Beruhigung

Netzwerke Über die Sprachsteuerung der Wirtschaftseliten

In Zeiten der Krise wie der aktuellen globalen Unübersichtlichkeit wünschen sich sowohl die so genannten einfachen Leute wie auch die so genannten Experten aus Wirtschaft und Politik möglichst überschaubare Lösungen. Diverse Widersprüche, die uns allen der weltweit rasante Turbo-Kapitalismus beschert, können allerdings weder von Staatswegen, noch von der Unternehmerseite mal eben so gelöst werden.

Im süßen Brei des technologischen Fortschritts macht die eigendynamische Beschleunigung ein sinnvolles Innehalten für uns Bürger fast unmöglich. Trotz der Tatsache, dass man mit Infos aus aller Herren Länder überschüttet wird: Wer begreift eigentlich überhaupt noch die Zusammenhänge von Handel und Wandel, obwohl Aufklärung gerade im Sinne von Verantwortlichkeit dringend Not täte?

Von dieser Diagnose ausgehend, versuchen die Attac-nahen Autoren des Buchs mit dem Untertitel Wie neoliberale Eliten Politik und Öffentlichkeit beeinflussen Licht ins Dunkel einer schleichenden, aber gezielten "umfassenden Entpolitisierung" zu bringen. Quer durch die Parteienlandschaft, ob bei Industrieverbänden oder in den Gewerkschaften - nehmen gutorganisierte neoliberale Interessengruppen inzwischen zunehmend Einfluss auf folgenschwere Entscheidungen, zum Beispiel im Gesundheits- und Umweltsektor, bemühen sich hochdotierte PR-Agenturen darum, den verschärften ökonomischen Konflikt, die Schere zwischen Arm und Reich dergestalt soft zu entschärfen, dass eine "passive Akzeptanz der Beherrschten" erreicht wird, und mögliche soziale Unruhen schon durch eine werbewirksam verharmlosende Sprachregelung in allen Medien im Keim erstickt werden.

So untersuchen die Autoren mediale "Beeinflussungsmethoden" der neoliberalen Netzwerke, die eine Calmierung, also Ruhigstellung, das heißt eine Beschwichtigung potentiell empörter Menschen mit durchtriebener Eleganz betreiben. Elitäre Denkfabriken wie die nett klingende "Initiative für eine Neue Soziale Marktwirtschaft" hätten, so die Autoren, zum Ziel, soziale und ökologische Standards schleichend aufzulösen, zum Beispiel den Begriff von "Gerechtigkeit" nur noch als altmodisch erscheinen zu lassen. Schon die Wortwahl "Entsorgungspark" für eigentlich hochgiftige Strahlenabfälle hatte das Ziel, unbequemes, widerspenstiges Denken an den Rand zu drängen, "kritische Positionen auszuschließen und die öffentliche Debatte zu dominieren", indem sie effektiv mit sanften Vokabeln auf breiter Ebene Desinformation organisieren.

Am Beispiel des überstrapazierten "Reform" - Begriffs zeigt das Buch deutlich, wie die Reduzierung der Staatsausgaben für alles Soziale geschickt als "alternativlos" dargestellt, "der Sozialstaat als Wachstumsbremse" verkauft, und so bei der Bevölkerungsmehrheit gezielt Schuldgefühle geweckt werden, wenn sie aus eigener Kraft nicht mehr weiter können, und soziale Hilfe benötigen. Zielgerichtet jedoch sammelten die neoliberalen Meinungsmacher etliche Millionen Euro in Wirtschaftskreisen, um auf die Mehrheit "als manipulierbare Masse" in allen Medien langfristig Einfluss nehmen zu können. Besonders hierin sehen die Autoren eine schleichende Gefahr für die Demokratie, der dringend durch die öffentliche Transparenz solcher Netzwerke begegnet werden müsse.

Gesteuerte Demokratie? Hrsg.: Ulrich Müller, Sven Giegold, Malte Arhelger. VSA, Hamburg 2004, 168 S., 12,80 EUR


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