Ich komm aus Karl-Marx-Stadt. Bin ein Verlierer, Baby. Original Ostler“, sangen Kraftklub bereits 2012. Rätselhafte Aussage, denn in meiner Wahrnehmung hatte die Stadt nicht zwangsläufig etwas mit Verlierer-Dasein zu tun, hatte sie doch eine der angesagtesten deutschsprachigen Bands hervorgebracht und mit dem von ihr besungenen Atomino einen Ort, an dem sich alle Musiker, die ich cool fand, die Klinke in die Hand zu geben schienen. Anders als in der populären 90er-Jahre-Comedysendung Wochenshow, in der die Stadt jede Folge als Meme für den zurückgebliebenen Osten beschworen wurde, war Chemnitz für mich, zumindest was musikalische Trends anging, Berlin stets knapp auf den Fersen.
Auch meine Gruppe hatte hier 2014 ihre erste Ostdeutschland-Show, fünf zahlende Gäste, 15 Gästeliste, darunter Mitglieder von Kraftklub und Umfeld, die in der Mitte des leeren Saales standen, aufmunternd nickten und uns später als Vorgruppe für ihre Club-Tour anfragten. Was ich daraufhin kennenlernte, war ein eingeschworener Chemnitzer Freundeskreis plus ein sich über mehrere Generationen erstreckendes Netzwerk aus Musikern, Malern, Journalisten, Veranstaltern, Fotografen, DJs, Caterern, Bookern, Designern, Merchandisehändlern. Schon zu DDR-Zeiten gab es hier eine rege Kunstszene, von 1999 bis 2006 campierte mit dem Splash! das wichtigste deutsche Hip-Hop-Festival unweit der Stadt, seit einigen Jahren an gleicher Stelle das Kosmonaut. Gespräche mit diesen Chemnitzern handelten von „Bars eröffnen, Häuser renovieren, Festivals, Konzerte, Ausstellungen organisieren“, etwas bewegen, dieser Ausschnitt von Chemnitz schien vor Schaffenskraft zu bersten.
Seit 2014 hat sich die Welt verändert, hat sich Deutschland verändert, Sachsen und auch Chemnitz. Nun redeten wir öfter mal über Pegida, den Rechtsruck, Familienmitglieder, die zu DDR-Zeiten noch Punkkonzerte veranstalteten und sich heute bei der AfD engagierten, rechte Netzwerke bei Fußballfans und Sicherheitsunternehmen, Pöbeleien, Prügeleien, ernüchternde Wahlergebnisse. Das andere Chemnitz, was spätestens im letzten Jahr durch die rechten Aufmärsche mit breiter Brust an die Weltöffentlichkeit trat und es, anders als Kosmonaut und Atomino, im Handumdrehen bis in die New York Times schaffte.
Die Veranstaltung, für die wir gebucht sind, hört auf den Namen #Wirbleibenmehr und nimmt Bezug auf das Konzert, das vergangenes Jahr von Kraftklub und Kollegen als Antwort auf die rechten Ausschreitungen in Chemnitz in Windeseile aus dem Boden gestampft wurde. Konzerte, Ausstellungen, Diskussionsrunden, Partys, die Innenstadt ist ein einziges großes gut geöltes Festival. Wieder bin ich beeindruckt von dem, was möglich ist, in dieser viel gescholtenen und belächelten Stadt.
Aerobic für Wohnraum
Unsere Bühne befindet sich am sogenannten Kopp oder auch Nischel, dem mächtigen Karl-Marx-Kopf, 40 Tonnen Bronze, gegossen in Leningrad, 1971 von Erich Honecker vor 250.000 Menschen eingeweiht. Marx lieh seinen Namen für den Neuaufbau der zerbombten Stadt nach sozialistischem Modell, jetzt starrte er finster auf sein Erbe herab. Statt marschierenden FDJlern waren es in den 90ern junge Skater und Breakdancer, die sich hier trafen und die Beine in die Hand nahmen, sobald an der nahen Haltestelle CFC-Hooligans einfuhren. Letztes Jahr war er dann gar umringt von wütenden Männern, die der Republik Hitlergrüße und blanke Hintern präsentierten. Heute kann man auf seinen Stufen Kreidereste der letzten Fridays-for-Future-Demo lesen. „Hambi bleibt“, steht da, „RWE enteignen“ und „Wir schaffen ein Klima der Gerechtigkeit“. Auf der Wiese nebenan machen junge Frauen Aerobic für bezahlbaren Wohnraum, Entspannung und Anspannung gehen Hand in Hand.
