Denksport

30. Januar Ein Parlament spielt Skat

Am gestrigen Donnerstag, den 30. Januar gegen Abend, marschierten deutsche Männer zum Reichstag. Diesmal trugen sie keine Fackeln wie vor 70 Jahren, sie haben vielmehr das deutsche Einheitsskatspiel in der Tasche. Das »Parlamentarische Skatturnier des Deutschen Bundestages in Berlin« am »Tag der Machtergreifung« wird nicht nur von Daimler/Chrysler, dem Zentralverband Deutsches Bäckerhandwerk, dem Verein zur Förderung der Raumfahrt in Deutschland und der Fleischer-Innung Bonn gefördert. Das Turnier hat auch - als Experten - vier parlamentarische Skat-Paten: Zunächst den CDU-Abgeordneten Steffen Kampeter, er hat einen Grundwehrdienst hinter sich, ist Vorsitzender der TuS Eintracht Minden und Mitglied des Ausschusses für Reaktorsicherheit; der SPD-Abgeordnete Rainer Wend wurde 1994 Bürgermeister von Bielefeld, auch da gehört Skatspielen zur Grundausstattung; der FDP-Abgeordnete Karlheinz Guttmacher ist 1961 in die, laut seiner Angabe, »liberale Partei LDPD« eingetreten - in dieser schönen Blockpartei musste man seine Liberalitätsprüfung durch ein ausgeprägtes Talent im Ramschen bestehen. Und auch der SPD-Abgeordnete Ernst Ulrich von Weizsäcker wäre ohne Kenntnis des Skatspiels als Mitglied des Präsidiums des Evangelischen Kirchentages ganz schön aufgeschmissen. Das alles geht in Ordnung. Und mit Ausnahme vielleicht von letzterem muss auch kaum einer der vier Abgeordneten wissen, was vor siebzig Jahren so um den Reichstag herum los war.

Doch das »2. Parlamentarische Skatturnier« am 30. Januar hat nicht nur diese vier Skat-Paten. Es hat auch einen Schirmherrn, der es wissen muss. Es ist Wolfgang Thierse, als Präsident des Deutschen Bundestages nach Exklusiv-Erkenntnissen von Helmut Kohl ein befähigter Nachfolger des Reichstagspräsidenten Hermann Göring. Ihm nun, also Wolfgang Thierse, schrieb der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Karlheinz Hansen, der ebenfalls mit einer Einladung zum 30. Januar bedacht worden war: »Ich bitte dringend um Widerlegung des Verdachts, dass Sie von allen guten Geistern verlassen sind, von denen einige doch auch Ihren Weg gekreuzt haben müssen.«

Der Präsident des Deutschen Bundestages dementierte darauf nicht, dass das »2. Parlamentarische Skatturnier« am 30. Januar stattfindet, er ließ dem ehemaligen SPD-Abgeordneten vielmehr antworten: »Sollten Sie das Engagement und die politische Arbeit von Herrn Thierse in den zurückliegenden Jahren auch nur oberflächlich verfolgt haben, dann müsste Ihnen im Lichte dieser Betrachtung Ihr Vorwurf selbst absurd erscheinen.«

Gut gegeben. Indes, einem gewissen Verdacht setzt sich der Bundestagspräsident gleichwohl aus. Man darf doch nicht vergessen, dass im April 2002 die - natürlich ehemalige - PDS-Fraktion von der Bundesregierung wissen wollte, wie sie die Tätigkeit von Skatvereinen bewerte. In einer Kleinen Anfrage erkundigte sich die PDS, ob aus Sicht der Regierung die Begriffsdefinition des förderungswürdigen »Sports« im Steuerrecht grundsätzlich überarbeitet werden sollte, um eine Förderung von Skat als »Denksportart« zu ermöglichen. Dieses Ansinnen der Partei Demokratischer Skatspieler wies die deutsche Bundesregierung mit Hinweis darauf zurück, dass es sich beim Skat nicht um eine »körperliche Ertüchtigung« handele.

Wie auch immer, über jeden Verdacht hinweg hat Bundestagspräsident Wolfgang Thierse mit der Terminierung des »2. Parlamentarischen Skatturniers« auf die siebzigste Wiederkehr des 30. Januar bewiesen, dass er nicht gewillt ist, den deutschen Skat den Extremisten von links zu überlassen.

Der Ex-Abgeordnete Hansen aber hat, unbelehrbar, dem Präsidenten des Deutschen Bundestages in einem neuen Brief eine Anregung für den bevorstehenden 70. Jahrestag des Reichstagsbrands zukommen lassen: »Dürfen wir uns am 28. Februar auf ein Großfeuerwerk über dem Reichstag freuen?«

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