Niemand wollte 2020 seinen Urlaub absagen. Kaum jemand nahm sich vor, weniger zu konsumieren. Die meisten taten es aber. Corona hat gezeigt: Mensch verändert sich, wenn er muss – nicht wenn er sollte oder möchte. Das Gesetz der Trägheit, das nur in Gefahrensituationen ausgehebelt wird: Ist die Gefahr unmittelbar (ein Virus bedroht meine Gesundheit), wird der Überlebensinstinkt aktiviert, die Reaktion kommt stante pede. Ist die Gefahr abstrakt, wird verdrängt: Beim Rauchen kommt der Lungenkrebs erst in 20 Jahren, bei der Klimakrise passieren Rekordhitze und Überschwemmungen erst in Thailand oder mit einer Wahrscheinlichkeit X in meinem Vorgarten. Also entspanne ich mich, obwohl ich um die Gefährlichkeit weiß. Dieses paradoxe Verhalten ist auch für unsere Politiker in Sachen Klima symptomatisch.
So kommt es, dass in einem Jahr Pandemie mehr geschafft wurde als in 30 Jahren Klimapolitik. Laut dem Forschungsnetzwerk Global Carbon Project sanken die CO2-Emissionen weltweit um sieben Prozent. Rund 2,4 Milliarden Tonnen weniger CO2 sind ein historischer Rückgang: Laut den Forschern ist der CO2-Ausstoß in der Finanzkrise 2009 nur um eine halbe Milliarde Tonnen zurückgegangen.
Doch der gesellschaftliche Notstand von 2020 lässt sich nicht endlos durchhalten. Verbote sind klimapolitisch effizient, aber in dieser Weise nicht durchsetzbar. Die Mehrheit wird träge in alte Handlungsmuster zurückfallen. Und die Politik handelt erst, wenn andere Zwänge stärker werden als die Interessen von Lobbys.
Die gute Nachricht ist: An der Erkenntnis, dass Klimapolitik notwendig und machbar ist, mangelt es nicht mehr. Es ist längst bekannt, dass ein ambitionierter CO2-Preis den fossilen Energien den Garaus macht und auch, dass eine staatliche Subventionierung von Kohle, Öl und Gas verschwendetes Geld ist, wenn man ebendiese Energien abschaffen will. Und dass es starke Gesetze braucht, um erneuerbare Energien zu fördern.
Die vergangenen Wochen zeugten von diesem Erkenntnisgewinn: Die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich Mitte Dezember nach einer langen Nacht in Brüssel auf eine Erhöhung der Klimaziele geeinigt. In den nächsten zehn Jahren sollten die Emissionen um mindestens 55 Prozent zurückgehen. Das sind 15 Prozentpunkte mehr als eigentlich vorgesehen. Dafür sollen der Emissionshandel ausgeweitet, erneuerbare Energien und die Umstellung auf CO2-freie Antriebe gefördert werden. Auch einen Import-Zoll für CO2-intensive Produkte soll es bald geben.
Grüner Stahl, klare Ziele
Das sind zweifellos ernsthafte Schritte in Richtung Treibhausgasneutralität. Zu dieser haben sich seit dem Sommer mehrere Staaten weltweit verpflichtet. Sogar China will bis 2060 unterm Strich keine CO2-Emissionen mehr ausstoßen.
Auch die UN-Klimadiplomatie nimmt wieder Fahrt auf: Fast 130 Länder haben versprochen, sich mehr anzustrengen. Großbritannien hat als Gastgeber der nächsten Klimakonferenz im November 2021 ein extrem strenges Klimaziel von 68 Prozent CO2-Reduktion bis 2030 vorgelegt.
Und auch Teile der Wirtschaft schauen auf den riesigen Umbau mittlerweile mit anderen Augen. Stahlproduzenten starten Pilotprojekte für „grünen Stahl“, Zementfabrikanten versuchen ihre CO2-Emissionen zu drosseln. Die unter Linken nicht gerade beliebte Unternehmensberatung Mc Kinsey erklärte in einer hauseigenen Studie, dass die Klimaneutralität in der EU nicht nur möglich sei, sondern den Bürger auch nicht mehr kosten würde. Mittlere und niedrigere Einkommen könnten sogar vom Green Deal profitieren, während Wohlhabende eher draufzahlen müssen.
