Ein Heim für das goldene Schaumstoff-E

Ausstellung Studenten der FH Coburg haben das Berliner Buchstabenmuseum umgestaltet. Nichts erinnert nun mehr an das einstige Lagerhallen-Flair

Wände, Decke und Boden sind in Anthrazit getaucht, lösen Raumdimensionen auf, leuchtendes Neonlicht erinnert an einen Ausstellungsraum von Dan Flavin. Seitdem die Studenten der Fachhochschule Coburg das Buchstabenmuseum neu gestaltet haben, ist kaum noch etwas aus der Zeit geblieben, als es keine Ordnung gab, die Exponate systemlos herumlagen. Es waren einfach nur Buchstaben, ohne Geschichte, ohne Inszenierung. Man fühlte sich nicht wie in einem Museum, eher glaubte man, sich in einem Lagerraum zu befinden, vielleicht gar auf einem Dachboden.


Heute wirken die illuminierten Exponate im Berliner Buchstabenmuseum durch die Dunkelheit, die den Raum einnimmt, wie eine Würdigung an ihre Schöpfer, die aber größtenteils anonym bleiben. Schon Kurt Weidemann, einer der bekanntesten Typografen des 20. Jahrhunderts, war sich dieser Anonymität bewusst, sagte, die Schriftkunst hätte kein Publikum, nur vereinzelte Kenner. Seit drei Jahren versucht das Museum, einer Auswahl an Schriftzügen und einzelnen Lettern ein Publikum zu geben. Dazu tragen nun auch die Innenarchitektur-Studenten und Leiter des Projekts Neue Blicke Tolle Stücke Marcus Hahn und Wolfram Schmeisser bei. Ihnen gelingt es, den Raum wie eine unsichtbare Blase wirken zu lassen, in der ausgewählte Buchstaben Spots bilden. „Die Objekte sind derart vielschichtig, sie brauchen Aufmerksamkeit“, sagt Hahn.

Zwar scheint der dunkle Raum nach der Umgestaltung des Museums größer als zuvor, aber genügend Platz haben die Ausstellungsstücke immer noch nicht. Exponate wie der Daimler Chrysler-Schriftzug scheinen absichtlich versteckt, der Besucher muss sie in einer Nische suchen. Diese Buchstaben bleiben bedeutungslos. Einigen, die lieblos in der Ecke stehen, mutet gar Vergessenheit an.

Gesprengte Buchstaben

Durch ein R, das in seine Bauteile zerlegt wurde und als Mobile an der Decke befestigt ist, wird eine neue Perspektive erzeugt. Metallkorpus, Acryl-Front, Neonröhre, Schrauben und Muttern hängen auf Augenhöhe einzeln an transparenten Fäden und erinnern an eine Explosionszeichnung, als wäre der Buchstabe gesprengt worden. Ein weiterer Perspektivwechsel entsteht bei einem rund zweieinhalb Meter hohen Gebilde aus wirr übereinander gestapelten Buchstaben. Durch eine dreidimensionale Anordnung gewinnen die Buchstaben an Komplexität.

Andere Buchstaben sind mit Rost überzogen, und dort, wo sich in früheren Zeiten eine Neonröhre befand, hängen Kabel leblos heraus. Morbidität und Vergänglichkeit werden zum allumfassenden Thema, Dekaden werden sichtbar.
Neben dem dunklen Raum führt die Ausstellung noch in drei kleinere, weiße Räume. Durch Deckenfenster fällt Licht auf die Exponate. Im Videoraum ist das störend. Es läuft eine Szene aus dem Film Inglourious Basterds; das Kino Le Gamaar wird gesprengt. Das halb zerstörte und golden lackierte Schaumstoff-E, eine Requisite aus dem Filmstudio Babelsberg, hängt an einer Wand im Buchstabenmuseum, sehr zum Stolz der beiden Gründerinnen Barbara Dechant und Anja Schulze. „Es ist ja nicht irgendein Film, sondern Inglourious Basterds von Quentin Tarantino. Und wir haben diesen einen Buchstaben“, sagt Dechant. Für ein Buchstabenmuseum ist das sehr viel.

Buchstabenmuseum Berlin Carré, Karl-Liebknecht-Str. 13, Do. bis Sa. zwischen 13 und 15 Uhr geöffnet

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