Während des Soundchecks haben wir einen Stromausfall, nachdem jemand ein Bier umtrat, das sich in eine Steckdose entleerte. Der Elektriker muss kommen. Kein Bühnennebel, keine Lichtshow, dafür Fernsehkameras und Marx-Kopf, die bis auf den Boden meiner angespannten Seele schauen. Vor der Bühne Menschen, Menschen, Menschen, die brüllen und herumspringen. Eine Antifa-Flagge wird geschwungen, ab und zu ruft ein Chor „Alerta, alerta, antifascista!“. Felix von Kraftklub und Nura kommen zu uns, durch den Stromausfall sind ihre Mikrofone nicht wieder angesprungen, wir tauschen hin und her, im Publikum stört es keinen, die schreien sowieso alles mit. Die Kameras sind aufgrund der Verzögerung schon drüben bei Herbert Grönemeyer.
Zur Aftershowparty geht es vorbei am „Hase, du bleibst hier!“-Spot, heute sitzen hier überall junge Leute in Gruppen, trinken, fahren Skateboard, unterhalten sich angeregt. Es könnte glatt eine dieser netten Studentenstädte Westdeutschlands sein. Im Club singen die Partygäste Kraftklub-Songs so laut, dass es auf die Straße schallt, während sich Backstage Künstler wie Casper, Tarek und Alligatoah versammeln. Ein großer Auftritt aller Anwesenden wird geplant. Scherzhaft schreibt jemand Grönemeyer auf die Setlist, der dann auch auf der Bühne angekündigt wird; verwundert hätte sein Erscheinen wohl niemanden. Hier und jetzt scheint wieder alles möglich, sind Pegida, AfD, Messermorde und Ausschreitungen weit weg, hier pulsiert das Chemnitz, so wie ich es kennenlernte – und seiner Kraft und Wirkmächtigkeit scheint keine Grenze gesetzt. Erst Felix’ Vortrag seiner aktuellen Single 9010 erinnert wieder daran, dass diese Stadt mindestens zwei Gesichter hat. „Plastikbeutel, Korn, Westpoint-Zigarillos, schlechte Haut, Chemnitz-City-Swag. Alles sieht irgendwie traurig aus.“ Heute sah Chemnitz nicht traurig aus, und man kann nur hoffen, dass es auch nach den Landtagswahlen im September noch viele dieser Tage hier geben wird.
Kommentare 5
schön zu hören:
die zivilgesellschaft der gegend
mag zwar am tropf hängen,
hat aber noch puls.
Nach dem Mord an Lübcke flammte plötzlich dieser Wirbel auf, dass Politiker besser geschützt sein sollten. Aber als Özdemir von den Grünen vor 3-4 Jahren unzählige Morddrohungen von den Muslimen und Erdogan-Anhängern hier in Deutschland bekam, war der Wirbel merkwürdigerweise nicht so groß.Cem Özdemir steht noch heute manchmal immer noch unter Polizeischutz.Ich will den Mord an Lübcke überhaupt nicht relativieren. Der/Die Täter gehören lebenslang hinter Gitter! Hinzu kommt, dass die etablierten Parteien lieber die konservativen rechtsextremen islamischen Gruppierungen hofieren. Selbst die Antifa hat bisher nichts gegen rechtsextremistische islamische Gruppierungen in Deutschland unternommen.