Lange sind die Zeiten vorbei, wo neoliberale Kräfte den Klimaschutz grundsätzlich mit ökonomischen Argumenten kleinreden. Viele sehen den Vorteil des Umbaus.
Auch der renommierte Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber klingt im Rückblick auf fünf Jahre Weltklimavertrag wieder optimistischer: „Die Realität hat den Vertrag überholt.“ Im Paris-Abkommen stehe, dass die Staaten „in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts“ klimaneutral werden müssten. „Das hätte theoretisch auch 2099 sein können“. Mittlerweile haben aber die wichtigsten Staaten das bereits für 2050 bis maximal 2060 politisch festgeschrieben.
„Psychologisch sind wir mittlerweile weiter, aber physikalisch treten wir auf der Stelle“, meint Schellnhuber. Zwar sei die Klimakrise in den Köpfen angekommen. Das drücke sich aber noch nicht in einer realen Trendwende aus.
Das Klimaparadoxon von rhetorischer Kür und handlungsarmer Bauchlandung geht weiter. Trotz der Corona-Delle reichern sich ungebremst Treibhausgase in der Atmosphäre an. 2019 wurde laut Weltwetterorganisation im globalen Durchschnitt erstmals seit Beginn der Industrialisierung die Marke von 410 ppm Kohlendioxid erreicht – die Einheit beschreibt die Anzahl der CO2-Teilchen unter einer Million Luftteilchen. Um 1750, also vor der Industrialisierung, lag sie bei 280 ppm. Dieser Anstieg ging auch 2020 weiter. In der Messstation Mauna Loa auf Hawaii wurden kurz vor Weihnachten 413 ppm gemessen. Ab 450 ppm rechnen Klimaforscher mit irreversiblen Klimaeffekten.
Trotz des Wachstums erneuerbarer Energien nimmt der Abbau fossiler Ressourcen nicht ab. Ein im Dezember veröffentlichter UN-Report warnt, dass – würden alle geplanten Vorhaben umgesetzt – die Produktion fossiler Brennstoffe in den nächsten zehn Jahren um jährlich zwei Prozent ansteigt. Um das 1,5-Grad-Ziel zu schaffen, müsste der Einsatz CO2-intensiver Brennstoffe um sechs Prozent jährlich sinken.
Weiterbohren in der Arktis
Und die fossilen Konzerne setzen weiterhin auf Wachstum. Kurz vor Weihnachten schmetterte ein Gericht in Norwegen die Klage von Umweltorganisationen ab, dass Ölkonzerne aus ökologischen Gründen auf die Förderung in der Arktis verzichten sollten. Auch hier zeigt sich das Paradoxon: Norwegen ist ein hochmodernes Land, das bereits 2025 keine Verbrennerautos mehr zulassen will und auch beim Strom fast komplett grün ist. Gleichzeitig lebt die Regierung immer noch vom Export von klimaschädlichem Öl und Gas, das sie nun auch in der Arktis fördern will.
In Deutschland gestand Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Sommer reumütig ein, dass in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland zu wenig für den Klimaschutz getan wurde. Aber parallel zu seinem Mea culpa arbeitete Altmaier bereits an der Novelle des Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien, die alles andere als eine Kehrtwende markierte. „Das reicht nicht mal im Ansatz, damit wir unsere Industrie mit dem kostengünstigen grünen Strom beliefern, den sie braucht“, kommentierte Patrick Graichen, Direktor des Thinktanks Agora Energiewende.
Die Reform war nur eine weitere Enttäuschung nach angekündigten grünen Konjunkturpaketen (die maximal hellgrün waren) und dem 2019 geschnürten Klimapaketchen. Das Klimaparadoxon ist auch in Deutschland noch lange nicht aufgelöst. Zwar gibt es hier ab 2021 erstmals einen CO2-Preis. Aber der ist nicht nur zu niedrig, sondern existiert parallel zu fossilen Subventionen, dem Ausbau von Autobahnen und neuen Flüssiggasterminals an der Nordsee oder unveränderten Ramschpreisen in der industriellen Landwirtschaft. Das Gesetz der Trägheit wirkt fort.
