Ein Gastbeitrag von DefunDES
Zugegeben, Stipendiat:in zu sein, ist nichts, worüber man sich beklagen sollte — aber auch nicht das Erste, was man auf einer Party erzählt. Der Grund: Klischees von Anzugträger:innen, die auf Staatskosten Studi-Partys feiern oder sich schon mal Einfluss in Parteien und Think Tanks erarbeiten. Wenn wir uns jetzt zu Wort melden und unabhängig von unseren Förderwerken sprechen, liegt das jedoch nicht daran, dass wir mit diesen Klischees brechen wollen. Uns geht es, ohne falsche Bescheidenheit, um die Zukunft der Demokratie.
Als Stipendiat:innen werden wir unter anderem für gesellschaftliches Engagement gefördert. Von sozialen Einrichtungen bis zu Gewerkschaften, Kirchen oder NGOs — in all diesen Bereichen setzen sich auch Stipendiat:innen für die Gesellschaft ein. Wir sagen das nicht, um unsere Stipendien zu rechtfertigen. Aber weil wir diese Unterstützung des Staates, und damit letztlich der Gesellschaft bekommen, sehen wir uns auch in der Verantwortung, uns für die Gesellschaft und unsere Demokratie einzusetzen.
Selten waren bisher Initiativen, in denen sich einzelne Stipendiat:innen über die Grenzen ihrer einzelnen Stiftungen und Förderwerke für ein gemeinsames politisches Ziel zusammenschlossen. Es braucht aber ein breites, stiftungsübergreifendes Bündnis gegen das, was uns direkt und viele von uns existenziell bedroht: Mit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag könnte deren parteinahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) bis zu 70 Millionen Euro Steuergelder bekommen und damit Stipendien finanzieren und rechte Ideologien verbreiten.
Die Auswirkungen einer Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung
In den vergangenen Wochen schlug die drohende Finanzierung der DES medial bereits hohe Wellen. Mehrfach wurde auf die Gefahr hingewiesen: Haushaltsgelder könnten an eine Stiftung gehen, deren Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder immer wieder durch rassistische, antisemitische, geschichtsrevisionistische und hetzerische Äußerungen auffallen. In pseudowissenschaftlichen Publikationen, Veranstaltungen oder Pressemitteilungen befeuern sie rechtes und völkisches Gedankengut. Außerdem ist bekannt, dass die Stiftung eine Schlüsselrolle bei der Vernetzung von Rechtsextremen und bürgerlichen Rechten spielt. Einige ihrer Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder stehen rechtsradikalen und rechtsextremen Verlagen, Zeitungen oder Plattformen nahe oder sind für diese als Autor:innen und Aktivist:innen tätig. Positionen, die unserer Demokratie und Werten zuwider sind, würden mit der DES unter dem Deckmantel der Studienförderung und Bildungsarbeit salonfähig.
Wir Stipendiat:innen der anderen Förderwerke sind von der möglichen Ausschüttung der Gelder an die DES direkt betroffen. Werksübergreifende Formate ermöglichen uns bisher, respektvoll über Politik und Positionen zu streiten. Bei der Bandbreite politischer Meinungen zwischen links, liberal und konservativ herrscht oft keine Einigkeit, doch genau deswegen schätzen wir den menschlichen und konstruktiven Umgang miteinander. Es ist anzunehmen, dass die Positionen der künftigen DES-Stipendiat:innen denen ihrer Stiftung ähneln und somit eine antidemokratische, äußerst rechte Kaderschmiede entsteht. Sie brächten rechte, rechtsradikale und rechtsextreme Positionen in stiftungsübergreifende Austauschformate ein und würden beispielsweise muslimische, jüdische oder nichtweiße Personen gefährden. Darüber hinaus würde faschistisches, völkisches, antidemokratisches Gedankengut in den vorpolitischen Raum verstärkt eindringen: ob in Seminarräumen, Veranstaltungen oder bei Konferenzen würden sich die Grenzen des Gesagten und Gedachten deutlich nach rechts verschieben.
Positionen, die Menschen und Gruppen ihre Existenz und Würde absprechen, machen jede Form von Dialog unmöglich. Wir schulden es den von Diskriminierung betroffenen Stipendiat:innen und der viel größeren Zahl anderer Studierender, uns dafür einzusetzen, solche Räume des Dialogs und des demokratischen Streits zu erhalten sowie sie keiner Diskriminierung auszusetzen. Unsere eigenen Stipendien bedeuten für uns eine Verpflichtung zum Einsatz für die Gesellschaft. Auch deshalb sehen wir uns in der Verantwortung, für die plurale Demokratie und gegen die DES einzutreten.