http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/260333/graue-woelfe-die-groesste-rechtsextreme-organisation-in-deutschland
Die gehen lieber zu den Demos in Kandel oder Chemnitz und prügeln sich mit den "rechtsextremen" besorgten Bürgern, die zurecht gegen Migrantengewalt demonstrieren.Eine Frau Seyran Ates, die ständig Morddrohungen von Muslime nicht nur aus Deutschland sondern aus der ganzen Welt bekommt und sogar schon einmal einen muslimischen Mordanschlag nur knapp überlebte, kritisiert seit Jahren die Politiker der etablierten Parteien, weil diese lieber konservative Muslime hofieren, anstatt die liberalen Muslime.Seyran Ates will halt nur den Islam in Deutschland reformieren udn schon bekommt sie unzählige Morddrohungen.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/islambeirat-seyran-ate-kritisiert-15423211.html
Unseren Politikern sind die Geschäfte mit radikalislamischen Regimes von Saudi Arabien und Erdogans Türkei viel wichtiger.Als letztes Jahr bei der unteilbar Demo in Berlin mit fast 200.000 Teilnehmern mehrere radikalislamische Gruppierungen mit den Linken zusammen mitmarschierten und mit antisemitischen Hassparolen aufgefallen sind. Da war Seyran Ates einer der wenigen die das scharf kritisierte und schon vorher ankündigte bei dieser Demo nicht teilzunehmne aus Protest, da die radikalen Muslime von dieser Demo nicht ausgeladen worden sind!
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/10/unteilbar-demonstration-kritik-muslime-islamisten.html
Es ist viel wichtiger, dass wir endlich über die Gewalt gegen Christen in Flüchtlingsheimen reden. Es kann und darf einfach nicht sein, dass Muslime immer ungestraft davonkommen.
https://www.morgenpost.de/politik/article213295891/Gewalt-gegen-Christen-Fast-100-Uebergriffe-in-Deutschland.html
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/christen-klagen-ueber-schikanen-in-fluechtlingsheimen-a-1091479.html
Über die unfassbare brutale Christenverfolgungen, die in muslimischen Staaten seit über 15 Jahren zu beobachten sind, wird überhaupt nicht diskutiert. Statt dessen wird immer nur auf die Europäer mit dem Finger gezeigt, wie intolerant und islamophob sie doch sind...
Es kommt natürlich immer darauf an WER ermordet wird. Menschenleben werden nicht gleich gewichtet und entsprechend gleich behandelt. Der eine bekommt Polizeischutz, der andere nicht. Beim einen landesweite Beachtung und Anteilsnahme, der andere eine Fußnote.
Wir bleiben mehr? Nö, ihr seid nur lauter und über euch wird Positives veröffentlicht. Hat schon jemand versucht, nachzudenken, warum das so ist? Daß vielleicht das Veröffentlichtwerden einen ganz anderen Zweck hat?
Es gibt nicht nur Milchtrinker, frei nach der alten Werbung "Erfolgreich sein - Milch trinken". Der Erfolg besteht ohnehin meist bloß darin, daß sie es sich hersusnehmen, sich vorne hinzustellen und sich gegenseitig zu bestätigen, daß sie gut sind.
Da fallen mir immer wieder die beiden Damen ein, die am Sonntag morgen um 5 Uhr von Breclav nach Wien unterwegs waren. Beide Deutsche. Die eine war, weil sie offenbar bemerkt hatte, daß die andere ebenfalls eingestiegen war, durch den Zug gegangen und suchte die Gesellschaft der anderen. Und dann war da zu hören, daß die eine offenbar ein Besserwessi war und die andere Urlaub in der Slowakei gemacht hatte. Irgendwo in der Tatra.
"Die sind ja so rückständig da..."
"Ich suche genau das. Die Landschaft ist schön, die Menschen freundlich. Die haben da noch Umgang miteinander, so wie früher bei uns..."
"Bei uns" hat sie gesagt und seitdem liebe ich sie, obwohl sie von einem Land sprach, das weit weg von mir ist und nichtmehr existiert. Ja, früher...
Vermutlich wählt die eine heute die Grünen, die andere entweder die Linke oder gar AfD. Die, der ich unterstelle, daß sie vermutlich Grüne wählt, ist sicher "Milchtrinkerin". Sie verhält sich so, als ob - wäre das ein Tierfilm über das Balzverhalten des Schilfrohrsängers - jeden Moment das Zitat kommen müßte "Das Leben ist ein Kampf und wer nicht kämpft verdient das Leben nicht". Stammt aber nicht von einem Schilfrohrsänger sondern von einem Österreicher. Immer erfolgreich, immer vorne stehen.
Geht aber nur, wenn die, die wirklich mehr sind es sich gefallen lassen.
Tinder-X - Perfekte Dating-Site für Erwachsene mit dem neuesten intelligenten Suchsystem, um einen Sex-Partner zu finden!