Kampf um die Köpfe

Die ARD-Studie zum Operationsgebiet Ost Die DDR-Medien scheiterten zuallererst an der Medienpolitik der SED

Ene, mene, muh und raus bist du. Könnte so das Spiel heißen, das von der ARD-Studie über den Einfluss der Stasi auf die elektronischen Medien in Ost und West nun in Gang gesetzt werden sollte? Die Medienerwartungen waren hoch. Namen kursierten bereits im Vorfeld der Veröffentlichung, und es ging die Rede von investigativer Populär-Wissenschaft. Wenig und eher am Rande ist davon in dem Bericht zu lesen, jedenfalls in der von 1.095 auf 450 Seiten gekürzten Fassung, die am 19. Juli von der ARD vorgestellt wurde.

Knapp drei Jahre haben Wissenschaftler des "Forschungsverbundes SED- Staat" im Auftrag der ARD fleißig die einschlägigen Archive durch geforstet, rund 200.000 Seiten der Stasi-Unterlagenbehörde studiert und schließlich das gesammelte Material mit politologischem Furor zur Studie vernetzt. Nun, nachdem der Untersuchungsgegenstand seit immerhin 15 Jahren nicht mehr existiert, bietet die Analyse im Ganzen keine substantiell neuen Erkenntnisse zur Stasi als "Schild und Schwert der Partei", bringt aber einige sorgfältig recherchierte Beispiele der versuchten, aufgeflogenen und gelungenen Medienkontrolle durch den Geheimdienst. Seine Strukturen, Strategien und Ziele sowohl in den heimischen Gefilden als auch im "Operationsgebiet West" werden dargestellt und manche Geschichte sowie etliche Dokumente auch zum ersten Mal öffentlich. Durch die Einbettung der obskuren Aktivitäten in zeitgeschichtliche Entwicklungen wie Fluchtbewegung und Mauerbau 1961, Prager Frühling 1968, die Auswirkungen der Schlussakte von Helsinki 1975, Glasnost und Perestroika Mitte der achtziger Jahre macht die Studie das Dauerdilemma der DDR und ihrer Medienpolitik deutlich: Der propagandistische "Kampf um die Köpfe unserer Menschen" war weder durch Unterwanderung der Westmedien noch durch verschärfte und gezielte Einflussnahme in den Adlershofer Redaktionsstuben zu gewinnen.

Allerdings stand das MfS auch in diesem Irrglauben der Partei bis zum bitteren Ende treu zur Seite. Sicher die hirnrissigste mediale Manipulierung fand mit der "Menthol-Zigaretten-Story" über einen angeblich in den Westen entführten Mitropa-Kellner im Herbst 1989 statt - eine untaugliche Reaktion auf die Flucht- und Ausreisewelle. Da guckte das Volk, was es zum Leidwesen seiner verständnislosen und ignoranten Führung sowieso zu oft gemacht hatte, nonstop und gewissermaßen kollektiv die "Feindsender", um überhaupt etwas über die Vorgänge im eigenen Land zu erfahren. Tatsächlich hatten die DDR und ihre Medien - Stasi hin, Stasi her - längst ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Es waren nicht so sehr die West-Journalisten und die Wirkung ihrer Berichte auf die DDR-Bürger, die "auf Dauer für das Regime nicht verkraftbar" waren, wie WDR-Chef Fritz Pleitgen feststellte. Die eigenen Fehler, den Mangel an Demokratie und Meinungsfreiheit hat die DDR nicht verkraftet. Als ihre Bürger mit der Korrektur begannen, die einheimischen Medien zu einem Medienereignis mit traumhaften Einschaltquoten wurden und das Land bunt, da war das historische Hinspiel schon verloren. Das ging dann ganz einfach: Ene, mene, muh und raus bist du.

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