter Druck setzen.

Eine kleine Umfrage unter Vereinsspielern ergibt, dass die Trainererfahrungen extrem unterschiedlich sind. Einige Spieler berichteten von im Brüllton kommunizierenden Diktatoren, viele aber auch von guten Trainern, die vor allem Spaß und Spielfreude vermitteln. Auch die soziale und ethnische Herkunft der Spieler ist von Verein zu Verein äußerst verschieden. In Berlin beispielsweise spielen im Osten praktisch keine Ausländer in den Kinder- und Jugendmannschaften. Im Westteil der Stadt ist es dagegen oft umgekehrt.

Um den richtigen Platz zu finden, muss man sich also selbst auf den Weg machen, die verschiedenen Vereine in ihrer Umgebung besuchen und mit den verantwortlichen Trainern sprechen. Dabei gilt keineswegs: Je größer der Verein, desto besser die Ausbildung, sondern oft genau das Gegenteil. Je höherklassig ein Verein spielt, desto leistungsorientierter ist in der Regel seine Nachwuchsarbeit. Wer nur zum Spaß spielen will und nicht mehr als ein bis zwei Mal in der Woche, der sollte, zusammen mit seinem Kind, in den kleinen Vereinen sein Glück versuchen. Bis der Steppke dann doch lieber zum Basketball will.


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