Gerüstet

Linksbündig Springer-TV: Begleitchor zur künftigen Regierung?

Wirtschaftswissenschaftler und Politiker streiten darüber, warum die deutsche Konjunktur so schlecht auf die Beine kommt. Oft wird das dem Konsumenten in die Schuhe geschoben, der sich - zu pessimistisch gestimmt - im Streik befinde. Anhand der jüngeren Beziehungsgeschichte des untergegangenen Kirch- und des nach wie vor vitalen Springer-Konzerns lässt sich nun beleuchten, wie sich das deutsche Großkapital im Investitionsstreik befindet.

Es waren der Springer-Konzern und die Deutsche Bank, die seinerzeit den Kirch-Konzern in die Insolvenz trieben. Der damalige Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, bezweifelte in einem spektakulären Tagesthemen-Interview die weitere Kreditwürdigkeit Kirchs. Und Springer zog eine Verkaufsoption von Kirch-Anteilen, die weit über dem Marktwert lag, um Kirch, der sich seinerseits als Minderheitswolf im Hause Springer umhertrieb, nackt auszuziehen. Das hat damals gut geklappt. Die Bestandteile des Kirch-Konzerns lagen nun billig herum, doch deutsches Kapital traute sich nicht, sie aufzuheben. Es waren vorwiegend amerikanische Fonds, im deutschen Politsprech nun "Heuschrecken" genannt, die sie aufsammelten, vor allem die Teile Pro7/Sat1 und Premiere - und damit auch einige tausend Arbeitsplätze erhielten. Freilich, sie haben auch einige tausend Arbeitsplätze vernichtet, weil sie den aufgeblähten Kirch-Laden, der bis dahin oft politischen Kreuzzugsmotiven und bayerischen Standortinteressen gefolgt war, rationalisierten. Sat1 wurde unter anderem dadurch saniert, dass keine Mondpreise für deutschen Bundesligafußball mehr bezahlt wurden.

Pro7/Sat1 schreibt nach nur zwei Jahren wieder schwarze Zahlen, der Börsenwert hat sich vervielfacht und die US-amerikanische Heuschrecke Saban und seine Mitinvestoren ziehen sich wieder zurück. Vom Springer-Konzern und der kreditgebenden Deutschen Bank, da sind sie wieder, erhalten sie den dreifachen Wert ihres ursprünglich eingesetzten Kapitals, ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. Deutschlands gierige Fußballmanager frohlocken und glauben, nun wieder Mondpreise beim Fernsehen erzielen zu können. Deutschlands Politiker dagegen fürchten, nun nach der Pfeife von Matthias Döpfner und Friede Springer tanzen zu müssen. Diese Furcht ist jedoch nur insoweit berechtigt, wie Politiker von schwachem Selbstbewusstsein und - im Wortsinn - billig zu haben sind.

Denn schließlich sind es die Gesetze, die diese Leute machen, die es erlauben, dass sich im deutschen Fernsehen zwei Großkonzerne den Markt untereinander aufteilen und den Zugang für andere unmöglich machen können: Zum einen Bertelsmann, bisher von der SPD, und zum anderen vormals Kirch nun Springer, immer noch von der CDU protegiert. Dann gibt es noch die öffentlich-rechtlichen Sender, die, welch ein Zufall, von SPD und CDU besetzt werden. Das nennt man dann ausgewogen. Dennoch wird diesen Sendern, besser gesagt: den dort Arbeitenden zugute gehalten, dass sie eine gewisse journalistische Qualität aufrecht erhalten. Das ist noch wahr. Angesichts der Korruptions- und Schleichwerbungsaffären kann man an ihrer Zukunft aber zweifeln. Und wenn die ARD nun für das TV-Duell Schröder-Merkel ausgerechnet die von ihrer Unterhaltungsabteilung bezahlte Frau Christiansen quasi als ihre erste Journalistin ins Feld schickt, dann muss ihr publizistisches Ende wohl unmittelbar bevorstehen.

Tatsächlich hat das Manöver des Springer-Konzerns wenig mit ökonomischer Vernunft, aber viel mit politischer Frontbegradigung zu tun. Eine CDU-geführte Bundesregierung wird etliche unsoziale Grausamkeiten auf die Agenda setzen, die anspruchsvolle Umerziehungsaufgaben für die Medien nach sich ziehen werden. Springer signalisiert an Merkel: Wir sind dafür gerüstet! Im Gefolge dieses Signals - und das ist womöglich relevanter - werden Kräfteverhältnisse und publizistische Orientierung der öffentlich-rechtlichen Sender weiter nach rechts verschoben.

Sicher, das wird ein ernstes Demokratieproblem. Aber diese Medien unterminieren sich damit genau so selbst, wie es die Politik schon getan hat. Medienproduktion ist in den vergangenen Jahren viel billiger geworden. Man braucht keine teuren Druckereien mehr, auch Film- und Fernsehtechnik kann sich bereits jeder Normalverdiener leisten. Es gibt nicht nur neue Parteien, es werden auch neue Medien entstehen. Auch sie werden Gegenstand von Machtkämpfen sein, aber die Souveränität der Konsumenten wird wachsen.


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