Demokratische Werte und der Auftrag der Stiftungen
Das Meinungsspektrum unserer Initiative reicht von links bis konservativ. Deshalb wissen wir, was es bedeutet, andere Meinungen zu respektieren und tolerieren. Wir wissen darum, dass alle parteinahen Stiftungen abseits der DES einen wichtigen, demokratiefördernden Beitrag leisten. Weil wir Stipendiat:innen uns in diversen Kontexten für die Gesellschaft einsetzen, wissen wir aber auch: Es gibt Positionen, die nicht mit den Grundpfeilern unserer Demokratie und der Verfassung vereinbar sind. Wenn wir also die Entscheidungsträger:innen der Koalitionsverhandlungen dazu aufrufen, keine Steuergelder an die AfD zu vergeben, dann ist das weder Ungleichbehandlung noch undemokratisch. Vielmehr fordern wir, dass die Demokratie keine undemokratische Arbeit finanziert.
Die staatliche Förderung der Stiftungen etablierte sich als eine der Lehren aus den Fehlern der Weimarer Republik: Demokratie erhält sich nicht von selbst, sondern muss geschützt und gefördert werden. Politische Stiftungen leisten einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Stabilisierung der Demokratie, indem sie zum Beispiel politische Bildungsarbeit für alle Bürger:innen anbieten, die Partizipation am demokratischen System fördern, internationale Zusammenarbeit über Auslandsbüros führen oder engagierte Studierende durch Stipendien fördern. Diese Arten der Förderung unserer Demokratie sollte auch weiterhin in bisheriger Höhe gefördert werden. Wie aber mit der möglichen Förderung der DES umgehen? Parteiengesetze fordern zu Recht eine strenge Gleichbehandlung aller Parteien. Aber Parteien und Stiftungen, rechtlich bis auf eine alle als Vereine eingetragen, sind voneinander unabhängig. Deshalb muss die Finanzierung der Stiftungen losgelöst von den ihnen nahestehenden Parteien daran gemessen werden, inwiefern sie die Gelder für ihren vorgesehenen Zweck einsetzt: demokratische Bildung. Passt das mit einer in Teilen wissenschaftsfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Stiftung zusammen?
Finanzierung der Desiderius-Erasmus-Stiftung verhindern
Die rechtliche Grundlage für einen Anspruch auf Geldervergabe stellt das Parteiengesetz (§5, Abs. 1) dar, das einen Anspruch auf Förderung aller im Bundestag vertretenen Parteien regelt, um gleiche Bedingungen im politischen Wettbewerb zu gewährleisten. Weiterhin basiert die Verteilung der Fördermittel an die parteinahen Stiftungen auf Vereinbarungen der Stiftungen, die in der „Gemeinsamen Erklärung zur staatlichen Finanzierung der Politischen Stiftungen“ am 6. November 1998 festgehalten wurden. Eine parteinahe Stiftung ist hier förderungswürdig, sobald die ihr nahestehende Partei mindestens zweimal in Folge in den Bundestag gewählt wurde und davon einmal Fraktionsstärke vorweist. In der Praxis wird die Höhe der Gelder in sogenannten „Stiftungsgesprächen“ festgelegt, die Stiftungsvertreter:innen mit Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Bundestags sowie Beamt:innen des Bundesinnenministeriums führen. Eine weitere rechtliche Regelung besteht nicht, sodass die DES derzeit kaum rechtssicher von einer Förderung ausgeschlossen werden könnte. Gegen einen Vorenthalt von Geldern könnte sie vermutlich rechtlich vorgehen.
Wir fordern daher die Erarbeitung eines Stiftungsgesetzes durch den Bundestag. Dieses müsste dem Haushaltsausschuss an die Seite gestellt werden, um die Ablehnung von Förderung zu begründen. In einem solchen muss die staatliche Förderung parteinaher Stiftungen an den aktiven Einsatz für die demokratischen Prinzipien Gleichheit, Freiheit und Pluralität gebunden werden. Eine Stiftung muss durch ihr institutionelles Handeln wie auch durch das Auftreten ihrer Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder in Wort und Schrift ein aktives Engagement für diese Werte zeigen. In anderen Worten: Gelder zur Demokratieförderung sollen nicht an demokratiefeindliche Stiftungen gehen. Hierbei geht es nicht um eine „Gesinnungsprüfung“. Stattdessen würden Haushaltsausschuss und die Legislative in die Lage versetzt werden, Demokratiefeind:innen zu identifizieren.
Eine solche rechtliche Grundlage, so betonen es immer wieder einzelne Politiker:innen und Wissenschaftler:innen, ist machbar. Was aktuell aber fehlt, ist ein politischer Wille. Oder es herrscht die Sorge, dass die AfD sich in ihrer Opferrolle bestätigt sieht. Nur wird sie erstens sowieso diese Rolle spielen. Zweitens, ist das kein Grund, Millionen von Steuergeldern eben in die Ideologie der AfD zu stecken. Drittens wäre ein solches Stiftungsgesetz geeignet, Vertrauen in die parteinahen Stiftungen zu erhöhen, da ihr Handeln nachvollziehbarer wird.
