Krökeln im Dunst

Sportplatz Kolumne

Wieder einmal Kampf des Menschen gegen die Maschine. Diesmal ging es nicht um Arbeitsplätze oder die Schach-WM. Dieses Mal ging es um Soccern (Profisprache), Krökeln (Hannoveraner Ausdruck), Wuzzeln (in Wien), Foosball (England/USA/Südafrika), Tischfußball oder einfach Kickern. Freiburger Informatiker haben einen Kickerautomaten erfunden, der in seiner Weiterentwicklung auch für geübte Spieler nicht leicht zu bezwingen ist. Bei einem Turnier auf der Nürnberger Messe IMA gewannen von 130 Partien die menschlichen Strategen gerade einmal fünf. Spielmodus und Auswahl begünstigten allerdings eher den elektronischen Herausforderer. Innerhalb von drei Minuten sollten ausstellende Messebesucher, sicherlich nicht besonders geübt im Kickern, allein gegen "Starkick" antreten. Zu zweit war es eine leichtere Angelegenheit, den Sieg zu erringen. Erfahrung, Abstimmung mit dem Partner, schräge Schüsse und der Zufall waren entscheidend. Der wesentliche Vorteil der künstlichen Kickerintelligenz besteht darin, ihre vier Stangen aufeinander abgestimmt zu koordinieren und aus allen Lagen den Torschuss zu wagen.

Wegen seiner etwa 25.000 Euro Kaufpreis wird der Roboter in Zukunft höchstens ausgeliehen werden, etwa zu Veranstaltungen wie der Fußball-WM oder großen Tagungen. Vertreter herkömmlicher Tischfußballgeräte sehen keine Gefahr für ihr Geschäft. "Keine Action", "zu schneller Verschleiß" oder schlicht "zu teuer", finden die etablierten Hersteller und bleiben gelassen ob der künstlichen Konkurrenz.

Grundsätzlich muss man zwei Kickerhemisphären unterscheiden: Die einfachen, aber ästhetischen Geräte in Spielhallen, die lediglich der Sortimentsabrundung dienen, stehen denen in der Welt der Kneipenkicker entgegen. Letztere bieten meist robuste Leonhart- (von Löwen-Sport vertrieben) oder Lehmacher-Tische. Saarländische Förster-, italienische Garlando- oder amerikanische Tornadotische trifft man sehr selten an, obwohl auf denen die Meisterschaften ausgetragen werden. Hält man sich vor Augen, welche Kräfte und Flüssigkeiten im Laufe seines Lebens auf einen Kickertisch einwirken, erscheint sein Preis von rund 1.800 Euro gerechtfertigt. Ein solches Gerät kann wahrlich als Kapitalanlage betrachtet werden, weil es nach zehn Jahren Kneipendasein immer noch nah an den Neupreis heran kommt. Zubehör - von der Stange über die Figur bis zum Kickschutzbügel - wird reichlich angeboten.

Kickern ist ein Breitensport. Die fachgemäße Ausrüstung, richtige Psychologie und die ersprießlichsten Tricks werden in Internet-Foren diskutiert. Besonders eindrucksvoll ist die Seite von Kickerweltmeister Dieter Thiele. Hier werden Lern- und andere Videos angeboten, auf denen man z.B. den Bandenschuss von der 2er-Reihe optisch einstudieren und Thiele bei seinen Fernsehauftritten bewundern kann.

Beim Spiel Mensch gegen Maschine wird Starkick in naher Zukunft wohl nicht zur Weltspitze. Dieser Wettkampf könnte jedoch spannend werden, wenn die Roboterentwickler genauso eifrig zu Werke gehen wie bisweilen Turnierspieler. Schade eigentlich, dass man keine klare Verbandsstruktur im deutschen Tischfußball erkennt. Es gibt zwar eine Bundesliga und sogar eine nationale Auswahl. Eine unübersichtlich große Menge an Ligen, regionalen Bündnissen und eine fehlende Struktur an der Basis werden Soccern bestimmt nicht zur olympischen Disziplin küren. Vielleicht ist diese Sportart im Dunstkreis von Kneipen und Clubs auch besser aufgehoben.


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