„Wir müssen nicht alle Engel werden“, sagt Robert Habeck gerne, wenn es um die Frage nach Verboten geht. Bald wird der Grünen-Chef im Bund zeigen müssen, ob es funktioniert: bessere Klimapolitik durchzusetzen, ohne dass die Bevölkerung auf die Barrikaden geht. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich der Politiker das vorstellt, lohnt ein Blick nach Schleswig-Holstein: Hier bastelte Habeck von 2012 bis 2018 in zwei Kabinetten als Landwirtschaftsminister an Klima-Realpolitik. Wie gut konnten die Grünen in Kiel die Bevölkerung mitnehmen – und wie gut ist ihre Ökobilanz bei Landwirtschaft, Muschelfischerei oder Windenergie?
Habecks erste Herausforderung war in der SPD-Grünen-Regierung zusammen mit dem Südschleswigschen W
chen Wählerverband (SSW) ab 2013 der Schutz der „Knicks“, der landestypischen bewachsenen Wälle an den Feldrändern. „Wir hatten diesen Punkt als wichtig benannt, und er hat sich der Sache angenommen“, sagt Fritz Heydemann vom Naturschutzbund NABU.Mehr Knickschutz, das hieß, Beschränkungen durchzusetzen: Beim Bauerntag 2013 musste sich Habeck dem Zorn von gut 1.000 Landwirten im Saal stellen. Der Grüne ließ sich nicht einschüchtern. Mit Protesten könne er gut leben, immerhin sei seine Partei mit Demos groß geworden, sagte er dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (shz). In seiner Rede forderte er ein Umdenken, auch im Interesse der Bauern selbst, schließlich sei ihre Strategie beim Erhalt der Landwirtschaft nicht sonderlich erfolgreich.2017 dankte Bauernverbandspräsident Werner Schwarz Habeck dann für seine „moderaten Töne“. Inzwischen gehörte der Grüne dem Jamaika-Kabinett unter Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) an, aber die Knickschutzverordnung gilt weiter und ist „mit Abstand das beste Regelwerk in dem Bereich, das wir je hatten“, sagt Fritz Heydemann vom NABU. Er lobt Habecks Geschick, mit dem er den Konflikt moderiert habe. Dort, wo die Naturschutzbehörden mitzögen und Landwirte kontrollierten, gehe es den Knicks merklich besser.Bei der Windenergie-Planung jedoch stieß der Ansatz, möglichst viele Interessengruppen früh einzubeziehen, an seine Grenzen. Das Land hatte gute Erfahrungen mit Bürgerwindparks gemacht, bei denen ganze Dorfgemeinschaften am Verkauf des Ökostroms mitverdienen – auch deshalb zählte Schleswig-Holstein zu den Vorreitern beim Aufbau von Mühlen. Daher wollte die „Küstenkoalition“ aus SPD, Grünen und SSW, dass Kommunen selbstständig „die Planungen auf ihren Windeignungsflächen in die Hand nehmen“, so Habeck 2012. Das Ziel war, den Ausbau zu beschleunigen und Proteste zu vermeiden.Doch Klagen, gleichermaßen von Windmüllern und Mühlengegnern, verhinderten das: Beide Seiten verlangten klare Regeln. Das Landesverfassungsgericht gab ihnen recht, das Land musste seine Windkraftplanung überarbeiten. 2016 überraschte Habeck dann mit dem Vorschlag, das Tempo beim Ausbau der Windkraft zu bremsen: Die Stimmung im Land verändere sich, und „wir wollen nicht Energiewende mit der Planierraupe betreiben“, sagte er damals dem shz. Zwar ist Schleswig-Holstein seit Jahren Windstrom-Exporteur, aber das erklärte Ziel Habecks, zwei Prozent der Landesflächen für die Windenergie zu nutzen, ist 2021 noch nicht erreicht.Beendet hat Habeck dagegen den Dauerstreit zwischen Fischerei und Naturschutz um Muschelgründe im Nationalpark Wattenmeer. „Mit Messern zwischen den Zähnen haben die sich seit der Gründung des Nationalparks 1985 bekämpft“, erinnerte sich Habeck im Gespräch mit der taz. 2015, nach schwierigen Verhandlungen, schlossen die Erzeugergemeinschaft der Fischer auf der einen und fünf Naturschutzorganisationen auf der anderen Seite dann den „Muschelfrieden“. In einer Erklärung sprachen die Verbände von einem „Durchbruch für den Schutz des Wattenmeers“, wenngleich getrübt dadurch, dass Fischerei auf Wildmuscheln weiter erlaubt bleibe.Wie viel Umwelt bleibt bei einem solchen „Frieden“ auf der Strecke? Das Landesnaturschutzgesetz von 2015 jedenfalls nannte der NABU „vollkommen enttäuschend“.Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein, lobt zwar Habecks Verhandlungsgeschick: „Er hat eine andere Gesprächskultur eingebracht, weg von den Konfrontationen der Vorgängerregierungen zu einem kommunikativen, diskursiven Stil.“ Allerdings, so Eggers: „Trotz alldem hat er leider nicht viel bewirkt.“ Im Kleinen, auf Landesebene, betrachtet, blieben die Ergebnisse der Habeck’schen Maßnahmen teils sogar hinter denen anderer Bundesländer zurück. Im Großen seien die Pläne der Grünen angesichts der rasanten Erderwärmung deutlich zu zaghaft, sagt der BUND-Vertreter. „In den kommenden Jahren werden wir richtig Tacheles reden müssen.“ Seine bange Frage: „Ob Habeck sich das traut?“Placeholder authorbio-1