Wir sorgen uns nicht nur um die Möglichkeit stiftungsübergreifender Zusammenarbeit. Schließlich sind wir nur eines von vielen Beispielen dafür, dass pluraler Zusammenhalt auf einer gemeinsamen Wertebasis möglich ist. Aber vielmehr sorgen wir uns um die Demokratie und um die Sicherheit von Konstipendiat:innen und Kommiliton:innen. Deshalb rufen wir die Politiker:innen in den aktuellen Koalitionsverhandlungen auf, die staatliche Förderung der Desiderius-Erasmus-Stiftung zu verhindern. Das ist die gesellschaftlichen Verantwortung, die wir alle teilen.
Kommentare 7
Ein richtiger PR-Artikel zugunsten der Parteistiftungen wurde hier vorgelegt.
Wer behauptet, politische Stiftungen leisteten einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Stabilisierung der Demokratie, kehrt die schwarze Seite dieser Stiftungen unter den Teppich. Etwa als die CSU-Stiftung, benannt nach Hanns Seidel, 1,8 Millionen Euro wegen widerrechtlicher Verwendung zurückzahlen musste. Wildbad Kreuth und Kloster Banz wurden mit den Steuergeldern weiterhin unterstützt, obwohl diese Einrichtungen weniger als 80 Prozent für Bildungsarbeit ausgaben. Denn diese Mindestquote ist eine Voraussetzung für die Förderung.
Der Bundesrechnungshof kritisiert die zu hohen Gehälter der Spitzenleute in diesen Stiftungen. Eigentlich müssten sich diese an die Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes anlehnen. Dazu schreibt die Tagesschau:
>>Tatsächlich aber bezahlten die Stiftungen ihre Vorstände, Geschäftsführer oder Generalsekretäre über Tarif... Sie erhielten demnach Monatsgehälter in Höhe bis zur Besoldungsgruppe B9 der Bundesbesoldungsordnung - das sind derzeit mehr als 12.000 Euro.<<
Die Stiftungen der Parteien, die zusammen rund 600 Millionen Euro von den Steuerzahler/innen überwiesen bekommen, haben sich einen Selbstbedienungsladen geschaffen, der nicht über jede Kritik erhaben ist. Weshalb sollten sie gegen die Stiftung der AfD vorgehen? Die AfD als im Bundestag vertretene und nicht verbotene Partei hat gute Karten und gute Argumente sich ebenfalls aus diesem Topf, der dann noch größer werden würde, bedienen zu können. Damit der Finanzregen für den Rechtsradikalismus ausbleibt, sollten die Parteien Stiftungen in der Form abschaffen. Stipendien können auch ohne Umweg über die Parteien vergeben werden.
Das Gedöns sagt sehr viel über das Demokratieverständnis von "Konservativen" und "Linken" aus.
Ist die AfD nun demokratisch gewählt oder nicht?
Aber weil diese Typen im politischen Diskurs nicht wirklich punkten können, keilen sie hinterfotzig unter dem Tisch aus - sehr bezeichnend.
So ging es in Weimar auch los, alles ganz demokratisch! Und Ratz Fatz war die Demokratie am 30.1.1933 erledigt, von einer gnadenlos konsequent operierenden demokratisch gewählten NSDAP. Erschwerend kommt heutzutage als Gefahr hinzu, daß in Polizei- und Militärkreisen eine große Zahl von potentiellen Mittätern verdeckt existiert. Und Stiftungen sind für Schulungen für den Tag X bestens geeignet. Und für die Volksverdummumgsaktionen, die zu dazu führen, daß"Diese Typen im politischen Diskurs nicht wirklich punkten können". Die Demokratie sägt an dem Ast, auf dem sie sitzt. Wehret den Anfängen, installiert ein präzises Gesetz wie im Beitrag gefordert!
Was sind schon rassistische Äusserungen im Vergleich zu rassistischer Praxis in Form des Völkermords als Wettbewerb für Koltan, der dafür sorgt, daß das eigene Handy keine faire Million kostet?
In der rassistischen Querfront korrumpierter Konsumenten finden Nazis den 2. Kongo-Holocaust sogar voll supi, solange ihnen kein Blut aus dem Handy in die Pfote tropft, während alle anderen -außer den Handyverweigerern- ihn dreist totschweigen.
Leider gibts dazu voll demokratiefreundlich keine Stiftung und keiner schreibt darüber Diplom oder gar Abitur.
Irgendwie erinnert das daran, daß niemanden stört, wenn Nazis "Negermusik" (Rock, etc.) besetzen, solange sie sie nicht mit Lyrik besauen.
In ein paar Jahrzehnten ist Rock'n'Roll dann komplett besetzt und das Original Verschwörungstheorie, zumindest außerhalb North of A.
Aber vorher werden noch alle Lieblingsbands aus USA Europa boykottieren, weil es Kongo-Koltan erlaubt.
Wehret den Anfängen? Wehret dem Ende, sagte einst in den 80ern des letzten Jahrhunderts der Hamburger jüdische Antifaschist Arie Goral!
Und Bertold Brecht? Das große Karthago führte 3 Kriege, ... nach dem dritten war nichts mehr zu finden....
Ich vergaß noch: HHEINICKE, ansonsten sehe ich es doch sehr ähnlich wie Sie!!