Erregungssucht, Hass und Filterblasen – die Schattenseiten der sozialen Medien sind bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie auf das Grundlegendste einwirken, das der Mensch hat: seine Sprache. Wie in einem Schnellkochtopf beschleunigen Facebook, Instagram und Co. den Veränderungsprozess der Sprache. Da die Netzwerke vor allem auf Text basieren, gilt das besonders für die Schriftsprache.
Die Schriftsprache ist ein System aus Normen und Regeln, das von der Alltagssprache abweicht. Man schreibt, wie man nicht spräche. Auch wenn in den sozialen Medien viel geschrieben wird, ist es da anders. Die Texte dort imitieren überwiegend mündliche Kommunikation. Man schreibt also, wie man spricht. Die Texte missachten damit die Regeln der Schriftsprache, ihre Satzstruktur ist weniger komplex. Suchte man ein neues Babel, es wäre in den sozialen Medien bereits errichtet. Mündlich verständlich verbindet sich mit schriftlich falsch.
Die Babel-Medien setzen voraus, dass man sich im Wirrwarr nicht verwirren lässt, sondern zwischen Geschreibsel und korrektem Schreiben unterscheiden kann. Und man dazwischen springen kann. Hier wird es ungerecht. Diese Sprachkompetenz kann bei älteren Leuten vorausgesetzt werden, einfach, weil ihre lexikalischen Fähigkeiten schon ausgebildet waren, als sie in das Internet-Babel geworfen wurden.
Im Selbstgespräch
Jüngere Leute, die in den 2000ern geboren wurden, hatten dieses Glück nicht mehr. Seitdem sie lesen und schreiben können, bewegen sich die jungen Menschen im Netz. In der Schule lernen sie schreiben, auf dem Smartphone wenden sie es an, so sind sie ständig mit der falschen Schriftsprache konfrontiert. Das kann nur zu Verwirrung und Fehlern führen. Die jungen Leute sind die Leidtragenden dieser Entwicklung. Sie müssen ausbaden, dass die Erwachsenen verschlafen haben, sie für die schriftlichen Absonderlichkeiten im Netz zu sensibilisieren.
Hinter der mangelhaften Sprachkompetenz steckt eine geringe Fähigkeit, die Medien nicht nur zu nutzen, sondern sie auch zu reflektieren. Nur wer sich über die Regeln und Normen der Social-Media-Welt und der alten Textwelt im Klaren ist, kann sich in beiden sicher bewegen.
Die Texte im Babel-Universum sind Essenzen im Miniaturformat. Mit ihren wenigen hundert Zeichen können sie der Komplexität der Welt nicht gerecht werden. Wenn sich viele Jugendliche aber nur mit diesen Essenzen beschäftigen, lernen sie nicht, lange, komplexe Texte zu verstehen. Wie sollen junge Menschen, die Probleme mit schwierigen Texten haben, durchs Leben gehen? Denn wer die Welt gestalten will, muss sich ihrer Komplexität stellen. Dafür braucht es den komplexen Text, weil der Mensch nur mit ihm das komplexe Denken lernt. Denken ist das Gespräch des Menschen mit sich selbst. Wer schreibt, der übersetzt dieses Selbstgespräch in einen Text und macht es für andere nachvollziehbar. Wer liest, der nimmt am Selbstgespräch eines anderen teil. Lesen und Schreiben sind Formen des Denkens, also des stummen Sprechens. Wer sprechen lernt, der lernt denken. Und wer denken will, der muss sprechen lernen. Das heißt: Sprache ist der menschliche Zugang zur Welt, weil sie das Denken ermöglicht. Die Sprache ist das Grundlegendste, das der Mensch hat.
In der Alltagssprache nutzen viele Menschen „erzählen“ als Synonym für „sprechen“. Das ist klug, denn das Erzählen ist tatsächlich so, wie das Sprechen sein sollte. Eine Erzählung ist die anschauliche, geordnete Wiedergabe eines Sachverhaltes. Eine Erzählung unterstellt dem Erzählten einen Sinnzusammenhang, sie ist ein Stück Interpretation der Welt. Indem der Mensch erzählt, schafft er Ordnung in der Unordnung der Welt. Nur im Erzählen lässt sich die Welt verstehen.
