Im Anschluss an einen Arbeitstag mit den üblichen Überstunden bis Mitternacht entspannen japanische Männer sich gern bei Computerspielen. Beliebt sind dabei nicht nur die üblichen Ballerspielchen, sondern auch Vergewaltigungssimulationen. "Rapelay" nennt sich eine der populärsten. Es klingt unglaublich, aber die Aufgabe in "Rapelay" lautet, eine Frau und ihre zwei minderjährigen Töchter zu vergewaltigen. Schwängert der Spieler eines seiner Opfer, muss er es dann zur Abtreibung zwingen oder sich vor einen Zug werfen.
Drei Jahre ist das Spiel schon auf dem Markt. Anfang der Woche beschloss nun die Ethikkommission der Softwarehersteller in Japan nach Protesten, Simulationsspiele wie "Rapelay" aus ihrem Angebot zu verbannen. Auf die Nachfrage von Journalisten bei mehreren japanischen Elektronikhändlern, die diese Spiele anbieten, sagten aber einige, dass sie den Verkauf nicht stoppen wollen. Seine Firma habe von der Ethikkommission nichts gehört und plane auch nicht den Verkauf von Vergewaltigungssimulationen zu stoppen, sagte ein Sprecher der Handelskette "Yodobashi Camera" der Nachrichtenagentur Bloomberg.
Wie ist so etwas möglich? Manche Gesellschaftskritiker erklären die Popularität der Vergewaltigungssimulationen mit Japans patriarchalischer Gesellschaft - zu weiblichen Tugenden zählt hier die Unterwerfung gegenüber dem Ehemann. Keine verführerische Femme Fatale, keine selbstbewusste Frau, sondern eine sittliche und keusche gilt als Ideal. Sexueller Missbrauch in der Ehe ist alltäglich, gilt jedoch als Privatsache. Die erduldende Ehefrau wird dann im PC-Spiel zum erduldenden Opfer.
Auch die pornografische Darstellung von Mädchen ist ein Bestandteil japanischer Gegenwartskultur: Unter der Bezeichnung „Lolicon“ (kurz für: Lolitakomplex) werden PC-Spiele, Manga und Anime vertrieben, in denen Sex mit Minderjährigen zu sehen ist. Die japanische Regierung hat Kinderpornografie zwar im Jahr 1999 zum Delikt erklärt, die virtuelle Darstellung kinderpornografischer Inhalte ist jedoch von dem Gesetz ausgenommen.
Die juristische Lücke dient als lukrative Quelle für Unternehmen wie "Illusion Software", die Macher von "Rapelay". Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass es bei "Rapelay" weniger um sexuelle Gewalt gehe, als vielmehr um die "Eroberung" der Frau und der Töchter. Die virtuellen Opfer werden darauf programmiert, nach dem anfänglichen Leid auch Lust an der Vergewaltigung zu zeigen. So werden sexuelle Übergriffe krass verharmlost.
Die hohe Nachfrage nach den Simulationen erklärt sich aber nicht nur durch kulturelle Eigenheiten Japans, sondern auch durch die soziale und wirtschaftliche Lage des Landes: Denn die Vergewaltigungssimulationen sind besonders bei der so genannten "Lost Generation" beliebt. Ihre Mitglieder, die während der wirtschaftlichen Rezession der 90er Jahre aufwuchsen, sind heute zwischen 25 und 35 Jahre alt. Sie kommen in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt – mit mauen Karriereaussichten. Nur selten finden sie eine feste Anstellung, müssen sich größtenteils mit zeitlich begrenzten Arbeitsstellen zufrieden geben. Oder sie gehören zu den 4,5 Millionen Arbeitslosen in Japan.
Die wenigsten unter ihnen können sich eine eigene Wohnung leisten, geschweige denn eine Familie gründen und ernähren. Viele von ihnen leben bei ihren Eltern und werden unverhohlen als "Parasite Singles" bezeichnet. Im hierarchiebewussten und leistungsorientierten Japan, wo berufliches Scheitern synonym ist für persönliche Schmach, sind diese Männer Menschen zweiter Klasse. Die Stigmatisierung schürt Unzufriedenheit, die sich dann Ventile wie "Rapeplay" sucht.
Dass allein eine Selbstverpflichtung der Software-Produzenten den Vergewaltigungssimulationen ein Ende bereitet wird, ist zweifelhaft. Dafür bräuchte es wohl tiefgreifendere Änderungen in der japanischen Gesellschaft. Mehr Respekt gegenüber Frauen wäre ein Anfang.
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