Kommentare 14
Grausam der Beitrag
Wieso ist Verhalten paradox, wenn unmittelbar keine Gefahr droht? Das ist das Gegenteil, das ist logisch. Wieso schafft man etwas, indem man unterlässt? Usw.usf. sprachschriftliche Panne an Panne.
Sprachgewohnheiten verhindern die korrekte Darstellung des Problems, i.e Lebensgrundlagen (natürliche Ressourcen) vor Uns zu schützen. Ergo: Wenn das Problem sprachschriftĺich nicht korrekt dargestellt werden kann , so ist es auch nicht erfasst und kann dementsprechend auch nicht gelöst werden.
"Wären nur die Regierenden nicht so träge"? Immerhin berufen sie sich auf ihre Wähler.
Alle Räder stehen still, wenn ihre Machtarroganz es will. So ist es beim Klima und bei der gegenwärtigen hysterischen Lage internationaler Tragweite. Doch eines ist klar: Sie wissen was sie tun, wir (noch) nicht. Aber dafür machen wir mit.
Gut das sie auf die Parallenen zischen Corona und Klimakrise hinweisen.
Die Politiker müssen in der Bewältigung der Klimakrise einen gewaltigen Balanceakt schaffen. Sie sitzen an einem internationalen Pokertisch, wer hier zuerst zuckt hat verloren. Wer zuerst seine Industrie, seine Kreuzfahrtschiffe, Flugzeuge etc an die Leine legt und einschränkt, hat verloren, die anderen werden mit ihren Kapazitäten übernehmen.
Der Klimaschutz muss gegen die Triebkräfte des Kapitalismus, und gegen die Triebkräfte des Menschen durchgesetzt werden.
Das ist eine taktische und argumentative Herkules Aufgabe.
Sicher könnte man für den Klimaschutz ALLES diktatorisch herunterfahren: Flugverkehr, Kreuzfahrten, globaler Warentransport etc. So wie man das jetzt auch in der Corona Krise gemacht hat, aber eine schrumpfende Postwachstumsökonomie ist innerhalb des kapitalistischen Wirtschafts und Finanzsystem auf Dauer nicht finanzierbar, schon jetzt gehen nach einem Jahr Corona die globale Verschuldung durch die Decke. Nur mit Wachstum können die Politiker die Zinsen bezahlen.
Ebenso sind viele Menschen für Verzicht nicht bereit, oft auch weil sie eine "sinnfreie" Arbeit machen (Bullshitjobs), für die sich sich mit Freizeit, Konsum und Reisen belohnen wollen.
Fast würde man meinen, es bräuchte für den funktionierenden Klimaschutz ein post-kapitalistisches System, in dem für die Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung, Kleidung, Gesundheit) gesorgt ist und die Menschen belohnt werden, wenn sie nicht mehr arbeiten, reisen und ronsumieren.
Stattdessen ein lokales Leben führen und sich für das Gemeinwohl, die Ausbildung der Kinder, und die Pflege der Natur in ihrer Umgebung einsetzen.
Aber das bleibt eine ferne Utopie.
Von daher stehen wir und die Politiker vor einem riesigen Dilema, einer Herkulesaufgabe, das im existierenden System zu realisieren.
Aber das Positive an der Corona Krise ist, das sie die Menschheit aufgeweckt hat aus der Werbe & Konsum Dauerberiselung und gezeigt hat, das Verändrung, das ein ANDERES Leben möglich ist.
Gut das sie auf die Parallelen zwischen Corona und Klimakrise hinweisen.
Die Politiker müssen in der Bewältigung der Klimakrise einen gewaltigen Balanceakt schaffen. Sie sitzen an einem internationalen Pokertisch, wer hier zuerst zuckt hat verloren. Wer zuerst seine Industrie, seine Kreuzfahrtschiffe, Flugzeuge etc an die Leine legt und einschränkt, hat verloren, die anderen werden mit ihren Kapazitäten übernehmen.