Digitales Spiel kann literarischen Text nicht ersetzen
Der denkende Mensch muss also erzählen können. Für meisterhafte Erzählungen gibt es eine Form: die Literatur. Wer erzählen lernen will, ist mit Literatur also gut bedient. Jetzt wird deutlich, wozu die komplizierten Ausführungen der vergangenen Zeilen dienen. Sie sollen zeigen, dass die scheinbar antiquierte Predigt, mehr Bücher zu lesen, ihre Berechtigung hat.
Bei jungen Leuten ist das nicht angesagt. Laut einer Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest greifen nur noch 40 Prozent aller Gymnasiasten regelmäßig zu einem Buch. Aber 70 Prozent spielen digitale Games. Das ist zwar keine Weltflucht, denn viele Computerspiele sind komplex. Sie funktionieren ähnlich wie Literatur und erzählen fiktionale Geschichten in fiktiven Welten. Die Spieler müssen Probleme lösen. Das erfordert Fingerfertigkeiten und Gehirnschmalz. Doch das digitale Spiel kann den literarischen Text nicht ersetzen. Eben weil es die Grundlage des Menschlichen überspringt: den Fokus auf die Sprache. Am Ende des Tages müssen wir mit dem Nachbarn kommunizieren, der Chefin eine Mail schreiben oder uns zu den Ungeheuerlichkeiten in der Welt positionieren. Mit einem Game lernt man das nicht.
Das Digitale ist für die jungen Menschen attraktiver, weil es einen direkten, lustvollen Bezug zu ihrer Lebensrealität herstellt. Auf der anderen Seite steht die Schule, die alles daransetzt, ihren Schülern die Lust an Literatur zu vermiesen. Muss man Schülerinnen in der achten Klasse mit Schiller traktieren? Was will Literaturvermittlung? Einen Kanon vermitteln oder Menschen für die Kraft der Literatur begeistern? Dafür muss man Texte gut auswählen.
Genau für dieses Anliegen hat etwa der Schriftsteller Leander Steinkopf kürzlich eine Anthologie herausgegeben mit dem programmatischen Titel Neue Schule. In einer Erzählung darin von Shida Bazyar geht es um eine Aubergine. Die Aubergine ist das Penis-Symbol beim Sexting im Digitalen. Das literarisiert Bazyar. Was Literatur vermag, können Jugendliche an Bazyars Aubergine leicht verstehen, weil es sie in ihrem Alltag abholt. Aber dann geht es weiter: In die Komplexität des Lebens
Ohne Frage: Gegen die Vergnügungsspiralen des Digitalen kann auch die literarische Sex-Aubergine nicht gewinnen, aber sie kann ein Startpunkt für eine Auseinandersetzung mit dem Erzählen sein – Medienreflexion inklusive. Begeistert das die Jugendlichen, folgt das Lesen anderer Texte automatisch. Denn eines ist sicher: Jugendliche sind weder faul noch dumm. Sie sind wissbegierig und fantasievoll und sie wollen ihre Zukunft gestalten.
Kommentare 48
"Am Ende des Tages müssen wir mit dem Nachbarn kommunizieren, der Chefin eine Mail schreiben oder uns zu den Ungeheuerlichkeiten in der Welt positionieren."
Ja, das hat die ältere Generation ständig gemacht. Die Email-Literatur aus den 50er Jahren zeugt davon. Mancher glaubt heute, früher hätte die Jugend nur Postkarten, Einkaufszettel und mehr oder sehr persönliche Tagebuch-Einträge verfasst. Aber dem ist nicht so. Die ältere Generation ist eine Generation von Literaten.
Der Verfall begann mit der Comic-Genration, die jetzt mit Erschrecken auf den Internetanalpabetismus herabschaut.
" In der Schule lernen sie schreiben, auf dem Smartphone wenden sie es an, so sind sie ständig mit der falschen Schriftsprache konfrontiert. Das kann nur zu Verwirrung und Fehlern führen. Die jungen Leute sind die Leidtragenden dieser Entwicklung. Sie müssen ausbaden, dass die Erwachsenen verschlafen haben, sie für die schriftlichen Absonderlichkeiten im Netz zu sensibilisieren."
