Arche der Unerschrockenen

Gastkommentar Überfahrt von Europa nach Palästina

Zwei Boote des Free Gaza Movement sind vor wenigen Tagen von Zypern nach Gaza gesegelt, ohne von der israelischen Marine aufgehalten oder aufgebracht zu werden. Die Besatzungen, zu denen ich zusammen mit anderen Israelis gehörte, haben ihre Mission erfüllt, den absolut illegalen Belagerungsring zu durchbrechen, der 1,5 Millionen Palästinenser in eine äußerst schwierige Situation gebracht hat: Gefangen in ihren eigenen Häusern, extremer militärischer Gewalt ausgesetzt, ihrer fundamentalen menschlichen Rechte beraubt. Die Reise sollte deutlich machen, dass unserer Regierung der Versuch verwehrt werden muss, sich selbst von aller Verantwortlichkeit für Gaza loszusagen. Es galt der Behauptung zu widersprechen, man betreibe dort keine Besatzung mehr. Die habe mit dem Abzug der Siedler vor drei Jahren ein Ende gefunden. Das ist offenkundig falsch. Nach dem Völkerrecht wird Besatzung mit der effektiven Kontrolle über ein Gebiet definiert. Genau die findet bis heute statt. Sie hat nichts mit "Sicherheit" zu tun, sondern ist wie die Präsenz in der Westbank und in Ostjerusalem, wo die israelische Armee Städte, Dörfer und ganze Regionen belagert, grundsätzlich politisch. Man beabsichtigt, die demokratisch legitimierte Regierung Palästinas zu isolieren und ihren Willen zu brechen, mit dem sie sich dem Ansinnen Israels widersetzt, einen Apartheidstatus über ganz Palästina zu verhängen.

Genau deshalb fühlte ich mich als israelischer Jude gezwungen, an dieser Seereise teilzunehmen. Ich tat dies als jemand, der mit den Palästinensern einen gerechten Frieden sucht und der versteht, dass sie nicht unsere Feinde sind, sondern ein Volk, das genauso wie wir Israelis nationale Selbstbestimmung sucht. Ich kann nicht weiter passiv Zeuge sein, wie meine Regierung ein anderes Volk zerstört, und gleichzeitig hinnehmen, wie die Besatzung das moralische Gefüge meines eigenen Volkes beschädigt. Wenn ich es täte, würde ich mein Engagement für die Menschenrechte verraten und das Wesentliche der prophetischen jüdischen Religion, Kultur und Moral missachten, ohne die Israel kein jüdischer Staat mehr wäre, sondern nur noch ein mächtiges Sparta.

Natürlich hat Israel legitime Sicherheitsbedürfnisse, und palästinensische Angriffe gegen die zivile Bevölkerung in Sderot und anderen israelischen Gemeinden, die an den Gazastreifen grenzen, können nicht geduldet werden. Nach der Vierten Genfer Konvention hat Israel als Besatzungsmacht das Recht, den Waffenhandel in Richtung Gazastreifen zu kontrollieren. Als Aktivist, der sich verpflichtet fühlt, der Belagerung gewaltfrei zu begegnen, hätte ich akzeptieren müssen, dass die israelische Marine unsere Segelschiffe nach Waffen durchsucht. Aber nur das. Weil Israel über kein Recht verfügt, eine zivile Bevölkerung zu belagern, wäre es auch nicht berechtigt gewesen, uns als Privatpersonen daran zu hindern, in internationalen und palästinensischen Gewässern zu segeln und Gaza zu erreichen. Zumal Israel sooft erklärt hat, es würde den Gazastreifen nicht mehr besetzt halten.

Ganz gewöhnliche Leute sind in der Geschichte nicht selten über sich selbst hinausgewachsen, besonders in Momenten wie diesen, da Regierungen sich vor ihrer Verantwortung drücken. Meine Ankunft in Gaza war eine Geste der Solidarität mit den Palästinensern in der Zeit ihres Leidens, aber zugleich auch eine Botschaft an meine eigenen jüdischen Landsleute.

Jeff Halper ist Vorsitzender des israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD). 2006 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen

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