Der Klimaschutz muss gegen die Triebkräfte des Kapitalismus, und gegen die Triebkräfte des Menschen durchgesetzt werden.
Das ist eine taktische und argumentative Herkules Aufgabe.
Sicher könnte man für den Klimaschutz ALLES diktatorisch herunterfahren: Flugverkehr, Kreuzfahrten, globaler Warentransport etc. So wie man das jetzt auch in der Corona Krise gemacht hat, aber eine schrumpfende Postwachstumsökonomie ist innerhalb des kapitalistischen Wirtschafts und Finanzsystem auf Dauer nicht finanzierbar, schon jetzt gehen nach einem Jahr Corona die globale Verschuldung durch die Decke. Nur mit Wachstum können die Politiker die Zinsen bezahlen.
Ebenso sind viele Menschen für Verzicht nicht bereit, oft auch weil sie eine "sinnfreie" Arbeit machen (Bullshitjobs), für die sich sich mit Freizeit, Konsum und Reisen belohnen wollen.
Fast würde man meinen, es bräuchte für den funktionierenden Klimaschutz ein post-kapitalistisches System, in dem für die Grundbedürfnisse (Wohnen, Nahrung, Kleidung, Gesundheit) gesorgt ist und die Menschen belohnt werden, wenn sie nicht mehr arbeiten, reisen und konsumieren.
Stattdessen ein lokales Leben führen und sich für das Gemeinwohl, die Ausbildung der Kinder, und die Pflege der Natur in ihrer Umgebung einsetzen.
Aber das bleibt eine ferne Utopie.
Von daher stehen wir und die Politiker vor einem riesigen Dilema, einer Herkulesaufgabe, das im existierenden System zu realisieren.
Aber das Positive an der Corona Krise ist, das sie die Menschheit aufgeweckt hat aus der Werbe & Konsum Dauerberiselung und gezeigt hat, das Veränderung, das ein ANDERES Leben möglich ist.
Gosh… der Versuch einer integrierten Betrachtungsweise kann manchmal nahe ans Scheitern kommen...
Check „ecological footprint“.
How much planet is available per person? How much planet do we use per person?
Wie viel 'Planet Erde' verwenden wir pro Person?
United States – 5
Australia – 4.1
South Korea – 3.5
Russia – 3.3
Germany – 3
Switzerland – 2.9
UK – 2.9
France – 2.8
Japan – 2.8
Italy – 2.6
Spain – 2.3
China – 2.2
Brazil – 1.8
India – 0.7
Source: https://www.bettermeetsreality.com/ecological-footprint-of-each-country-how-many-earths-each-country-uses-based-on-consumption-rate-of-natural-resources/
Unter den derzeitigen Produktions- und Verbrauchsbedingungen der Welt, angeführt von den westlichen Industriestaaten, ist die Erde nicht erneuerbar.
System. Change. Now.
There are plenty of other scientific sources available that come to similar conclusions.
Der Begriff Klimaschutz und was sich hinter diesem Begriff verbirgt.
Mathematisch-naturwissenschaftlich informierte Leser werden wissen, das man „das Klima“ nicht schützen kann. Klima ist ein komplex-dynamischer Vorgang, den man weder sehen, hören, riechen oder schmecken kann. Die Sonne kann man sehen, Wind kann man hören, Luft kann man riechen und Regentropfen schmecken. Die Erdbahnparameter dagegen sind abstrakte nicht erfahrbare Koeffizienten, die die Intensität, der auf der Erde eintreffenden Sonnenstrahlung langfristig beeinflussen. Der Einfluss dieser Parameter auf das Klimageschehen ist für Menschen nicht erfahrbar und die Vielzahl an Parametern, die Einfluss auf Klima haben an dieser Stelle nicht vollständig auflistbar.