"Falsche Schriftsprache" - Laut Leo-Studie sind 40Prozent der erwachsenen Bevölkerung rechtschreibmäßig maximal auf dem Niveau der sechsten Klasse. Diese Generation hätte natürlich die Jugend auf die "schriftlichen Absonderlichkeiten im Netz" vorbereiten müssen, die sie selbst noch gar nicht kannten.
Mal ehrlich: Es ist ja nicht falsch, sich mit Veränderungen in der Kommunikation zu beschäftigen, mit Vor- und Nachteilen, Gefahren und Möglichkeiten. Aber was soll dieser Alarmismus in Bezug auf "die Jugend"?
Wer sprachlos ist, wehrt sich nicht. Das ist der eigentliche Grund, warum man Kinder und Jugendliche dumm hält. Wenn sie als vollwertiges Humankapital in den Profitbildungsprozess eingebunden werden, dann organisieren sie sich nicht gewerkschaftlich, sondern in hündischer Ergebenheit nehmen sie die Strukturen an und verinnerlichen sie. Denn das lehrt uns doch der göttliche Neoliberalismus: "Jeder kann es schaffen - wohin ist eine andere Frage."
Wer dumm gehalten wird, der glaubt auch an die Demokratie in der Ukraine und dass dort die Freiheit der BRD verteidigt wird, wie schon damals in Vietnam und später in Afghanistan.
Merke: Intelligenz behindert, Sprache, die nicht leicht ist, fällt schwer und ist "out". Es lebe der triebgesteuerte Untertan. Es war die große Vision eines Herrn Dr. Kohl, der selbst nicht mit viel Intelligenz gesegnet war, doch erkannte, worauf es im Leben ankommt. Erst der eigene Vorteil und wenn man dann auch über Leichen geht. Das sind eben die Opfer, die man für seine persönliche Freiheit in Kauf nehmen muss. Sterben tun die anderen, Gott sei Dank.
PS: Meine Kollegen aus den sprachlichen Fachbereichen, am Gymnasium, beobachten seit vielen Jahren, dass sich in Texten der Wortschatz der Schüler allein auf die Wortvorschläge des Smartphones beschränkt.
https://taz.de/Schreibschrift-vom-Aussterben-bedroht/!5039808/?goMobile2=1580169600052
Mancher mag das für lustig halten. Mancher nicht. In jedem Fall wird e Folgen haben, die "uns" dann doch nicht so gefallen werden. Die Seuche der "sozialen" Medien und vielleicht sogar der Digitalisierung generell ist natürlich nicht mehr behandelbar. Den "Siegeszug" hält niemand mehr auf.
Jaja, das waren noch tolle Zeiten, als die Schüler die Schreibschrift übten: Zeile für Zeile das selbe Wort, ohne Kontext, nur der Schönschrift wegen, auf die es ankam, nicht auf Inhalte.
Sorry, aber bei aller berechtigten Kritik an der Twitterisierung, ist die Verklärung der Vergangenheit einfach nur peinlich.
Da würde mich nun aber doch interessieren, an welcher Stelle ich was "verkläre"?
Tatsächlich "ohne Kontext"? Sind Sie sich da sicher? Ich halte solche leichtsinnigen Behauptungen für völlig ungerechtfertigt.
Dass das Erlernen der Schreibschrift übrigens mit der Ausbildung des Gehirns sehr viel zu tun hat, wissen Sie aber schon? Sicher, es werden sich wie immer bei unserem sog. Fortschritt "Gründe" finden lassen, dass das alles verzichtbar, ja sogar absolut nicht wünschenswert ist....
https://www.youtube.com/watch?v=KwYL_ZB6e_4
In Platons Phaidros lesen wir:
"Die Erfindung der Schrift wird die Lernenden in ihrer Seele vergesslich machen, weil sie dann das Gedächtnis nicht mehr üben; denn im Vertrauen auf die Schrift suchen sie sich durch fremde Zeichen außerhalb, und nicht durch ihre eigene Kraft in ihrem Innern zu erinnern. Also nicht ein Heilmittel für das Gedächtnis, sondern eines für das Wiedererinnern hast du erfunden. Deinen Schülern verleihst du aber nur den Schein der Weisheit, nicht die Wahrheit selbst. Sie bekommen nun vieles zu hören ohne eigentliche Belehrung und meinen nun, vielwissend geworden zu sein, während sie doch meistens unwissend sind und zudem schwierig zu behandeln, weil sie sich für weise halten, statt weise zu sein."
