Per Email erhielt ich die Anfrage, ob ich mich zum Internet-Manifest, das auf der Freitag-Seite in Jörn Kabischs Blog nachzulesen ist, äußern wolle, und damit es der Autor möglichst einfach und bequem hat, stand in der Mail auch gleich der Link zum Blog. Klick, und auf dem Bildschirm erschien die Nachricht: "Eine Seite mit dieser Adresse existiert nicht." So viel zu den Freuden des Internet. Also "zu Fuß" zu dem Blog, zunächst zu "Google", und dort "Internet-Manifest" eingeben. Der Verweis auf die ersten zehn Einträge erscheint und die Mitteilung, es gäbe insgesamt 11 500. Wie schön – aber wer klickt die alle durch (von Lesen gar nicht zu reden)? Zum Glück erinnere ich mich an den nicht funktionierenden Link. Der enthält nach mehreren Slashs auch den Namen Kabisch. Also zurück zu Google, "In den Ergebnissen suchen" anklicken, Kabisch eingeben, und dann gibt es tatsächlich (Samstag, 12. September, 13.25 Uhr) einen Eintrag. Etwas mühselig, aber schließlich doch gefunden, ausgedruckt und sogar gelesen.
Aber wie enttäuschend, wie unmodern, um nicht zu sagen: altbacken. Seit über 500 Jahren, seit der Erfindung des Buchdrucks, wird die Mär verbreitet, der technische Fortschritt sei das Mittel zur (damals noch nicht so genannten) Demokratisierung des Wissens, denn die Menschen hätten nunmehr alle Möglichkeiten, sich zu informieren. Nun also beim Internet. Die "paar" Hartz-IV-Empfänger ausgenommen, die zu arm sind, sich einen Telefonanschluss zu leisten, den ihren aus Geldmangel abmelden mussten und demzufolge auch keinen Internetzugang haben. Nicht zu reden von den etwa vier Millionen funktionalen Analphabeten in diesem Lande, also Leuten, die zwar auf der Schule lesen und schreiben gelernt hatten, es aber inzwischen wieder verlernt haben.
Es gehört eine Menge Wissen dazu, um sich per Internet mehr Wissen anzueignen. Und dieses Wissen ist keineswegs frei verfügbar, seine Aneignung kostet Zeit und Geld. Unwissenheit ist eben nicht Ausdruck individueller Blödheit, sondern Resultat sozialer Verhältnisse, also ein gesellschaftliches Problem, und das seit Jahrhunderten. Nur wer viel Geld hat, kommt in dieser Gesellschaft zu mehr Geld, und beim Wissen ist das offenbar ganz ähnlich. Unwissende aber sind von der Internet-Demokratie so ausgeschlossen wie einst Frauen, Fremde und Sklaven von der Sklavenhalter-Demokratie im alten Athen. Natürlich hätten in der Antike ein solches Manifest nur Männer (erst)unterzeichnen dürfen, im Internet-Zeitalter sind zwei Frauen dabei. Das ist offenbar der Fortschritt in der modernen Internet-Gesellschaft.
Die ersten Zeitungen wurden 200 Jahre nach Erfindung des Buchdrucks gedruckt. Das war eine weitere Informationsrevolution. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es die ersten Radios, wenig später die ersten Filme, dann deren Kombination, das Fernsehen. Alles enorme technische Fortschritte, wunderbare Instrumente zur Verbreitung von Informationen, auch von Desinformationen. Letztere sind für die meisten ungemein wichtig, denn wenn es anders wäre, hätte der Freitag eine Millionenauflage und Bild erschiene als Lokalblatt von Krähwinkel.
Ich nehme nicht an, daß die "Klick-Verteilung" im Internet sich grundlegend unterscheidet von der bei den Zeitungen. Hier wie dort liegen "Sex and Crime" unangefochten an der Spitze. Was gelesen oder angeschaut und angehört wird, hängt am wenigsten von den technischen Mitteln ab. Sie können einem allerdings die Illusion vermitteln, informiert zu sein, viel informierter als unsere technisch unbemittelten Vorfahren, die sich auf andere Weise ihre Informationen zu verschaffen wußten.
