Eurokorps zum Hindukusch

Einstand des neuen NATO-Generalsekretärs Die Fusion von ISAF und "Enduring Freedom" in Afghanistan vorantreiben

Der Zeitpunkt war gut gewählt: Unmittelbar vor der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar hatte NATO-Generalsekretär De Hoop Scheffer den Verteidigungsministern der Allianz ganz offiziell vorgeschlagen, die beiden Militärmissionen in Afghanistan zusammen zu führen. Die knapp 6.000 Soldaten des internationale ISAF-Korps sollten künftig gemeinsam mit den etwa 10.000 GIs der Operation Enduring Freedom Terroristen jagen und den "friedlichen Wiederaufbau" am Hindukusch sichern. Obwohl besonders Berlin sofort mit der Formel "Synergien ohne Fusion" (Gerhard Schröder) bremste, bekam der Vorstoß die gewünschte Öffentlichkeit.

In wessen Namen De Hoop Scheffer - er übernahm nicht zufällig als Favorit der Amerikaner Anfang des Jahres den politischen Spitzenposten des Nordatlantikpaktes - für sein Projekt warb, war unstrittig. Donald Rumsfeld drängte seit Monaten auf ein verstärktes Engagement der europäischen NATO-Mitglieder in Afghanistan. Bisher hatte sich die NATO-geführte International Security Assistance Force (ISAF) zumindest partiell einen nichtmilitärischen Anstrich geben können - etwa bei der Dislozierung regionaler Wiederaufbauteams -, während es bei den US-Verbänden allein um ein gewaltsames Vorgehen gegen die Taleban und andere mutmaßliche oder tatsächliche Gegner der Regierung Karzai ging. Die "Erfolge" dieser Operationen sind bekannt: In den Südprovinzen reorganisieren sich Taleban-Milizen, die Zahl der Anschläge wächst beständig, Partner der US-Truppen sind regionale Warlords, denen tausendfache Menschenrechtsverletzungen, Morde, Drogen- und Waffenhandel nachgesagt und nachgewiesen wurden.

Sollten ISAF und Enduring Freedom tatsächlich fusionieren, dürfte das die inneren Konflikte Afghanistans weiter militarisieren und damit zivile Helfer stärker gefährden, als das ohnehin der Fall ist (erst vor zehn Tagen war der Helikopter eines Wiederaufbauteams von den Taleban abgeschossen worden). Überdies sähe sich die internationale Gemeinschaft - ISAF hat ein UN-Mandat - in einen ausufernden Drogenhandel verwickelt. Der um mehr Einfluss ringende Präsident Hamid Karzai würde weiter marginalisiert.

Schon ist die Rede von einer Aufstockung der ISAF-Verbände um bis zu 14.000 Mann, die aus den europäischen NATO-Staaten rekrutiert werden müssten. Die Konsequenzen lägen nicht nur bei erheblich wachsenden finanziellen Lasten - sie würden darauf hinauslaufen, dass auch in Afghanistan der Anspruch auf eine eigenständige Außen- und Sicherheitspolitik der EU zu verabschieden wäre, selbst wenn im August das Eurocorps die ISAF-Führung übernehmen sollte. Ein Oberkommandierender für die vereinte Militärmission ist schon im Gespräch: US-General James Jones.

Mit anderen Worten, die in Afghanistan engagierte internationale Gemeinschaft hätte sich durch die angestrebte Entwicklung erst recht der US-Politik unterzuordnen. Gerade im Vergleich zum Irak und dem dort bisher praktizierten Unilateralismus als offenkundig gescheiterter Strategie zur inneren Befriedung eines besetzten Landes könnte gerade Afghanistan mit seiner neuen Verfassung, den versprochenen demokratischen Wahlen, der Abrüstung von Privatarmeen und einem sinnvollen Aufbauwerk den Beweis dafür liefern, dass bei einer starken Rolle der UNO konstruktive Alternativen realisierbar sind. Die geostrategische Planung der USA zielt allerdings in eine völlig andere Richtung. Sie wurde mir und anderen EU-Parlamentariern von General Vines, dem damaligen US-Kommandeur, bei einem Briefing am 13. Juni 2003 im Headquarter der Coalition Forces in Baghram bei Kabul in aller Offenheit definiert: Man wolle "ein Afghanistan, das keine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt, langfristige Sicherheitsbeziehungen garantiert und das Recht der Vereinigten Staaten anerkennt, jederzeit nach Afghanistan zurückzukehren, wenn diese Ziele gefährdet sind."


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