Hoffnung am Reißbrett

Beispiel Dongtan Millionen Chinesen drängen in die Städte und China sucht neue Konzepte. Nachdem Dongtan gescheitert ist, sollen Öko-Städte von unten wachsen – zumindest ein bisschen

Chinas Stadt der Zukunft ist Vergangenheit. Dongtan sollte eine CO2-freie Muster-stadt werden im Reich der Mitte, auf dem Reißbrett komplett neu entworfen: eine autarke Stadt, die ihre eigene erneuerbare Energie erzeugt und dabei Ökologie und Ökonomie mit Wohn- und Lebensqualität eng miteinander verzahnt. Aus den Plänen wurde nichts.

Entstehen sollte die grüne Null-Emis­sions-Stadt Dongtan auf 84 Quadratkilometern am östlichen Rand der Jangtse- Insel Chongming. Eine Milliarde Euro wollte das benachbarte Shanghai dafür zunächst investieren. Das britische Ingenieurbüro Arup sah Dongtan noch vor Masdar als erste Ökostadt der Welt. Die Gebäude sollten maximal sechs Stockwerke hoch sein und bis zu 70 Prozent weniger Energie verbrauchen als herkömmliche Bauten. Begrünte Dächer wurden in den Plänen zu Wasserfiltern oder -speichern. Zudem sollten ausschließlich erneuerbare Energien genutzt werden: Solarzellen- und kleine Windkrafträder auf den Dächern, ein Windpark außerhalb der Stadt sowie Biogas, das aus einem Abfallprodukt der Reismühlen in der Region und anderem organischen Stadtmüll gewonnen werden sollte. 100 Prozent aller organischen Abfälle und 90 Prozent der sonstigen Abfälle sollten recycelt werden.

Wäre die Idee realisiert worden, hätten im letzten Jahr - am Ende der ersten Bauphase - bereits 30.000 Menschen in Dongtan gelebt, später eine halbe Million. Auf der Expo 2010 in Shanghai wollte China der Welt mit Dongtan eine andere, nachhaltige Klimaseite zeigen. Doch im Programm tauchte das Projekt irgendwann gar nicht mehr auf. Lediglich ein paar Windturbinen zeugen noch von den ehrgeizigen Plänen. Offiziell hieß es, ein Vogelschutzgebiet auf Chongming sei gefährdet gewesen – obwohl genau deshalb eine mehrere Kilometer breite Pufferzone zwischen Naturschutzgebiet und Stadt eingeplant worden war. In Wirklichkeit dürften Finanzierungsprobleme für das Ende der Vorzeige-Ökostadt gesorgt haben und auch der Vorwurf, dass die örtlichen Gegebenheiten und die Menschen zu wenig in die Planungen einbezogen wurden.

Einen völligen Rückzug aus der ökologischen Stadtplanung kann China sich nicht leisten. Hunderte Millionen Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten vom Land in die Stadt fliehen. Zwischen Tjianjin und Peking ist nun eine neue Ökostadt geplant. In Wanzhuang leben bislang rund 100.000 Menschen in 15 Dörfern. Anders als in Dongtan sollen sie diesmal in- volviert werden und auch topografische Bedingungen sollen stärker berücksichtigt werden. Umbau statt völliger Neubau heißt die Formel. 2025 sollen nahezu 400.000 Menschen in Wanzhuang leben.

Mit Lingang New City soll am Rand von Shanghai eine weiteres Ökostadt entstehen. Ein riesiger See mit zweieinhalb Kilometern Durchmesser in der Mitte der Stadt soll den erhofften 800.000 Einwohner natürliche Erholung bieten, das Klima verbessern, für die Wasser­versorgung der Bewohner sorgen und den Autoverkehr an den Rand drängen.

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