Nur ein Beispiel sei genannt: Im Vorfeld des Hamburger Kommunistenprozesses von 1851 observierte die Polizei sämtliche "verdächtigen" Buchhandlungen der Stadt, um die "umstürzlerische" Literatur zu konfiszieren. Auf meine diesbezügliche Frage im Vortrag, wie viele das gewesen seien, antworteten aus dem Publikum manche mit drei oder fünf oder sieben, ganz besonders Kühne sprachen von einem Dutzend. Es waren aber 61, in einer Stadt von 150.000 Einwohnern. Heute hätten es die für die Unsicherheit Zuständigen viel einfacher, da es in diesem Lande viel weniger Buchhandlungen pro Einwohner gibt als vor 150 Jahren, von solchen ganz zu schweigen, in denen es "umstürzlerische" Literatur zu kaufen gibt. Aber auch diese 61 Buchhandlungen waren damals nicht in der Lage, ihre Literatur so massenhaft zu verkaufen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich für die darin propagierten Ziele eingesetzt und sie durchgesetzt hätte. Ist das heute, in den Zeiten des Internet, so viel anders?
Das Internet-Manifest predigt technokratischen Fortschrittsglauben, ohne auch nur einen einzigen Blick auf die sozialen Voraussetzungen von Internet-Nutzung zu werfen. Dazu fällt mir ein Vers ein, dessen Verfasser mir leider entfallen ist (auch im allwissenden Netz hab ich ihn nicht finden können): Fortschritt, du schreitest fort und fort und fort – aber wann bist du hier?
Thomas Kuczynski wurde 1944 in London geboren und studierte in Berlin Statistik. Momentan arbeitet er an einer Studienausgabe von Marxens Kapital. Band 1. Außerdem tritt in der gleichnamigen Inszenierung von Rimini Protokoll auf.
Kommentare 16
hier, bei mir, kann der hartz IV-empfänger in die bibliothek gehen. ansonsten gibt es bereits ne menge an initiativen, die internet für alle zugänglich machen wollen. so muss es dann auch sein.
nutzungsverhalten: da landen wir wieder bei der medienkompetenz. die kommt mit verbreitung des mediums. aber natürlich wird das medium, wie jedes andere auch, für sex crime gebraucht.
das ist gar nicht der punkt, eher, dass das medium es dem nutzer erstmal vollständig frei stellt, was er in welchem ausmaß konsumiert. wenns dann überwiegend pornos sind, gut. das is ja nix neues:
Das Internet gegen den Autoren zu verteidigen, ist gar nicht nötig, denn er hat es nicht angegriffen. Er plädiert nur für mehr Nüchternheit und weniger utopische Hoffnungen, die mit ihm verbunden werden, wie sie mit allen vorherigen medientechnologischen Innovationen verbunden wurden.
Ich würde auch sagen, ohne Medienkompetenz ist das Internet nichts als eine einzige Ablenkung. Dass man vorgebildet sein muss, um sich die Vorteile dieses Mediums nutzbar zu machen - eine Binsenweisheit.
Ich sehe aber eine andere Forderung: Wenn so viel über das Internet abgewickelt wird, dann müssen die Kinder wenigstens auch die Chance kriegen, im Netz zu sein, sonst sind sie völlig abgehängt. Und wie gesagt: Lernen mit dem Netz umzugehen.
er bezweifelte die chancen zu generellen änderung durch das netz, unter verkenntnis der grundsätzlichen änderung die es mit sich bringt.
das ist weniger verteidigung, das ist schon angriff. also meinerseits.
mfg
mh
ist der zweifel schon als angriff? würde ich bezweifeln. es geht, wie meisterfalk schon bemerkt hat, weniger ums internet, sondern um die verhältnisse in der gesellschaft, der es zur verfügung steht. würde ich sagen.
