Affären und Megadeals

Sportplatz Kolumne

Die Spielsucht, deren wesentlicher Teil das Wetten ist, wird gesellschaftlich mit der Drogensucht gleichgesetzt. Wie bei den Drogen gibt es legale und illegale Räume sowie solche, wo das juristisch noch nicht ganz geklärt ist. Abhängige sind keine mündigen Konsumenten. Im Gegenteil: sie sind ein dankbarer Markt, um Extraprofite zu realisieren. Darum sind solche Märkte nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch hart umkämpft.

Der Staat versucht sich an juristischer Regulation und ökonomischer Abschöpfung. Doch stößt er dabei an Grenzen (Globalisierung), will es sich nicht mit allen seinen privaten Konkurrenten (z. B. in England oder Österreich) verderben und leidet unter stellenweise unvollkommenem Personal. In den Lotto- und Totogesellschaften werden gewöhnlich verdiente Politiker der dritten und vierten Reihe mit Jobs bis zur Pensionsgrenze versorgt.

Wie in der Drogenbranche praktizieren die privaten und zum Teil im illegalen Raum operierenden Unternehmer vielfältige Strategien. Sie reichen vom Kaufen bis zum Erpressen. In Extremfällen ist auch Mord dabei. Sicherer ist aber eine Kooperationsstrategie gegenüber staatlichen Behörden: Politiker und Beamte sind in der Regel so bescheiden bezahlt, dass sie günstig zu kaufen sind. Ein solches System nennt man dann Mafia.

In Deutschland neigen wir dazu, diese Phänomene im Ausland zu orten. Natürlich in Sizilien, in New York und Las Vegas. Hier kennen wir uns dank Literatur und Kino bestens aus. Etwas beunruhigt sind wir über den Osten, den deutschen, den europäischen und den asiatischen. Diese Bereiche sind uns ein Rätsel geblieben, darum halten wir alle Ungeheuerlichkeiten aus dieser Richtung für möglich. Nur vor unserer Tür war immer alles sauber, dachten wir. Nun ist das mafiöse Grauen auch bei uns angekommen, im deutschen Fußball.

Dabei war es schon lange angekommen in Gestalt derer, die jetzt als Saubermänner vor die Kameras treten. DFB-Präsident Mayer-Vorfelder manipulierte die milliardenschwere TV-Rechtevergabe des Weltfußballverbandes (FIFA) für die Turniere 2002 und 2006 zugunsten des inzwischen zerlegten deutschen Kirch-Konzerns. Ein früherer Eigner des Adidas-Konzerns kaufte die Rechte aus der Konkursmasse und verkaufte sie in Deutschland an ARD und ZDF weiter, mit heftigem Rückenwind von den gleichen Ministerpräsidenten, die die deutschen TV-Gebühren festlegen. Praktischerweise lässt er seinen Angestellten Günter Netzer das verkaufte Produkt auch gleich selbst in der ARD kommentieren. Später scheuten der DFB und die Bundesregierung weder Kosten noch Mühen um die WM 2006 nach Deutschland zu holen. Südafrika wurde mit einer Stimme Vorsprung geschlagen. Daran konnte auch Nelson Mandela nichts ändern. Führender leitender Angestellter der deutschen Mafia ist hier ebenfalls ein TV-Kommentator: der Werbeverträge-Kaiser Franz Beckenbauer.

Was ist die jetzige "Hoyzer-Affäre" gegen solche Megadeals? Jeder von RWE oder VW ausgehaltene Politiker muss angesichts solcher Geschäfte vor Neid erblassen und tut es auch.

Schiedsrichter Hoyzer, der sich jetzt mit der Märtyrerrolle vertraut macht, hat sich einen guten Anwalt genommen: Stephan Holthoff-Pförtner ist ein großer Immobilien-Hai im Ruhrgebiet, CDU-Mitglied, Anwalt von Helmut Kohl und Adoptivsohn der WAZ-Konzerninhaberfamilie Funke. Er vertritt dort 50 Prozent im größten NRW-Zeitungskonzern mit weitläufigen Aktivitäten in Osteuropa. Ein Geschäftsführer des Konzerns ist ("Balkan-") Bodo Hombach (SPD).

Schädlich ist die Affäre vor allem "für das Ansehen Deutschlands im Ausland", so kurz vor der WM 2006. Slogan: "Zu Gast bei Freunden". Jetzt fragt sich die Öffentlichkeit, was das wohl für "Freunde" sind.

Einen Vorteil hat sie für den Bundesinnenminister. Bei so viel Unordnung fällt es ihm und dem DFB leichter, den Großversuch für die neuesten Überwachungstechnologien während der WM zu rechtfertigen. Die Spielregeln zum WM-Ticketverkauf lesen sich wie ein mafiöses Konstrukt. Dass sie die sich nach Sicherheit sehnenden Menschen nicht vor dem "Bösen" schützen werden, sondern überwachen sollen, merken die Opfer erst später.


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