In diesem Sinne bietet es sich an, alle Medienwechsel (auch den Gegenwärtigen von der linearen Buchkultur zur assoziativen Kultur der digitalen Vernetzung) und ihren kognitiven und damit sozialen Implikationen genau zu beobachten. Die jeweilig vorherrschenden Technologien bestimmten den Weltbezug. Dies wird nach wie vor nicht ausreichend gewürdigt.
Was meinen Vorwurf der Verklärung betrifft, beziehe ich mich auf Passagen wie:
"Diese Sprachkompetenz kann bei älteren Leuten vorausgesetzt werden, einfach, weil ihre lexikalischen Fähigkeiten schon ausgebildet waren, als sie in das Internet-Babel geworfen wurden. [...]
Jüngere Leute, die in den 2000ern geboren wurden, hatten dieses Glück nicht mehr."
Und ja, ohne Kontext. Allein das Schreiben ganzer Wörter erfolgte erst nachdem die Schüler:innen mehrere Zeilen lang den selben Buchstaben geübt hatten. Stupides Wiederholen bestimmter Buchstaben.
"Dass das Erlernen der Schreibschrift übrigens mit der Ausbildung des Gehirns sehr viel zu tun hat, wissen Sie aber schon? "
Jo, das hat was damit zu tun. Aber zu mehr als zu einem Allgemeinplatz scheint es bei Ihnen nicht zu reichen. Alles, was man lernt, jede Übung und sei es auch nur sklavisches Nachvollziehen von Kringeln hat etwas mit der Ausbildung des Gehirns zu tun. Manches Hirn denkt dabei darüber nach, dass es auch besser ging. So funktioniert Entwicklung, so haben auch negative Erfahrungen ihren positiven Effekt.
Und ja, das handschriftliche Kringelkopieren fördert die Entwicklung des Gehirns sicherlich besser als absolutes Nichtstun. Wo Nichtstun die Alternative ist, ist Kringeln sicherlich etwas Positives.
Zitat: "Jaja, das waren noch tolle Zeiten, als die Schüler die Schreibschrift übten: Zeile für Zeile das selbe Wort, ohne Kontext, nur der Schönschrift wegen ..."
So schlecht ist das manchmal gar. Ich habe einmal für mehrere Wochen eine Urlaubsvertretung für eine "junge" Kollegin übernommen, die das offenkundig in der alten Schule nicht gelernt hat. Die handschriftlichen Aktennotizen/Anmerkungen oder besser gesagt, das Gekrakel und Gekritzel war nur sehr zeitaufwendig oder gar nicht zu entziffern.
Zitat: "Sorry, aber bei aller berechtigten Kritik an der Twitterisierung, ist die Verklärung der Vergangenheit einfach nur peinlich."
Der naive Glaube an die Zukunft ist aber mindestens ebenso "peinlich" wie die Verklärung der Vergangenheit, wobei sich die Frage stellt, was von beiden peinlicher ist. Die Vergangenheit kann schließlich niemand mehr ändern, die Zukunft allerdings schon.
In diesem Sinne geht darum, aus der Vergangenheit zu lernen und da kann man bei vielen Exemplaren der Spezies "Homo sapiens" seine berechtigten und begründeten Zweifel haben, wenn man die Welt auf dem Planeten der unbehaarten Affen bei Lichte und nüchtern betrachtet.
Jo, ein Medienwechsel hat eben Vor- und Nachteile.
Vor 50 Jahren hätte ich sicherlich nicht in russischen Foren über Urheberrecht diskutieren können. Es hätte wohl auch keinen Anlass dazu gegeben. Schon die Reise in ein fernes Bundesland hatte etwas Exotisches. Es gibt heute mehr Eindrücke, ob man damit intensiver oder oberflächlicher lernt, ist eine andere Frage.
Fehlt da ein "nicht" hinter "gar"?
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>> Zitat: "Jaja, das waren noch tolle Zeiten, als die Schüler die Schreibschrift übten: Zeile für Zeile das selbe Wort, ohne Kontext, nur der Schönschrift wegen ..."
