In Hamburg wird der Heilige Krieg auf dem Postweg geführt. Er wird betrieben von Menschen, die an Stelle ihres Namens mit den Worten „Terra Christiana est“ unterzeichnen: Die Erde ist christlich. „Egal in welcher Form oder Lautstärke, falls wir den Gebetsruf hören, werden wir den Krieg beginnen und euch alle verbrennen“, heißt es drohend in einem Schreiben, das vor wenigen Wochen in der Centrum-Moschee einging. Ergänzt wird der Satz um den Hinweis, dass es in Hamburg in letzter Zeit bereits öfter zu Bränden gekommen sei. Die Einschüchterung erreichte die Gemeinde kurz nachdem bekannt wurde, dass sie regelmäßig einen Muezzin von den Minaretten der Moschee zum Gebet rufen lassen will.
Der Hamburger Brief mag in seiner d
n seiner drastischen Form eine Ausnahme sein – die ihm zugrunde liegende Abneigung gegenüber Minaretten ist höchst gewöhnlich: 32 Prozent aller Deutschen fühlen sich durch deren Bau gestört, will eine Emnid-Umfrage im Auftrag des evangelischen Magazins Chrismon herausgefunden haben. Das sind zwar weniger als die 57 Prozent an Ja-Stimmen, die beim Schweizer Referendum für ein Minarettverbot Ende November vergangenen Jahres abgegeben wurden. Aber der Streit um die baulich-religiösen Symbole breitet sich auch in Deutschland aus.Das haben zahlreiche rechtspopulistische bis rechtsradikale Gruppierungen verstanden, die das Thema mit einigem Erfolg besetzen – immer dort, wo eine muslimische Gemeinde ein Minarett errichten will. Nicht selten treten die Gegner sogar in Konkurrenz zueinander. Der vermeintliche Kulturkampf ist so auch einer um die Wortführerschaft in der Rechten geworden.Nach dem Schweizer VotumDass Menschen sich in Deutschland gegen den Bau eines Minaretts wenden, ist nicht neu – wohl aber, dass dies in einer Vielzahl von Orten gleichzeitig geschieht. So sah sich der Islamische Arbeiterverein in Aschaffenburg Anfang Dezember 2009 genötigt, der Lokalpresse vorzurechnen, dass er die Baukosten für seine neue Moschee samt Minarett ausschließlich aus Beiträgen und Spenden seiner Mitglieder bestreitet und nicht „aus Petrodollars“, wie die NPD behauptete. In Köln halten die Gegner der Zentralmoschee der Ditib-Gemeinde vor, EU-Mittel und somit deutsche Steuergelder zu verbauen. Im saarländischen Völklingen sind viele Menschen dagegen, dass die seit zwanzig Jahren bestehende Moschee um ein acht Meter hohes Zier-Minarett ergänzt wird. In Rendsburg in Schleswig-Holstein wurde bis vor Kurzem erfolglos versuchte, den Ruf des Muezzins von dort bereits stehenden Türmen zu verhindern. Und am Wochenende richten Minarett-Gegner auf Einladung der Partei „Pro NRW“ eine „internationale Konferenz für ein europaweites Minarettverbot“ aus – inklusive eines Sternmarsches auf die Duisburger Merkez-Moschee am Tag darauf.Blankes EntsetzenAuffällig ist neben der Häufung von Anti-Minarett-Initiativen die Verschiedenartigkeit der Protagonisten: Während etwa die Dortmunder „Freie Bürger Initiative“ zugleich eine „Anti-Nazi-Feuerwehr“ fordert, rekrutiert sich etwa die „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ in München dem Umfeld der NPD. „Die Debatte um Minarette ist im höchsten Maße politisiert. Und seit dem Schweizer Votum hat sie sich noch einmal zugespitzt“, sagt Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf. Daher sei es nicht verwunderlich, dass alle Rechtsaußenparteien um die propagandistische Vorherrschaft auf das Thema ringen würden.„Pro NRW“ ist dabei ein eher neuer Akteur. Hervorgegangen ist die Organisation aus der „Bürgerbewegung Pro Köln“, die unter anderem 2007 mit einer Unterschriftensammlung gegen den Kölner Moscheebau scheiterte. „Pro NRW“ hat sich Alexander Häusler zufolge das Copyright auf das Plakat gesichert, mit dem die Schweizer SVP für ein „Ja“ zum Minarett-Verbot warb, und auf dem Minarette bajonettartig die Schweizer Fahne durchbohren – in abgewandelter Form wird es bereits im Nordrhein-Westfälischen Wahlkampf eingesetzt. Damit offenbart „Pro NRW“ zugleich auch ein gutes Stück seines Selbstverständnisses, das gleichermaßen islamophob wie auf eine verquere Weise international ist: Die Partei sieht sich in der Tradition anderer rechtspopulistischer Gruppierungen wie dem belgischen Vlaams Belang oder der österreichischen FPÖ, die sich zwar als rechts definieren, aber zugleich vom Nationalsozialismus abgrenzen – unterstrichen wird das bei „Pro NRW“ auch durch eine demonstrativ zur Schau gestellte Sympathie für die USA und Israel.Grußnoten an die europäische RechteDamit verfügt die Partei über etwas, das beispielsweise die NPD in dieser Form nicht hat: Kontakte. Denn während „Pro NRW“ Grußnoten mit anderen europäischen Rechtsparteien austauscht, steht die NPD relativ isoliert da – was auch an ihrem ambivalenten Umgang mit dem Islam liegen dürfte: So wollen die „Danke, Schweiz!“-Plakate, welche die NPD nach dem Referendum drucken ließ, so gar nicht passen zu der Rede, die der Parteivorsitzende Udo Voigt 2002 auf einer Veranstaltung der islamistischen, antisemitischen und mittlerweile verbotenen „Hisb ut-Tahrir“ hielt. „Bei der NPD herrscht blankes Entsetzen, das Thema weggenommen zu bekommen. Denn es verspricht im Wahlkampf Erfolg. Deshalb versucht die Partei, irgendwie auf diesen Zug aufzuspringen“, sagt Häusler. Eine Veranstaltung vor der Duisburger Merkez-Moschee hat die NPD bereits angekündigt – für den Sonntag, an dem auch „Pro NRW“ dort demonstrieren will.Hinzu kommt, dass sich im rechten Spektrum eine Leerstelle auftut: „Die DVU steht kurz vor der Auflösung und der Abgrenzungskurs der Republikaner gegenüber den extrem rechten Parteien hat auch nicht funktioniert. Die Pro-Bewegung hingegen hat ein Thema und kann es inszenieren. Ihr fehlt nur das Personal“, sagt Häusler. Dass sich das auf längere Zeit ändern könnte, zeigt das Beispiel Patrik Brinkmanns: Als der ehemalige DVU-Mäzen „Pro NRW“ einen Betrag von fünf Millionen Euro für den Landtagswahlkampf in Aussicht stellte, beeilte er sich zu bekunden, dass er bereits in Israel die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besucht habe und beklagte die „USA-Feindlichkeit in Teilen der Linken und der Rechten“. Jahre zuvor hatte er noch in einer Rechtsaußen-Zeitschrift mit dem erstaunlichen Namen „Elemente der Metapolitik zur europäischen Neugeburt“ von einer „aggressiven amerikanischen Außenpolitik“ gesprochen.Solche Spurwechsel sind in der Rechten keine Seltenheit. Selbst unter Islam-Gegnern ist der Protest gegen Minarette etwas relativ Neues. Im Zentrum der Kritik standen lange Zeit eher Hinterhof-Moscheen. Dort gibt es keine Minarette.