Bewährung ohne Bewährung

Kommentar Fast-Freispruch für Landowsky im Berliner Banken-Prozess

Die Arroganz verlorener Macht zeigt sich auch in kleinen Dingen. Als der ehemalige Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus-Rüdiger Landowsky wegen Untreue zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden ist, reagiert er kopflos und fassungslos: Er flüchtet, offenbar vom Urteil überrascht und die Presse scheltend, durch die Hintertür. Keine Einsicht in sein unrechtmäßiges Tun, keine Übernahme von politischer Verantwortung, keine Entschuldigung bei den Berliner Bürgern für den Gesamtschaden, der durch ihn und den Bankenskandal entstanden ist.

Noch immer wähnte sich Landowsky augenscheinlich so mächtig, dass er eine förmliche Verurteilung für unmöglich hielt. Doch ist er auch mit dem Fast-Freispruch hart bestraft. Die Berliner halten diesen Mann mehrheitlich für den Paten von Filz, Korruption und Plünderung der Bevölkerung. Deshalb ist die CDU immer noch eine zu Recht stigmatisierte Partei und Landowskys Reputation so nachhaltig geschädigt, dass selbst die Leute im arrivierten Tennisklub einen großen Bogen machen und ihm im Lebensmittelgeschäft zugerufen wird, dass er doch bitte hier nicht einkaufen solle.

Während die CDU ihren großen Landowsky hatte, konnte die SPD nur kleinere und mittlere Landowskys vorweisen, aber die gleichgewichtige Komplizenschaft des Skandals zwischen SPD und CDU, die FDP von früher nicht zu vergessen, bleibt unabweisbar. Wie auch immer - das Gericht ist mit seinem milden Urteil dem Antrag der couragierten Staatsanwältin auf drei Jahre Gefängnis ohne Bewährung nicht gefolgt und hat damit bestätigt, dass politische und fachliche Verantwortungslosigkeit in marktwirtschaftlichen Entscheidungen fast grenzenlos sein darf. Insofern ist das Votum der Richter auch ein Beleg dafür, dass angesichts der vorhandenen rechtlichen Instrumentarien eine strenge Bestrafung kaum möglich ist. So verschieden die Fälle Ackermann, Hartz und Landowsky auch liegen mögen - gemeinsam ist ihnen: Betrieblichen sowie politischen Schaden anrichten und die finanziellen Folgen auf die Allgemeinheit abwälzen, das kann sich heute jeder erlauben, der das nötige Kleingeld hat, um sich anwaltlich bestens vertreten, vor einer Haftstrafe bewahren und vor Gericht ganz oder fast freisprechen zu lassen. Der Volksmund liegt leider richtig: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.

Was bleibt, ist die Gewissheit, der eigentliche Berliner Skandal - die Machttrunkenheit der politisch Verantwortlichen, der Banker, der Bauwirtschaft und Immobilienbranche - bleibt ungesühnt. Auch wird nicht aufgearbeitet, wie und weshalb fast alle Kontrollen ausfielen. Die institutionellen Defekte und das persönlichen Versagen - sie sind nur die Kehrseite einer mafiösen Machtstruktur, die dazu führte, dass es überhaupt zu einem Bankenskandal dieser Größenordnung kommen konnte. Selbst der um Seriosität bemühte Abschlussbericht aus dem Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses scheint dem Prinzip der heißen Kartoffel verpflichtet: abkühlen und fallen lassen. Bis heute hat keiner der Beschuldigten zu diesem Bericht Stellung nehmen müssen. Folgenlose symbolische Aufarbeitung muss das genannt werden.

Für die Berliner und Berlinerinnen ist es wichtig zu wissen, dass auch nach diesem Urteil der Bankenskandal nicht ausgestanden ist. Wenn das Kreditinstitut demnächst vorteilhaft verkauft werden sollte, hat die Stadt nochmals mindestens fünf bis sechs Milliarden Euro als Folgeschäden direkt oder indirekt zu tragen. Finanzsenator Sarrazin täuscht die Öffentlichkeit, wenn er suggeriert, dass eine günstige Veräußerung der Sparkasse den Bankenskandal gleich mit erledigen werde: Mitnichten wird das der Fall sein. Daher ist größte öffentliche Wachsamkeit geboten, wenn Investoren als Heuschrecken einfallen, um bei der Sparkasse das Konto für jedermann, die Mittelstandsorientierung und die Gewinnabführung für das Land außer Kraft zu setzen. Folglich wird die Initiative Berliner Bankenskandal ein Volksbegehren starten, um das Schlimmste mit harten Bedingungen im Sparkassen-Gesetz zu verhindern.

Aber auch für Landowsky ist die juristische Aufarbeitung noch lange nicht ausgestanden. Die Anklagezulassung und der Prozess um die milliardenschweren Sorglos-Immobilienfonds könnten am Ende doch dazu führen, dass er ohne Bewährung richtig einsitzen muss.

Peter Grottian ist Politikwissenschaftler und Sprecher der "Initiative Berliner Bankenskandal".


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