So schlecht ist das manchmal gar. Ich habe einmal für mehrere Wochen eine Urlaubsvertretung für eine "junge" Kollegin übernommen, die das offenkundig in der alten Schule nicht gelernt hat. Die handschriftlichen Aktennotizen/Anmerkungen oder besser gesagt, das Gekrakel und Gekritzel war nur sehr zeitaufwendig oder gar nicht zu entziffern.<<
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Und was soll in diesem Kontext der Hinweis an "naiven Glauben an die Zukunft"? Den Hinweis mit einem Fehler auf einen anderen möglichen Fehler zu relativieren, hilft jetzt gerade wie weiter? Wenn es um mangelnden Hochwasserschutz geht, hilft der sachlich zutreffende Hinweis, dass zu wenig Wasser auch nicht gut sei, auch nicht weiter.
Wer die Generationenkonflikte verstehen will, wird nicht umhinkommen, die Art, wie wir zu verschiedenen Zeiten unser Denken strukturieren, systematisch zu untersuchen.
Zudem gilt: Wer sich nicht beherrschen lassen will von den Technologien und denen, die sie beherrschen (technisch und finanziell) tut gut daran, ihre Logiken zu verstehen.
Man muss zudem sagen, dass die neuen Medien nur der verstehen kann, der die Logik der alten versteht, denn sie bauen aufeinander auf und weißen über das Vorhergangene hinaus und das bedeutet, wie Sie sagen, dass es neben Vorteilen auch Nachteile gibt.
Zitat: "So funktioniert Entwicklung, so haben auch negative Erfahrungen ihren positiven Effekt."
Der Allgemeingültigkeit dieser Aussage muss ich leider entschieden widersprechen.
Wenn sich der Vater eines Schulfreundes mit einem Strick um den Hals an einem Balken auf dem Dachboden aufhängt, weil seine Frau bzw. seine Mutter auf einer Rehamaßnahme einen bessere Partie gefunden und die Familie verlassen hat, dann ist/war das zweifelsohne eine negative Erfahrung für meinen Schulfreund.
Es gibt allerdings nur sehr wenige und psychisch degenerierte Bürger, die darin auch einen "positiven Effekt" für die Entwicklung eines Kindes/Jugendlichen erkennen können.
Welche Allgemeingültigkeit? Sie zitieren mich falsch, indem Sie Wesentliches weglassen und dann dem dem Kontext entrissenen Satz den Anspruch einer Allgemeingültigkeit unterschieben.
Ich schrieb:
"Alles, was man lernt, jede Übung und sei es auch nur sklavisches Nachvollziehen von Kringeln hat etwas mit der Ausbildung des Gehirns zu tun. Manches Hirn denkt dabei darüber nach, dass es auch besser ging. So funktioniert Entwicklung, so haben auch negative Erfahrungen ihren positiven Effekt."
Aber irgendwie müssen Sie ihren "psychisch degenerierte Bürger" raushauen, egal wie schlecht konstruiert.
Sie demonstrieren allenfalls, wo es hinführen kann, wenn man mehr auf wohlgeformte Kringel achtet als auf Inhalt. (Q.e.d.?)
Das sehe ich auch so.
Die Forderung, die Jugend möge die Fehler der Alten wiederholen, statt neue eigene Fehler zu machen, wird eh nur von wenigen erfüllt werden.
Zitat 1: "Fehlt da ein "nicht" hinter "gar"?
Da haddu vollkommen recht! Wie man sieht, erschließt sich der wahre Inhalt eines Satzes auch, wenn man Wörter und Buchstaben weglässt. Ist das nicht geradezu faszinierend?
Zitat 2: "Wenn es um mangelnden Hochwasserschutz geht, hilft der sachlich zutreffende Hinweis, dass zu wenig Wasser auch nicht gut sei, auch nicht weiter."
Die Tatsache, dass manche Bäche und Rinnsale, gerade die mit wenig Wasser, zu reißenden Fluten werden können, die massive Schäden verursachen und sogar Menschenleben kosten können, hat ihre Ursache auch darin, dass es in der Vergangenheit naive Besserwisser gab, die der Ansicht waren, es wäre zukünftig ökonomischer, wenn man alle Bäche begradigen würde.
