Viele Monate rang eine vom SPD-Vorstand berufene Arbeitsgruppe um Andrea Nahles, Parteilinke und einstige Juso-Vorsitzende, um ein schlüssiges Konzept zur Bürgerversicherung. Am Wochenende ging diese damit an die Öffentlichkeit und erntete prompt Widerspruch. Dabei ist aus den nun vorgelegten 77 Seiten kaum etwas zu erfahren, was wir nicht schon irgendwo gehört hätten. Die SPD will Beamte und Selbstständige zur Finanzierung des Gesundheitssystems heranziehen und Kapitalerträge aus Zinsen und Dividenden mit Sozialabgaben belegen. Einkünfte aus Mieten oder Pacht sollen abgabefrei bleiben. Was den Koalitionspartner, die Bündnisgrünen, sofort zum Einspruch provozierte.
In etlichen Details legen die Verfasser des Konzepts mehrere Varianten vor. So bleibt offen, ob bei den heranzuziehenden Kapitaleinkünften ein festgeschriebener Beitrag oder eine neu zu installierende Steuer für die Abgabe sorgen soll. Letzteres versetzt Finanzminister Eichel in Unruhe.
Andrea Nahles spricht von einer Diskussionsgrundlage, und der Kanzler zieht breite Zeitschneisen für die Debatte. Nicht vor der Bundestagswahl 2006 werde es zu Entscheidungen in Sachen Bürgerversicherung kommen. Für die SPD ein nicht zu unterschätzendes Wahlkampfthema. So ist davon auszugehen, dass der (an sich positiv belegte) Begriff der Bürgerversicherung verdiskutiert und damit verschlissen werden wird - bis ihn keiner mehr hören kann. Begonnen wurde damit bereits, und bezeichnenderweise geht das Für-und-Wider-und-Obwohl-Wortgefecht quer durch die politische Landschaft.
Nicht nur, dass sowohl dem Bürger als auch dem so genannten Experten weitgehend verschlossen bleibt, was Bürgerversicherung tatsächlich sei. Das gleiche ist der Fall bei der Gesundheitsprämie, dem beschönigenden Wort für die Kopfpauschale. Auf selbige setzt die CDU. Sie hat postwendend ihre Pauschalverurteilung der Bürgerversicherung erneuert und postuliert, eine Entlastung des Faktors Arbeit sei mit ihr nicht in Sicht. Arbeitgeber wie Krankenkassen, allen voran die private, melden Bedenken an, jeder greift sich ein anderes Reizwort aus der Debatte heraus.
Was bleibt unter dem Strich außer offenen Fragen? Wird es zu mehr Gerechtigkeit im System kommen? Geht es überhaupt darum? Oder einfach nur um Mehreinnahmen für das Gesundheitswesen? Dabei haben Experten bereits errechnet, dass am Ende nicht mehr als ein Prozent ins Gesundheitssäckel fließt.
Zufällig fiel an diesem Montag noch eine weitere Entscheidung in Sachen Gesundheit. Franz Müntefering dachte laut darüber nach, ob es angesichts der Streits um die Umsetzung der zusätzlichen Zahnersatz-Versicherung ab 2005 nicht am besten sei, das Ganze fallen zu lassen. Außer Spesen nichts gewesen? Das könnte Schule machen.
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