"Löschen oder sperren?" Reloaded

Netzgeschichten Unionspolitiker drängen wieder auf Netzsperren gegen Kinderpornografie. Dabei legen Zahlen des Bundeskriminalamts nahe: Löschen ist wirkungsvoller als Sperren

Der Protest gegen den Aufbau einer Infrastruktur für Internetsperren könnte wieder auferstehen, wenn auch nicht mehr unter dem Namen Zensursula – Namensgeberin von der Leyen hat ja die Zuständigkeit gewechselt.

Das Innenministerium hatte vor rund einem Jahr das so genannte Zugangs­erschwerungsgesetz ausgesetzt. Seit einigen Wochen drängen Unionspoli­tiker wieder auf die Einführung von Netzsperren gegen Kinderpornos und argumentieren mit Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA). Doch die neuesten dieser Zahlen legen nun gerade den Erfolg des Alternativ-Prinzips „Löschen statt Sperren“ nahe.

Bei Webseiten, die auf deutschen Servern liegen, ist das Löschen unproblematisch. Geht es um Internetseiten aus dem Ausland, benachrichtigt das BKA die dort zuständigen Behörden. Bisher hieß es, das funktioniere nur mittelmäßig. Belegt wurde das mit Statistiken, die zeigen, dass eine Woche nach der Meldung sehr viele der gemeldeten Seiten weiter online waren. Nun haben Bundestagsabgeordnete vom BKA erstmals Zahlen über den mittelfristigen Löscherfolg erhalten, und die lesen sich anders: Von 143 im Januar gemeldeten ausländischen Internetseiten war nach einer Woche zwar noch fast ein Drittel erreichbar. Nach zwei Wochen aber nur noch zehn Seiten, nach vier Wochen bloß noch eine.

204 von 208

Die Ergebnisse überraschen nicht, ähnliche Zahlen veröffentlichte bereits im Januar die Beschwerdestelle von Eco, dem Verband der deutschen Internetwirtschaft: Von 208 gemeldeten ausländischen Seiten wurden im vergangenen Jahr 204 gelöscht, zwei als legal ein­geschätzt. Eine Webseite wurde von Kanada in die USA verlegt und später gelöscht. Nur eine Seite „konnte wegen des späten Meldezeitpunkts nicht mehr im Jahr 2010 beseitigt werden“.

Das BKA favorisiert dennoch das Konzept „Löschen und Sperren“. Der Zugang soll so lange erschwert werden, bis die Webseite entfernt ist. Egal, wie gut das Löschen funktioniert, Netzsperren ließen sich so immer begründen.

Die Vermutung liegt nahe, dass das BKA – „im Einvernehmen“ mit dem Innenministerium ­– aus nur einem Grund bislang Zahlen über den Zeitraum einer Woche erhoben hat: Sie sollten das Löschen als nicht effektiv darstellen, die Notwendigkeit von Netzsperren begründen. Schließlich weiß das BKA, dass Netznutzer den Aufbau einer Sperrinfrastruktur kritisch sehen. Bei Unionspolitikern aber wirken die geschönten Zahlen. Vielleicht, weil die Stammwähler mit dem Netz so wenig zu tun haben, dass sie jeder Statistik glauben würden.

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