>>Jüngere Leute, die in den 2000ern geboren wurden, hatten dieses Glück nicht mehr. Seitdem sie lesen und schreiben können, bewegen sich die jungen Menschen im Netz. In der Schule lernen sie schreiben, auf dem Smartphone wenden sie es an, so sind sie ständig mit der falschen Schriftsprache konfrontiert.<<
Woher stammen diese vermeintlichen Erkenntnisse? Was ist eine "falsche Schriftsprache"? Es kommt immer darauf an, für wen oder in welchem Kontext geschrieben wird. Eine WhatsApp-Nachricht in einer begrenzten Gruppe muss nicht bis in die kleinen Verästelungen der Grammatik entsprechen, die wer auch immer festgelegt hat. Inzwischen tauchen immer mehr Kommunikationszeichen auf, die sich nicht auf die 26 Buchstaben beschränken. Dazu gehört eine Abstraktionsfähigkeit, die im letzten Jahrhundert kaum eine Rolle spielte (s. dazu die Untersuchungen von Dürscheid 2016; Busch 2018; Driver 2020).
Es ist immer wieder wohlfeil die These zu vertreten, früher sei alles besser gewesen. Seit den 1950er Jahren behauptet der Spiegel in diversen Titelgeschichten, dass die Schreibkompetenz sich verschlechtert hätte. Zuletzt am 21. März 2021 mit dem Titel "Deutschland verlernt das Schreiben". Wenn alle diese negativen Prophezeiungen eingetroffen wären, hätten wir heute keine Schriftkultur mehr.
Der Autor beschränkt sich leider nur auf Behauptungen, die interessierte Kreise immer mal wieder aufstellen, um Panik zu schüren.
Das Wiederholen von Buchstaben auf sage und schreibe "mehreren Zeilen" (Ist ja unfassbar und vielleicht schon Folter.) in möglichst flüssiger und - Achtung! - schöner Schreibschrift ist also schon "sklavisch"?
Was sagen da wohl die Japaner oder die Chinesen mit ihren tausenden von Zeichen, die ja wohl auch alle "sklavisch" geübt werden wollen?
Ob Schrift wohl auch was - Allgemeinplatz! - mit Kultur, Geschichte, Ästhetik usw. zu tun hat?
Was braucht man zum Sprechenlernen? Vielleicht auch da für den Anfang Wiederholungen? Aber am Ende braucht man dann vielleicht auch die alte sprechende Sprache nicht mehr? Irgendeine Rede aus einer Art Denglisch plus Computer- und Netzjargon. Es wird ganz sicher noch interessant werden.
EWWSMDBRG!
"LOL!"
Die Wiederholungen beim Sprechenlernen beruhen auf der Motivation des Lernenden, auf Freude, die Wiederholungen der Schreibschrift auf Disziplin, auf Zwang. Und ja genau deshalb ist es sklavisch.
Seltsamerweise wurde in der gleichen Schule die Schreibkultur der Vorfahrern verboten. Schüler, die aus eigener Motivation heraus Schriftzeichen in Tische geritzt und Toilettenwände beschrieben haben, wurden dafür bestraft - obwohl sie doch nur die Kulturtechniken ihrer Verfahren ausübten. :)
Die Angst vor "Denglisch plus Computer- und Netzjargon" ist nichts weiter als die Ablehnung von Unbekanntem, als Eingeständnis, dass die Entwicklung einen selbst abghängt. Tatsache ist, dass die Sprache sich mit der Gesellschaft weiterentwickelt. Heute wachsen Regionen mit unterschiedlichen Sprachen zusammen, entstehen neue Formen zusammen mit neuer Technik. Nicht immer zum besten, aber doch mit Verbesserungen. Was draus wird liegt an uns, genauer gesagt: an denen von uns, die sich darauf einlassen. Wer das nicht möchte, dem ist das unbenommen. Wer der Schönschrift huldigt, mag das gerne weiter tun, hat aber wohl wenig Einfluss auf die Kommunikation der Zukunft, braucht er vermutlich auch gar nicht.
Sie können und dürfen mir gerne vorwerfen, ein Korinthenhacker zu sein. Das war bei mir in der Schule auch schon so und das ist schon 170 Tage oder noch länger her.
Sie schreiben ausdrücklich "Alles, was man lernt ... hat etwas mit der Ausbildung des Gehirns zu tun."
Wenn man Kindern und Jugendlichen beibringt, wie man in unserer Ellbogengesellschaft den Mitschülern den Ellbogen in den Bauch rammt, dann wird das Gehirn zweifelsohne dabei auch ausgebildet.
