Auf dem G20-Gipfel in Mexiko waren sie die Stars: François Hollande, frisch gestärkt durch die gerade gewonnene Parlamentsmehrheit, und Angela Merkel, scheinbar bestätigt durch die Wahl in Griechenland. Nachdem die Bundesregierung die Rettungsaktion für Spaniens Banken so gemanagt hat, dass es zum Zinsschub an den Finanzmärkten kam, bleiben nur noch einige Monate, um aus der selbst verschuldeten Euro-Krise heraus, statt immer tiefer hinein zu marschieren. In dieser Zeit kann Frankreichs Staatschef frei von viel innenpolitischer Gegenwehr agieren.
Nicht so die deutsche Kanzlerin, deren Krisenpolitik von Anfang an vorrangig als Innenpolitik betrieben wurde, beherrscht von Landtagswahlen, dem Zustand der Koalition, Angst vor den Märkten und dem deutschen Wutbü
Wutbürger. Eine aparte Melange aus Opportunismus, Pragmatismus und Dogmen, deren ökonomische Rationalität zweifelhaft wirkt.Wenig verwunderlich traf die eiserne Sparkommissarin im mexikanischen Los Cabos auf eine Phalanx von Kritikern. Präsident Barack Obama und Britanniens Premier David Cameron dringen zusehends ungehaltener auf eine Kehrtwende und sehen in Euroland den Hauptkrisenherd. Nicht anders optieren die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), denen die Einbrüche der EU-Ökonomien in Südeuropa auf mittlere Sicht irreparabel erscheinen. Doch die deutsche Abordnung in Los Cabos winkte ab, auch wenn die Zeichen für die eigene Exportmaschine auf Sturm stehen.Die meisten Euro-Länder drohen nicht mehr, in eine Rezession zu driften – sie haben dieses Stadium bereits erreicht. Die offizielle Statistik hinkt hinterher. Umso mehr dringen Frankreich, Italien und der ständige G20-Gast Spanien auf einen Kurswechsel. Beim Ende Juni anstehenden EU-Gipfel dürfte deshalb der Konflikt mit Deutschland eskalieren, da Hollande wohl auf seinem 120-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm für die Eurozone bestehen wird. Noch mehr Interventionsmacht als der EU-Kernstaat Frankreich können die Schwellenländer geltend machen, die in Los Cabos ein Junktim andeuteten: Nur wenn die Europäer glaubhaft erkennen lassen, dass sie die Euro-Krise rasch eindämmen, werde man sich an im April gegebene Zusagen halten, die Firewall des Internationalen Währungsfonds aufzustocken – sprich: zusätzliche Einlagen für IWF-Kredite zu mobilisieren.Goldene BrückenDa wird sich die Bundesregierung bewegen müssen. Fragt sich nur wann und wie viel. Auf dem G20-Gipfel galt es erst einmal, im Gegenwind Gesicht und Contenance zu wahren. Von der sozialdemokratischen und grünen Opposition im eigenen Land hat die Kanzlerin wenig zu befürchten. Die lässt sich mit Bekenntnissen zu Finanztransaktionssteuer und Wachstumsimpulsen abspeisen.Präsident Hollande hingegen will mehr. Und ohne oder gegen die von den Wählern extrem ermutigten Sozialisten im Palais de l‘Élysée und Hôtel Matignon ist Merkels Fiskalunion nicht zu haben. Die ansonsten von Berlin gern als Randfiguren behandelten José Manuel Barroso und Jean-Claude Juncker haben als Präsident der EU-Kommission beziehungsweise Vorsitzender der Euro-Gruppe bereits begonnen, Goldene Brücken für eine zu Kompromissen geneigte Bundesregierung zu bauen.Worin würden die bestehen? Vermutlich in einem konzilianteren Zeitregime für die Griechenland aufgezwungenen Reformen, in der Akzeptanz von Eurobonds light, um damit einen – klar begrenzten – Teil der Staatsschulden in der Eurozone zu vergemeinschaften. Auch eine Banklizenz für den ab 1. Juli geltenden Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist wahrscheinlich, ebenso ein europäischer Schuldentilgungsfonds (wenigstens als Symbol für den vielbeschworenen Schuldenabbau). Blieben eine gemeinsame Bankenaufsicht aller Eurostaaten und ein Einlagensicherungsfonds, an dem sich europaweit alle Banken beteiligen. Wäre die deutsche Politik von Anfang an imstande gewesen, rational und ohne Dogmen im Kopf mit der Krise umzugehen und der Hysterie eines Gutteils ihres Wahlvolks zu begegnen, könnte man auf diese Konstruktionen längst zurückgreifen und wüsste, was sie zu leisten vermögen.Doch blicken wir voraus: Griechenland wird vorerst Euroland bleiben, und die Regierung Merkel spätestens beim Europäischen Rat in einer Woche auf ihre Gegenspieler Frankreich und Italien zugehen müssen. Die Schwergewichte der G20 verlangen Tempo und entschiedenes Handeln und sagen unumwunden: Der Euro muss gegen spekulative Attacken immunisiert werden. Dazu braucht es den ESM, der jedoch ohne den Beitrag des IWF nur die Hälfte wert ist. Diesen Beistand haben die Schwellenländer nun an Konditionen gebunden. Und die müssen erst einmal erfüllt werden, bevor die Gelder fließen.