Einfach ausgedrückt, die Vorgänge die Klima ausmachen sind gerade in Ansätzen erfasst und die Komplexität der Vorgänge auch mit Quantencomputern nicht zu simulieren, weil math.-nat. nicht vollständig abbildbar. Der Versuch seitens der Wissenschaft, die Vorgänge zu erfassen und zu verstehen ist nicht verkehrt, verschlingt jedoch enorme Ressourcen und die Erkenntnisse werden der Öffentlichkeit mit bildgebenden Verfahren, so präsentiert, das der falsche Eindruck versteht, man hätte bzgl. Klima den „Durchblick“.
Großen Anteil, an dieser problematischen Darstellung für die Öffentlichkeit haben Sprachgewohnheiten. Sprachgewohnheiten verkürzen und verschleiern die Präsentation von komplex-dynamischen Vorgängen und vermitteln so den falschen Eindruck der „Beherrschbarkeit“.
Es könnte von Vorteil sein, bei der Präsentation für die Öffentlichkeit, den Focus auf die Koeffizienten zu richten, die für Individuen erfahrbar sind. Also das Individuum selbst und seine unmittelbare Umgebung, räumlich wie zeitlich.
Überschriften, wie „ Die Erde ist erneuerbar“ symbolisieren beispielhaft und sehr eindrücklich Unkenntnis, oder mangelhaftes Verständnis für Schriftsprachgebrauch.
"Im Januar 2020 warnten wir in einem Bericht mit dem Titel "Warnung der Weltwissenschaftler vor einem Klimanotfall" mit mehr als 11.000 Unterzeichnern von Wissenschaftlern aus 153 Ländern zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vor unermesslichem menschlichem Leid.
Als Allianz der Weltwissenschaftler sammeln wir weiterhin Unterschriften von Wissenschaftlern mit mittlerweile mehr als 13.700 Unterzeichnern.
In unserem Artikel haben wir Grafiken vorgestellt, die die Vitalfunktionen sehr beunruhigender Trends des Klimawandels mit geringen Fortschritten der Menschheit zeigen.
Basierend auf diesen Trends und der moralischen Verpflichtung der Wissenschaftler, „die Menschheit klar vor jeder katastrophalen Bedrohung zu warnen“ und „so zu sagen, wie sie ist“, erklärten wir einen Klimanotfall und schlugen politische Vorschläge vor.
Wir forderten einen transformativen Wandel mit sechs Schritten, die Energie, kurzlebige Luftschadstoffe, Natur, Ernährung, Wirtschaft und Bevölkerung umfassen."
https://www.scientificamerican.com/article/the-climate-emergency-2020-in-review/
Machen wir uns mal nichts vor. Seit den frühen 1970er Jahren wissen wir Bescheid darüber, wohin unsere Lebens- und Wirtschaftsweise führt, und zwar unabhängig davon, welches das jeweils herrschende politökonomische System ist. Der globale Wachstumszwang folgt eben nicht nur aus der Logik des Kapitalismus, sondern auch aus der Tatsache einer stetig wachsenden Weltbevölkerung, die, will man die "abscheuliche Schlussfolgerung" des Philosophen Derek Parfit vermeiden, mit ausreichend, also immer mehr Lebensmitteln und Konsumgütern versorgt werden müssen.
Die in den 1950er und 1960er Jahren auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gehegten Vorstellungen hinsichtlich der Möglichkeit der intelligenten Steuerung sozialer Systeme mittels mathematisch-kybernetischer Methoden sind sämtlich an der komplexen Dynamik gesellschaftlicher Entwicklungen zerschellt.
Es ist uns anscheinend nicht möglich, ein langfristiges Projekt über mehrere Generationen zu verfolgen. Der Erhalt unserer eigenen Lebensbedingungen ist so ein Mehr-Generationen-Projekt, denn mit der Erreichung politisch festgelegter Klimaziele bis 2050 ist es ja wohl nicht getan. Wenn wir uns sehr anstrengen und dazu noch Glück haben, werden wir den Primärenergieverbrauch einschränken und den CO2-Ausstoß senken können.