Beim ersten Mal funktioniert das möglicherweise noch nicht ganz so perfekt. Schüler brauchen naturgemäß etwas Training, damit es schneller und reflexartig geschieht bzw. in Fleisch und Blut übergeht, wie man so schön sagt (Stichwort: Pawlow aka Pavlov). Aber Kinder lernen schneller als Erwachsene. Das Gehirn mit seiner Komplexität ist dann eher hinderlich.
Sie haben sicherlich viel Schönschreiben gelernt, Texte im Kontext zu lesen offensichtlich nicht. In Ihren Kommentaren in diesem Thread lassen Sie den jedenfalls vermissen.
"Die Angst vor "Denglisch plus Computer- und Netzjargon" ... Tatsache ist, dass die Sprache sich mit der Gesellschaft weiterentwickelt. Heute wachsen Regionen mit unterschiedlichen Sprachen zusammen, entstehen neue Formen zusammen mit neuer Technik. Nicht immer zum besten, aber doch mit Verbesserungen. Was draus wird liegt an uns, genauer gesagt.."
Und Sie werfen mir "Allgemeinplätze" vor? So unbeschwert möchte ich nun nicht unterwegs sein.
Wo sehen Sie denn die "Verbesserungen" beim "Zusammenwachsen" der Sprachen?
"...Man muss zudem sagen, dass die neuen Medien nur der verstehen kann, der die Logik der alten versteht, denn sie bauen aufeinander auf..."
Umgekehrt sollten aber wir "Älteren" die neuen Medien genauso verstehen lernen. Vielleicht hapert es auch bei uns, die wir die Trends einer neuartigen Kommunikation nicht mitkriegen, weil wir in unserer Literatur festsitzen. Lese ich zum Beispiel "...Die Aubergine ist das Penis-Symbol beim Sexting im Digitalen..." so ist mir diese bildliche Abstraktion bis eben völlig unbekannt gewesen. Wer weiß, was diese Kurzformwelt noch hervorbringt, das möglicherweise dem digitalen Zeitalter eher angepasst ist. Es muss ja nicht undingt zu einem Schrumpfprozess im Denken führen. Vielleicht entwickelt sich gerade eine universelle Zeichensprache, deren Komplexität uns heute noch entgeht.
Ja, Ihr X habe viel mit Y zu tun, ist nun mal sehr phrasenhaft.
"Wo sehen Sie denn die "Verbesserungen" beim "Zusammenwachsen" der Sprachen?"
Gerade das "Denglisch plus Computer- und Netzjargon" ist eine solche Verbesserung, die Verständigung im Netz eben sprachenübergreifend erleichtert. Neues erhält sprachenübergreifend Begriffe.
Mal abgesehen davon ist es jetzt einfacher, mit Menschen aus anderen Ländern zu diskutieren und an Projekten zu arbeiten, gemeinsame Interessen zu verfolgen. Und auch dass wir hier einen Artikel diskutieren können, ohne dass eine Leserbriefredaktion dazwischen sitzt, ist eine deutliche Kommunikationsverbesserung.
Ich habe eher den Eindruck, dass wir hier gerade sehr solide aneinander vorbeireden. Aber immerhin gilt hier im Freitag noch ein einigermaßen "gepflegtes" Deutsch als Forumssprache.
"...die Wiederholungen der Schreibschrift auf Disziplin, auf Zwang."
Vielleicht haben Sie Ihre Schulzeit erlitten. Mir und vielen anderen war es eine Freude, dann nach einigen Übungen und unvermeidlich auch Anstrengungen den ersten eigenen Brief zu schreiben.
Noch ein Allgemeinplatz:Mit der solide erlernten Schrift erschließt man sich mehr als nur Geschichte.
Im Ernst: "nach einigen Übungen ... den ersten Brief"? Bei uns war es ungeliebter Zwang. Schön schreiben hatte ich nie gelernt, war aber ansonsten auf der Grundschule (nicht nur) in Deutsch Klassenbester. Im Rahmen eines Schulversuchs schrieben alle Schüler:innen von der fünften bis neunten Klasse das gleiche Diktat zwecks Einstufung in Förderklassen. Als Fünftklässler war ich im besten Zehntel, als einziger Junge. Schönschrift brauchte es dafür nicht.
