Manfred Bofinger habe ich früher sehr oft gezeichnet. Meistens sind es nur kleine Skizzen, manchmal war der zeichnerische Aufwand etwas größer. Wir sind alte Freunde und hatten viele Jahre lang ein gemeinsames Wochenendhaus, wo unsere Familien im Sommer viel Zeit miteinander verbracht haben. Wir haben uns dort sogar ein Atelier geteilt.
Nun stehe ich manchmal an seinem Krankenbett, maßlos traurig, etwas ratlos. Ich rede zu ihm, singe für ihn und versuche in ihm Erinnerungen zu wecken, die ich ihm ins Ohr flüstere. Man versucht ja alles.
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Vorgestern habe ich ihn gezeichnet als er schlief. Er hatte wieder einen kurzgeschorenen Bart, und er sah wieder so ähnlich aus wie früher. Ich hatte beim Zeichnen große Mühe mit den geschlossenen Augen, denen man ja schwer einen Ausdruck abringen kann. Auch sein Mund war nicht so einfach zu zeichnen, und mir fiel ein, dass ich da schon früher oft mit mir unzufrieden war.
Nach und nach stellte sich eine ruhige und kräftige Vertrautheit ein, die der eigentlichen Lage einfach spottete. Er wurde durch das Zeichnen für mich wieder zu der Persönlichkeit, die ich immer in ihm bewundert habe. Eine Selbstverständlichkeit machte sich breit, die mich fast beschämte. Ich kam mir egoistisch vor, aber es war der bisher schönste Besuch an Bofis Krankenbett.
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