Dass wir keine Projekte über mehrere Generationen verfolgen können, hat wohl etwas mit unserem begrenzten Zeitverständnis zu tun. Der Publizist Benedikt Schulz schreibt dazu: „Sichtbare Veränderungen im natürlichen Universum sind ausnahmslos explosiv, sonst würde man sie nicht wahrnehmen. Sanft fortschreitende Veränderungen werden von Beobachtern, deren Zeit- und/oder-Aufmerksamkeitsspanne zu kurz ist, nicht gesehen. Diese geistige Falle ruft sehr kurzfristige Konzepte von Effektivität und Konsequenzhervor; einen Zustand konstanter, ungeplanter Erwiderungen auf Krisen.“
Hatte einen Förster-Onkel. Der hat zu seinem 90.Geburtstag eine letzte (und vielleicht war es auch die erste) große Rede gehalten. Der war in großer Sorge. Der hatte sechs schwere Verletzungen im Krieg an der Ostfront überlebt. Und der hatte sich so seine Gedanken machen können, machen müssen. Sein Forstrevier war ein alter Truppenübungsplatz:Kaiser, Wehrmacht, Rote Armee, NVA, NATO.
Viel Jugend auf dem Dorfplatz. Also aus seiner Sicht eigentlich alle. Und er hat genau über dieses völlig falsche Zeitverständnis gesprochen. Der hatte mit Sicherheit keinen Philosophen oder so gelesen. Der wusste einfach, was ein Baum ist, was eine Pflanze, was ein Wildtier usw. Und er wusste aus ca. 50 Berufsjahren, dass wir ALLE in unserem Tun immer den vorherigen Generationen und mehr noch den nächsten GENERATIONEN verpflichtet sind.
Und genau das Wissen ist uns beinah völlig verloren gegangen. Wir leben schon lange, als gäbe es kein Morgen. Jedenfalls sehr viele. Auch das wird uns auf die Füße fallen, denn irgendeine Form von Innehalten oder gar Umkehr ist kaum in Sicht.
Wer langsamer machen will, macht sich schon verdächtig. Wer weniger beansprucht als das Äußerste noch mögliche, outet sich als Außenseiter. Und wer gar ernstmacht mit dem Christendasein, wie etwa Drewermann oder andere, der gilt vielen dann endgültig als Spinner.
Sollten wir Skeptiker tatsächlich die letzte Hoffnung stiftenden Veränderungen, die da mit 1/100 der Schneckengeschwindigkeit daherkommen, übersehen?
Danke für den Förster-Onkel. Kann ich gut nachvollziehen, da ich selbst ein Mensch bin, der sich am liebsten in freier Natur (die schon lange keine Natur mehr ist) aufhält, vorzugsweise im Hochgebirge. Dort wird man unwillkürlich philosophisch & religiös zugleich und liest am Abend auch mal dieses oder jenes.
Den Bergen nun wird die Erderwärmung am wenigsten anhaben, obwohl es schon traurig macht, zu sehen, wie die Gletscher verschwinden.
Ich weiß ja nicht, wie alt sie sind, ich jedenfalls denke häufiger - dank Corona hat man (ich) ja viel Zeit dazu - an den Fortschrittsoptimismus der 1960er, 1970er Jahre zurück, wo wir dachten alle Probleme dieser Welt ließen sich mit menschlichem Erfindergeist und Technik lösen. Harrisburg und Tschernobyl haben diesen Glauben bei vielen grundlegend zerstört.
Aber vielleicht unterschätzen wir ja den menschlichen Einfallsreichtum, der nachweislich vom Profitinteresse des Kapitals eingeschränkt wird. Die Covid-Impfstoffentwicklung zeigt doch, was möglich ist, wenn die intellektuellen Ressourcen für einen von allen getragenen Zweck gebündelt und auch finanziert werden.
Insofern ist meine Hoffnung eher, dass wir in den kommenden 30 Jahren wissenschaftlich-technische Mittel und Wege finden, die Klimaveränderung, wenn schon nicht aufzuhalten, so doch irgendwie zu bewältigen. (Selbst der Marxist Mathias Greffrath neigt inzwischen zum Akzelerationismus.) Das scheint mir realistischer zu sein, als auf einen grundlegenden Systemwechsel zu setzen.
