In der Grauzone

Medien Die SPD-Parteizeitung Vorwärts steht erneut wegen ihrer Werbepraxis in der Kritik. Ein PR-Text hat sich in den redaktionellen Teil verirrt. Versehen oder Absicht?

Bei der SPD sorgt man sich noch um die Finanzen der Bürger – zumindest wenn man dem Parteiorgan Vorwärts glauben darf. Sowohl Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, als auch die SPD-Fraktion im Bundestag fordern auf Seite 24 der aktuellen Ausgabe nachdrücklich einen „TÜV für Finanzprodukte“.

Den gibt es allerdings noch nicht – das sollte die Genossinnen und Genossen jedoch nicht davon abhalten, das eigene Geld schon mal anzulegen. Risikoarm natürlich. Und bei voller Kostenkontrolle. Einen Tipp, wo man ein solches Wundermittel der Finanzwirtschaft heutzutage noch finden kann, steht übrigens auch im Vorwärts. Auch auf Seite 24. Direkt über dem Zypries-Artikel.

Unter der Überschrift „Wohin mit dem Ersparten“ rät Stefan Serret den Leserinnen und Lesern zu Fonds, die solide Renditen bei hoher Sicherheit versprechen. Und auch die Frage nach der richtigen Bank kann Serret einfach beantworten – er arbeitet schließlich für eine. Serret ist Leiter Portfolio Management der SEB AG. Und von seinen Produkten ist er selbstverständlich auch überzeugt – so überzeugt sogar, dass er sie der Vorwärts-Leserschaft mit warmen Worten anpreist.

Diese offensichtliche Werbung ist allerdings nicht als solche gekennzeichnet. Dabei ist das eigentlich vorgeschrieben. Die Bank wird vielmehr als „Kooperationspartner“ des Vorwärts eingeführt und der Artikel mit einem leichten Grau unterlegt. Zusätzlich findet man im Heft auch eine ganzseitige Anzeige des Unternehmens, dazu noch ein Werbebanner auf der Webseite. Und damit wirklich möglichst wenige Leser die Botschaft übersehen, liegt der aktuellen Vorwärts-Ausgabe noch ein Prospekt bei, der über die Vorzüge der Bank informiert.

An letzterem ist nichts zu kritisieren. Doch wenn ein Unternehmen Werbetexte im redaktionellen Teil platziert, ohne dies entsprechend zu kennzeichnen, ist das ein Problem. PR-Strategen nutzen gern die Glaubwürdigkeit der Presse für ihre Zwecke und bewerben ihre Produkte in diesem Umfeld. Das darf nicht sein - und ist mittlerweile doch gängige Praxis geworden. Schließlich ächzen die Medien unter hohen Produktionskosten und fallenden Anzeigenpreisen. Da ist für manche die Versuchung groß, die unmoralischen Angebote der PR-Agenturen anzunehmen - selbst wenn man damit die eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen sollte.

Damit soll nicht behauptet werden das Vorwärts hätte sich verkauft. Die Redaktion gab auf die mehrfach gestellten Fragen des Freitag zwar keinen Kommentar ab, doch Alexander Richter, Geschäftsführer des Vereins Netzwerk Recherche, beurteilt die Seite 24 insgesamt als im "Graubereich". Die Abgrenzung zum redaktionellen Teil besser gemacht werden können. "Das kleine Wörtchen Anzeige hätte hier die Angriffsfläche verringert", so Richter.

Doch es ist nicht das erste Mal, dass das Vorwärts wegen seiner Werbepraxis in der Kritik steht. Schon 2007 gab es Diskussionen um das SPD-Blatt. Damals druckte der Vorwärts Anzeigen der Tabakindustrie, obwohl Zigarettenwerbung schon verboten war. Die Tabakkonzerne argumentierten damals, es handle sich bei den Anzeigenmotiven nicht um Werbung für Zigaretten, sondern um eine Imagekampagne des eigenen Unternehmens. Vor Gericht bekamen sie damals Recht.

Trotzdem riss die Kritik am Vorwärts nicht ab. So wurde schließlich bekannt, dass ein Tabakkonzern Sommerfeste der SPD-Zeitung finanzierte und Vorwärts-Chefredakteur Heye in der Jury eines vom gleichen Konzern vergebenen Journalistenpreises saß und auch die Laudatio hielt.

Konsequenzen wurden an anderer Stelle gezogen: Sabine Bätzing, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, gab im Zuge der Kontroverse ihre Stellung als Herausgeberin der SPD-Zeitschrift Berliner Republik auf, in der die Tabakanzeigen auch erschienen waren.

Das Thema Werbeverbote beschäftigt den Vorwärts aber weiter. In der aktuellen Ausgabe lässt die Redaktion zwei Fachleute darüber diskutieren, ob weitere Verbote sinnvoll sind oder ob sie die Meinungsfreiheit einschränken.

Über die Trennung von Anzeigen und redaktionellem Teil steht in der Kontroverse nichts.

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