Elegant und messerscharf

Kommentar Wenn Franzosen verklemmte Atlantiker sind

Nein, besonders zahlreich waren sie in Frankreich wirklich nie, schon gar keine Mehrheit - »les Atlantistes«. Manch jüngerer Leser der aktuellen Kommentare zu Frankreichs Haltung in Irak-Konflikt braucht sogar etwas Nachhilfe im Umgang mit diesem so wenig gebrauchten Wort. »Les atlantistes«, das sind jene, denen die Verpflichtungen im atlantischen Bündnis mehr gelten als die historischen Werte der »Grande Nation«. Jene Citoyens also, die vor 37 Jahren dem Nationalhelden Charles de Gaulle schwer verübelten, dass er den Austritt Frankreichs aus der militärischen Kommandostruktur des westlichen Militärbündnisses erklärte. Inzwischen ist Frankreich längst wieder drin, und so forsch wie der selbstbewusste General und Präsident 1966 die NATO-Tür zuknallen, das wollen die heute führenden Franzosen natürlich nicht riskieren.

Aber von ihren Interessen lassen, das wollen sie auch nicht. Und die sind bezogen auf Irak sowohl geopolitischer wie auch ökonomischer Natur. Man darf bei alldem nicht vergessen, Frankreich war einmal eine Weltmacht mit einem ausgedehnten Kolonialreich. Davon ist auch in den Köpfen der Franzosen, in den entscheidenden zumal, mehr geblieben als die liebevolle Pflege der Sprache Jean-Baptiste Molières, wo immer sie jemand erlernen möchte. Nicht umsonst gilt die französische Sprache als die Sprache der Diplomatie. Wenn ein französischer Präsident sein Bestreben, einen Krieg zu vermeiden, ausdrückt, dann klingt das eben geschmeidiger, sogar höflicher als aus dem Munde des deutschen Kanzlers. Auch 82 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung zu seiner Irak-Politik verleiten einen Jacques Chirac nicht zu Formulierungen, mit denen man sich unter Umständen jeden Rück-, Um- oder Seitenweg versperrt. Auch ungeschicktes Handwerk ist ebenso verpönt wie ein allzu undurchsichtiges Bandenspiel über die Medien.

Mit der Uraltbekanntschaft - geschlossen vor fast 30 Jahren zwischen dem jungen Jacques Chirac und dem jungen Saddam Hussein - darf man die geschmeidigere Irak-Politik des heutigen Staatschefs nun wirklich nicht zu begründen versuchen. Das wäre mehr als ungerecht, zumal Frankreich im Gegensatz zu den USA dem Irak ja damals nicht nur Waffen geliefert hat. Auch der zivile Handel funktionierte bestens, solange Saddams Machtgelüste nur dem eigenen Volk unangenehm auffielen.

Nein, die Franzosen halten überhaupt nichts von undiplomatisch-forschen Drohgebärden. Sie haben in ihrer langen Geschichte schließlich mit kluger Diplomatie oft mehr erreicht als mit Kriegen. Also möchten sie jetzt lieber den Einsatz der UN-Inspektoren vervielfachen und ihre Mirage 4 für eine Überwachung des gesamten irakischen Territoriums zur Verfügung stellen. In kaum einer Rede fehlt der Hinweis, dass durch den Einsatz der UN-Inspektoren bis 1998 mehr Massenvernichtungswaffen vernichtet wurden als im Golf-Krieg von Anfang 1991.

Eines können die Franzosen allerdings gar nicht vertragen. Wenn sie sich bevormundet fühlen, dann kann auch ihre Dame auf dem Posten des Verteidigungsministers messerscharf formulieren. Michèle Alliot-Marie auf der Sicherheitskonferenz in München zur Definition des Begriffes »Verbündete«: »Man kann eben nicht sagen, meine Idee ist die allerbeste und alle jene, die damit nicht einverstanden sind, müssen beiseite geräumt oder ausgeschlossen werden.«

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