Ich jedenfalls neige doch ganz im Gegenteil sehr zu der Vermutung, dass "wir" die menschliche Einfallslosigkeit unterschätzen. Bisher!
Und dann gibts eben doch immer solche wie den Wenzel u.a.:
https://www.youtube.com/watch?v=KLXzRJXDlKc
https://www.aljazeera.com/news/2021/1/14/world-facing-catastrophic-temperature-rises-un
“Heat-trapping gases in the atmosphere remain at record levels and the long lifetime of carbon dioxide, the most important gas, commits the planet to future warming.”
yeh, nah, "erneuerbar"... ?
> System. Change. Now.
yeh, nah, "träge" ... ?
> 20 Jahre links von Schwarz in der Bundesregierung.
„Dass wir keine Projekte über mehrere Generationen verfolgen können, hat wohl etwas mit unserem begrenzten Zeitverständnis zu tun“
Zeitraffer oder Zeitlupe, könnte hilfreich sein:
biologische Skala: Vegetations-, und Fortpflanzungszyklen
bioselektive Skala: Bipedie, Sprechfähigkeit und Sprache, Kultur
geologische Skala: Gebirgsauffaltung, Kontinentaldrift
Mögliches Denkmuster zum Erfassen von Vorgängen der bioselektiven Skala:
Die Herausbildung von Sprechfähigkeit ist ein evolutionärer Vorgang, der sich bei kleinen Äffchen entwickelt hat, indem sie erfolgreich versucht haben, sich gegen Fressfeinde in Gruppen mittels Kommunikation zu behaupten.
Die Kommunikation innerhalb dieser Gruppen, ist ursprünglich mit Körpersprache und mit Lauten erfolgt. Aus Lauten haben sich Silben geformt, aus Silben Wörter und aus Wörtern logische Sprachkonstrukte.
Schriftsprache, fixiert auf Steintafeln oder Papyrusrollen erweitert die rein akustische Signalübertragung und Weitergabe von Lebenserfahrung und Gewohnheiten. Es ist in Teilen belegt, das diese Weitergabe zu Kontroll- und Manipulationszwecken eingeführt wurde. Zudem ist Schriftsprache im wesentlichen männlich und zum anderen willkürlich instantiiert.
Diese Autoinstantiierung von Sprache, könnte im 21. Jahrhundert grundlegend saniert werden, um die Dilemmata der Gegenwart präzise ausleuchten zu können und die Verwendung von Schriftsprache zukunftsfähig zu gestalten.
Mir scheint ein solcher Artikel, und Benennung der Causa destruktiver Wirtschaftsform, ambitionierter Journalismus. Im Verhältnis zu verschleppender, allgemeiner Darstellung in letzten Jahrzehnten doch erfrischend.
Allerdings auch hier wieder Reduzierung auf Klima verbunden. Da lassen sich dann Klimadiplomatie, -anstrengungen, -konferenzen, -ziele, und –reduktion verzeichnen.
Man gehe die Angelegenheit einmal unter dem Aspekt Artensterben / -schutz an.
Es wäre ja nur der signifikantere und düstere Teil der Geschichte. Sehr, sehr viel düsterer.
Bitte, liebe Freitagsredaktion: Reduzierung auf Treibhauseffekt haben wir ja nun schon –wie bestellt- auf breiter Ebene. Vielleicht möchtet Ihr zur medialen Ausnahme Sachverhalt konkreter, unter brisanterem und weit weniger chronologisch großzügigem Gesichtspunkt des Aussterbens von Fauna und Flora, ins Auge fassen.
Da läßt sich heute brennender Kittel nicht auf morgen und übermorgen verlegen („2050!“ Die benommenen Leute haben keine Vorstellung davon, was bis dahin und solchem Phlegma in jeder Hinsicht hinüber und landunter ist!), da er seit vorgestern lodernd, rasend verbrannte Erde zeitigt.
Da geht die Luzie tageweise ab. Nicht in Jahrzehnten.