Glut

Raucherecke Kolumne

Ich sitze gerne in der Raucherecke. Warum soll ich nach dem Mittagessen gleich wieder an die Arbeit gehen, bloß weil ich nicht rauche?

Meine Großmutter war die einzige Raucherin in der Familie. Ich liebte es, neben ihr auf dem Sofa zu sitzen, während sie rauchte. Sie benutzte eine lange, schlanke Zigarettenspitze. Sie sollte das Nikotin aus den Zigaretten ziehen, aber ich fand sie einfach elegant. Der Arzt hatte meiner Großmutter gesagt, sie solle aufhören zu rauchen, sonst würde sie nicht mehr lange leben. Sie beschloss, lieber zu sterben und lebte noch 15 Jahre. Manchmal streifte ich mit dem Arm die Glut ihrer Zigarette. Das tat weh, aber ich wich trotzdem nicht von ihrer Seite.

Als meine Großmutter gestorben war, wurde in der Wohnung meiner Eltern nicht mehr geraucht. Meine Schwester ging für jede Zigarette auf den Balkon und die übrigen Gäste verkniffen sich ihre Sucht.

Vor etwa zehn Jahren begannen meine Freundinnen, sich das Rauchen abzugewöhnen. Ich hatte einen Aschenbecher für Gäste gekauft, aber bald stand er oben auf dem Küchenschrank und staubte ein. Mein Freund hasste Raucher. Als wir zusammen in eine Wohnung zogen, durfte dort nicht geraucht werden. Er nahm Rauchern sogar in der Kneipe heimlich die Feuerzeuge weg und versteckte sie. Eines Tages öffnete ich seine oberste Schreibtischschublade und fand vierzig Feuerzeuge. Ich fand, das ging zu weit. Ich erlaubte meinen Gästen zu rauchen, wenn mein Freund nicht da war. Aber er roch es sofort, wenn er die Wohnung betrat. Das waren die Nächte, in denen er in seinem Zimmer auf dem schmalen Futon schlief und nicht mit mir im großen Bett. Dann lag er mit brennenden Augen wach und erzählte mir zum Frühstück davon.

Seit ich umgezogen bin, haben meine Freundinnen nach und nach wieder angefangen zu rauchen. Eine nach der anderen packt verschämt eine Packung Zigaretten aus und fragt nach meinem Aschenbecher. Ich freue mich, dass sie rauchen. Es ist wie nach Hause kommen. Neulich habe ich sogar mit dem Gedanken gespielt, einen Raucher zu küssen. Ich meine, es war nicht das wichtigste Kriterium, das für ihn sprach. Aber wer bin ich, dass ich um meine geheimen Motive wüsste.


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