@MH120480
'Grundsätzliche Änderungen' gibt es laufend, natürlich auch jetzt wieder. Sie sind nur nicht ganz so ideal oder emanzipatorisch oder wohllebenförderlich oder was sonst noch so an Utopie formuliert wird. Nimm als historisches Beispiel Fordismus und Taylorismus. Das war eine Bedingung für Massenkonsum einerseits, für Verödung von Arbeit andererseits; motorisierte Mobilität bringt Bewegungsfreiheit und Raumzerstörung usw. Es kommt schon auch auf die Verhältnisse an, in denen neue Instrumente wirksam werden.
@matthias dell: da sehe ich ja das große verständnisproblem.
das internet ist der teil der gesellschaft, der es nutzt und somit gestaltet. man kann es nicht trennen. fakt ist, die gesellschaft, die das internet gestaltet, wächst. und sie wird auch weiter wachsen, weil wir diesen teil der gesellschaft immer mehr in unser leben einbinden.
umgekehrt zu obiger aussage wäre da dann wohl die frage, ob diese bewegung nicht bspw. dafür sorgt, dass wir weniger analphabeten haben als bisher.
dabei ist auch festzuhalten, dass es IMMER menschen geben wird die außerhalb oder am rande der gesellschaft stehen. manche wollen das soll, andere wiederum haben einfach pech. diese konstante lässt sich schmälern, aber nicht aufheben. da sie aber immer und überall vorhanden ist, kann sie nicht als kritischer hinweis gelten.
das wäre eine kritik nach dem schema: "der himmel ist nicht immer blau, so gut kann der also nicht sein."
@meisterfalk: da sind wir uns ja einig. analog zur aussage eben .. nichts ist perfekt. die frage ist für mich eher, obs dass denn sein muss?
es ist nicht so, dass uns alle gegenkräfte zum status quo als angemessen erscheinen, aber sie stellen uns als gesellschaft vor immer neue herausforderungen und fragestellungen die es uns ermöglichen uns weiter zu entwickeln.
jedes system braucht bspw. ein konkurrenzsystem.
mir gehts bei der sache eher darum, dass man auch die positiven kräfte zu nutzen weiß, die vorhanden sind. der drang darüber zu jammern wie schlecht das gute eigentlich ist, mag sinnvoll im sinne der verbesserung, in seiner deutschen penetranz ist er aber auch nicht mehr förderlich.
mfg
mh
Hier wird das Problem der "Linken" (auch wenn meisterfalk es nicht gerne hört) sichtbar.
Die "Linken" waren und sind nicht in der Lage mit technischem Fortschritt vorteilhaft umzugehen. Sie quengeln und nörgeln rum, malen schwarz und wenn sie damit fertig sind, ist der Fisch längst gelutscht. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich während der Bedenkenphase ohne die "Linken" manifestiert.
Die Verhältnisse und die Gesellschaft hat nun mal keine Zeit auf Trantüten zu warten.
Ich habe mir die Partei "die Linke" (für die mich ich hier stark ins Zeug werfe) angesehen. Überwiegend technischkritisch. Internet - wasn das? Regionalgruppen, Foren, Chat, Mail - völlige Unkenntnis, absolute Ignoranz.
Da ist die Piratenpartei frischer. Die versuchen wenigsten, die Verhältnisse durch aktive Aneignung der Technik zu gestalten. Beides gehört zusammen. Und sie wehren sich aktiv gegen "Polizeiaktionen", also Machtmissbrauch. Genau das wiederum verstehn die "Linken" nicht.
Weder die Technik noch die Verhältnisse für sich sind der Hebel um die Welt aus den Angeln zu heben.
Wenn Du den Begriff meinst und nicht die Partei, hast Du nur halb Recht. Diese 'Linke' ist eine Wundertüte. So what?!
Wenn Du die Partei meinst, muss ich an unsere Wechselwähler-WG denken. Die wissen auch, was typisch ist für Die Linke. Was da nicht rein passt, ist eben in der falschen Partei.
"Alles enorme technische Fortschritte, wunderbare Instrumente zur Verbreitung von Informationen, auch von Desinformationen. Letztere sind für die meisten ungemein wichtig, denn wenn es anders wäre, hätte der Freitag eine Millionenauflage und Bild erschiene als Lokalblatt von Krähwinkel."
