Allgemeine Zufriedenheit

Kein Patent auf Leben Unmissverständliche Richtlinie nötig

Irgendwie sind alle ein bisschen zufrieden. Das Forschungsministerium und die Grünen, Greenpeace und der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller, das Justizministerium und die Münchner Initiative "Kein Patent auf Leben". Diese allgemeine Zufriedenheit macht misstrauisch. Das Europäische Patentamt (EPA) musste das so genannte Embryo-Patent zu großen Teilen widerrufen. In seiner ursprünglichen Form erlaubte es der Universität Edinburgh, Zellen aus menschlichen und tierischen Embryonen sowie die gentechnische Manipulation dieser Zellen kommerziell zu nutzen. Selbst ein Anspruch auf die Züchtung von gentechnisch manipulierten Menschen ließ sich daraus ableiten. Greenpeace brachte das Patent im Frühjahr 2000 an die Öffentlichkeit. Es hagelte Einsprüche. Das EPA zeigte sich reumütig. Der Bezug auf menschliche embryonale Stammzellen sei einfach "übersehen" worden. Die EPA-Einspruchskammer verkündete nun, dass alle Ansprüche auf menschliche embryonale Stammzellen sowie auf menschliche Embryonen aus dem Patent gestrichen wurden. Übrig geblieben sind nur Ansprüche auf menschliche Zellen, die nicht von Embryonen stammen.
Alle haben jetzt einen Grund zum Feiern. Die Forscher und ihr Ministerium freuen sich, weil das Patent schlecht war für´s Image, denn bei embryonalen Stammzellen lagen schon vor zweieinhalb Jahren die öffentlichen Nerven bloß. Wissenschaftler und Politiker versuchten mit Engelszungen, dem Bürger die ethischen Bedenken aus- und den therapeutischen Nutzen der Embryonenforschung einzureden. Ein kommerzielles Patent auf embryonale Stammzellen, das weckte Zweifel an der uneigennützigen "Ethik des Heilens" der Embryonenforscher.
Auch das Justizministerium ist zufrieden. Es vertrat Deutschland vor dem EPA und stützte sich - wie die Niederlande und Italien - auf den Art. 53a (Moral und gute Sitten) der EU-Patentrichtlinie. Galt es doch, das öffentliche Vertrauen in das zweifelhafte Regelwerk zu stärken. Je nach Auslegungsart und juristischer Spitzfindigkeit können Patente auf menschliche Embryonen mit dem Art. 53a verhindert werden - oder auch nicht. Die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht ist umstritten, unter anderem weil sie die Patentierung von Genen und Teilen des menschlichen Körpers sowie von Pflanzensorten und Tierarten erlaubt. Die EPA-Entscheidung liefert Fürsprechern ein gutes Argument - bei dem Embryo-Patent habe die Richtlinie gezeigt, dass man mit ihr die "guten Sitten" wahren könne.
Obwohl sie die Richtlinie kritisch beurteilt, freut sich Greenpeace darüber, dass das EPA erstmals auch aus ethischen Gründen ein Biopatent drastisch eingeschränkt. Trotzdem: Mal entscheidet ein Patentprüfer für, mal gegen die kommerzielle Nutzung von Embryonen, je nach Laune. So lehnte das EPA im August 2001 einen Einspruch gegen ein Patent auf Mischwesen aus Mensch und Tier ab. Auch embryonale Stammzellen können in diese Chimären eingebaut und kommerziell verwertet werden. Es geht - um den embryonenzentrierten Blickwinkel zu erweitern - grundsätzlich um Patente auf Leben. Was ist mit den fast eintausend Patentanträgen auf menschliche Gene, was mit den bereits erteilten unzähligen Patenten auf Pflanzen, Tiere und menschliche Bestandteile?
Wir sollen glauben, dass das EPA in Zukunft "ethischer" entscheidet und aufmerksamer ist. Wissen tun wir es nicht. Greenpeace kann nicht jedes sittenwidrige Patent an die Öffentlichkeit zerren und den unabhängigen Kontrolleur des EPA spielen. Die EU-Patentrichtlinie muss unmissverständliche Rechtsvorschriften enthalten, an die sich auch das EPA zu halten hat. Erst dann gibt es einen Grund, zufrieden zu sein.

Sabine Riewenherm ist Biologin und Redakteurin beim Gen-Ethischen Informationsdienst (GID).


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