Goldene Netzwerke

Kommentar Prozess im Falle Mannesmann

Nach der Megafusion nun also der Megaprozess. Angeklagt sind Aufsichtsräte des ehemaligen Mannesmann-Konzerns. Im Zwielicht stehen vor allem Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank, und Klaus Zwickel, der ehemalige Vorsitzende der IG Metall. Ohne Rechtsgrundlage sollen sie dem damaligen Vorstand unter Klaus Esser kurz vor dem Verkauf des Düsseldorfer Traditionsunternehmens an Vodafone fast 60 Millionen Euro an Prämien und Pensionen zugeschoben haben. Während seit Jahren der Sozialstaat immer löchriger wird und der Kabarettist Wolfgang Neuss schon in den achtziger Jahren zynisch notierte "Hurra, ich bin durchs soziale Netz gefallen, ich bin wieder unter Menschen!", gönnt sich die selbst ernannte Elite der Republik "Leistungszulagen" der besonderen Art.

Ackermann und seiner Komplizen sind keine entgleisten Irrlichter, sie sind die Kinder einer deutschen Vetternwirtschaft, die in den schwarzen Kassen von Flick und Zwick, den schwarzen Konten Kohls und den schwarzen Koffern Schäubles ihre politischen Vorläufer findet. Vor Gericht sollten sich die Angeklagten von Otto Graf Lambsdorff vertreten lassen, dem überführten Steuerhinterzieher und Ehrenvorsitzenden der FDP. So würde der Fall Esser auch äußerlich sichtbar zu dem werden, was er ist: keine Ausnahme, sondern Fortsetzung einer bundesdeutschen "Erfolgsstory".

Dieser Nepotismus lebt gewöhnlich im Verborgenen, und das ist seine Stärke. Wird er unter die Lupe genommen, wie jetzt von den Düsseldorfer Staatsanwälten, dann reagiert die Elite gereizt. Dem aus der Schweiz stammenden Banker Ackermann fehlt sogar jedes Schuldgefühl. Schließlich habe er nichts getan, sagt er, was nicht international üblich wäre. Er sieht sich als Opfer einer "typisch deutschen Diskussion." Esser geht noch einen Schritt weiter und bestreitet die Rechtsgrundlagen der Ermittlungen. Die seien "tendenziös bis willkürlich" - eben typisch deutscher Sozialneid und ein Anschlag auf die unternehmerische Freiheit.

Wenn am Rhein der Prozess eröffnet wird, sitzen Ackermann und Co nicht nur in eigener Sache, sondern auch - zumindest medial - stellvertretend für viele andere vor dem Kadi. Das ahnen längst jene Politiker, die sich ihrer guten Kontakte zu den Kommandohöhen der Wirtschaft rühmen. Deshalb warnt Wirtschaftsminister Wolfgang Clement vor einer Vorverurteilung, spricht Finanzminister Hans Eichel Ackermann sein vollstes Vertrauen aus und vermutet Angela Merkel gar einen "Schlag gegen den Wirtschaftsstandort Deutschland". Alle drei treibt die Angst, "bewährte" Ansprechpartner aus Banken und Management zu verlieren. Um so dringender wäre ein Richterspruch, der bei erwiesener Untreue zu Lasten von Mannesmann Bewährungsstrafen nicht scheut. Dass wäre zwar kein Ende der Kumpanei, aber immerhin ein kleiner Schlag gegen die Selbstverständlichkeit, mit der die feinen Herren ihre goldenen Netzwerke spinnen.

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