Hahaahaaaa, ... kein weiterer Kommentar - um Desinformation zu vermeiden...
@meisterfalk,
ich meine beide. Die Partei habe ich mir in mehreren Städten "angesehen". Technisch hinterm Berg.
Die "Linken" als solche waren und sind es immer schon (anders ist es in kulturellen Belangen).
Schau dir nur den Internetauftritt von derFreitag an: VorSteinzeit (obwohl derFreitag nur halblinks ist).
Ich trete hier aktiv für "linke Verhältnisse" ein. Das bedeutet keinesfalls, dass nichts zu kritisieren ist. Natürlich überspitzte ich auch ein wenig, sonst würden manche es in ihrem Tiefschlaf nicht mal wahrnehmen ;)
"Technischer Fortschritt" und "Demokratisiserung des Wissens".
Das sind so Begriffe, die erstmal definiert werden sollten.
Nicht alles was technisch neu ist muss nämlich ein Fortschritt sein.
Nimmt man die grossen technischen Neuerungen, die die Gesellschaft verändert haben - Mobilität durch Auto, Zug, Flugzeug oder die Telekommunikation (Telefon, Telegraphie, Fernsehen) - so sind diese schon Anfang/Mitte letzten Jahrhunderts oder teilweise schon weit davor entwickelt worden.
In den letzten Jahrzehnten kam der Computer als Massenware in Form des PCs und dann auch das Internet - eine virtuelle Welt.
Was dort die Drähte glühen lässt, ist ein ungeheurer Strom von Information, wovon ein äusserst geringer Teil überhaupt auch nur irgendwie sinnvol scheint. Gleiches gilt für die enorme Zunahme an Telefongesprächen. Vermutlich sprechen viele Menschen bereits mehr in ihr Handy, als direkt zu anwesenden Gesprächspartnern.
Da die meisten dieser Handy- Gespräche in aller Öffentlichkeit geführt werden, offrenbart sich jedoch jedem der es hören will oder nicht, ein undendlicher Schwall von banalem Gequatsche, das den ganzen öffentlichen Raum erfüllt.
Diese Welle des Banalen hat auch unsere Medien erfasst.
"Demokratisierung des Wissens"?
Mein Gott, wo findet man noch Wissen?
Wissen erfordert, dass man etwas begriffen, verstanden hat.
Wo bitte ist ein Verständnis von Inhalten oder Zusammenhängen in der Flut des Banalen zu finden?
Was weiss ich, wenn ich weiss, welches Sternchen welches Motif auf der linken Arschbacke tätoviert hat?
Dergestalt ist aber unser derzeitiges "demoktaisiertes Wissen".
Damit ich nicht falsch verstanden werde:
Das Internet ist ein hervorragendes Medium um nach bestimmten Informationen zu suchen. In allen Bereichen. Auch um sich breit und umfangreich politisch zu informieren. Natürlich muss man selektieren können.
Aber die Flut des Banalen in diesem neuen technischen Medien macht es schwer, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen.
Wissen ist aber etwas ganz anderes.
Das vermehrt man immer noch am besten, indem man sich z.B. ein gutes Fach-Buch vornimmt und durcharbeitet, bei dem man etwas dazu lernt, das einem zuvor unbekannt war. Und wo man danach ewtas versteht, das man zuvor nicht begriffen hatte.
"Die Zeiten haben sich geändert, was läuft falsch ?
Wir können uns nur zurück entwickeln, während die Zeit fortschreitet.
Nieder mit dem System, genug der Lügen
Du kannst es nur wahrnehmen, wenn du die Augen öffnest, öffne die Augen !
Ich weiss nicht, ob wir es jemals verstehen werden, sag mir, was läuft falsch in unserer Gesellschaft ?
Ich hab keine Zukunft, das ist kein Leben für mich !
(Ohohoh) (2x)
Und ich weiss einfach nicht, was falsch gelaufen ist, alles was ich weiss, ist dass es schon viel zu lang so geht.
Ich hab keine Zukunft, das ist kein Leben für mich, nicht für mich !
(Ohohoh) (2x)
Schau nach vorn, was ist unser Schicksal ?
Die selben Fehler zu machen, die wir gestern schon gemacht haben ?
Oder versuchen wir uns selbst zu retten ?
Oder lehnen wir uns nur zurück und sehen wie alles den Bach runtergeht ?
Ich weiss nicht, ob wir es jemals verstehen werden, sag mir, was läuft falsch in unserer Gesellschaft ?
Ich hab keine Zukunft, das ist kein Leben für mich !
(Ohohoh) (2x)
Und ich weiss einfach nicht, was falsch gelaufen ist, alles was ich weiss, ist dass es schon viel zu lang so geht.
Ich hab keine Zukunft, das ist kein Leben für mich, nicht für mich !
(Ohohoh) (2x)
Die Zeiten haben sich geändert, was läuft falsch ?
Wir können uns nur zurück entwickeln, während die Zeit fortschreitet.
Sie schreitet fort und fort und fort."
Time marches on Songtext
Songtexte von Pennywise
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dadurch dass wir hier bspw. diverseste themen diskutieren, bildet sich auch wissen. es ist ein steter fluss an weiterbildung, wenn man denn bereit ist nicht nur ideologisch auf seiner meinung zu beharren.
nicht zuletzt, weil die diskussion immer des wissens bedarf. und wenn einer vorm senden seines beitrags ein paar quellen abprüft, kurz bei wiki reinschaut und ggf. noch nen bekannten anruft, dann kommt nebst dem wissensgewinn durch diskussion auch noch der wissensgewinn durch argumentation und kommunikation hinzu.
das ist kein konzentrierter prozess, wie beim lesen eines fachbuchs, aber es ist ein steter prozess .. was davon auf dauer prägender ist liegt dann an einem selbst. sachen die ich in einer diskussion oder für einen artikel recherchiere, behalte ich mir .. direkt fachbücher, da vergess ich das meiste eh wieder, da nur ein teil des inhalts immer wieder angewandt werden muss. gibt kaum ein ineffizienteres lernen. anderen mag es anders gehen.
wenn wir vom lebenslangen lernen sprechen, dann sind hier, durch die kommunikation im internet, bereits die ansätze zu finden. zumindest für jene, die es wollen.
es ist aber absolut polemisch zu behaupten, die leute würden sich nur porn crime reinziehen. das machen sie vielleicht zu 60%, was als unterhaltung in einer wohlstandsgesellschaft auch legitim ist. aber 40% gehen dann halt für hobbys drauf und das sind nicht mehrheitlich die sammelbilder von boygroups und nacktbilder von madonna oder das zwittertum von lady gaga.^^
mfg
mh
schon wahr, die verhältnisse in der klassengesellschaft haben sich in 500 jahren nicht wesentlich verändert, der zugang zum wissen schon. das sogenannte zeitalter der aufklärung (das ja, wie kant schrieb, alles andere als ein aufgeklärtes zeitalter war) wäre undenkbar gewesen ohne den fortschritt des buchdrucks und der wissenschaftlichen periodika und der enzyklopädien.
der fortschritt des rechnernetzes liegt einmal in der weiteren erleichterung des zugangs zu wissen, aber in der hauptsache handelt es sich beim internet um einen qualitativen sprung gegenüber allen fortschritten der medien vorher: das kommunikative verhältnis ist über den umweg der technik und künstlichkeit zur natur des dialogs zurückgekehrt, der sender steht nicht mehr auf einem hohen podest der menge von empfängern gegenüber wie der redner oder prediger dem sprachlosen publikum, sender und empfänger sind ein und dieselbe person.
das ist zugleich fortschritt und rückschritt auf anderen ebenen. es ist nur die frage, ob der qualitative sprung in der kommunikationstechnik noch die zeit haben wird, sich auf die gesellschaftlichen verhältnisse auszuwirken; denn der countdown (in des wortes eigenster bedeutung) läuft.
das wird nach meinem verständnis auch nicht bestritten. es wird nur gefragt, ob die gesellschaft automatisch besser ist, weil sie sich im internet neu materialisieren kann.