Sicher ist es besser, man lernt Schönschrift, als dass man gar nichts lernt. Aber in der Zeit lässt sich auch anderes lernen und auf eine bessere Art als durch sklavische Wiederholung. Mit einem Stift in der Hand ist so vieles möglich.
Zitat: "Es ist immer wieder wohlfeil die These zu vertreten, früher sei alles besser gewesen."
Ich denke nicht, dass der Autor (Jahrgang 1995!) darauf abzielt, dass "früher" alles besser gewesen sei, was wirklich nur dumme Menschen behaupten würden, egal ob jung, alt oder mittleren Alters.
1. Auf der einen Seite wurde die (deutsche) Sprache seit der Spiegelausgabe in den 1950er Jahren unbestritten um neue Zeichen und Symbole, das Wort "googeln", den "Döner", Anglizismen wie "shareholder-value" und Neologismen wie "Podcast" erweitert. Auf der anderen Seite ist aber zweifelsohne auch ein Rückgang des Wortschatzes und eine sprachliche Verarmung zu verzeichnen weil viele Begriffe, die zum Beispiel regionale Differenzierungen und Abweichungen zum Ausdruck bringen, aussterben.
2. Ein sehr gutes Beispiel ist der sprachliche Wandel des Wortes "Querdenker" hin zum Negativen.
Früher war "Querdenker" eine eher selten verwendete Bezeichnung und geradezu eine Auszeichnung für kreative Köpfe und Sturköpfe, die muh machen, wenn alle anderen Schafe mäh schreien und sich das Fell über beide Ohren ziehen lassen. Die Verwendung des Wortes hatte unbestritten einmal eine positive Konotation.
Heute ist das Wort eindeutig negativ konotiert. Heute denken die meisten "aufgeklärten" Bürger bei "Querdenkern" sofort an Corona-Leugner, Nazis, Aluhutträger, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker oder wen bzw. was auch immer.
Zweifelsohne finden sich unter den Querdenkern auch Aluhutträger und Träger anderer Kopfbedeckungen, die nicht alle Latten am Bretterzaun aus Lärchenholz haben.
Allerdings wird der Begriff vor allem in den Mainstream-Medien und der öffentlichen Debatte inzwischen als pauschales und plattes Totschlagargument verwendet, um zu verbergen, dass die Journalisten und Bürger, die ihn verwenden auch nicht mehr denken als manche Querdenker, sondern nur aus dem Bauch heraus "argumentieren", denn nicht alle Kritiker der Corona-Maßnahmen sind dumme Schwurbler und Vollidioten.
Gesellschaftlichen Fortschritt und Wandel gibt es nur mit Querdenkern und nicht mit Längsdenkern, die immer nur geradeaus denken und immer nur das machen, was die herrschende Nomenklatura und der Corona-Papagei aus dem Bundesgesundheitsministerium K. L. sagen. (K.L. steht nicht für "K"arl "L"agerfeld.)
" Muss man Schülerinnen in der achten Klasse mit Schiller traktieren? "
Nein, SOLL man tatsächlich nicht. ABER ungefähr in dieser Zeit habe ich mir eine Schiller-Ausgabe gekauft und mit Begeisterung gelesen. Ups?
" Wer sprechen lernt, der lernt denken. Und wer denken will, der muss sprechen lernen. Das heißt: Sprache ist der menschliche Zugang zur Welt, weil sie das Denken ermöglicht. Die Sprache ist das Grundlegendste, das der Mensch hat."
"Der denkende Mensch muss also erzählen können. Für meisterhafte Erzählungen gibt es eine Form: die Literatur. Wer erzählen lernen will, ist mit Literatur also gut bedient. "
Eine Stufe höher getrieben:
»Denken ist erst als Ausgedrücktes, durch sprachliche Darstellung, bündig; das lax Gesagte ist schlecht gedacht« Th.W.Adorno
Auftritt die Soziologie und stellt fest, dass Sprache etwas mit Klassen-, Schichten- und ethnischen Zugehörigkeiten zu tun hat. Und was oben gesagt wurde, hat ziemlich viel mit Bildungsbürgertum und Abwertung anderer Schichten/ Sprachen zu tun. Sprache hat also auch etwas mit Herrschaft zu tun.
Und LANGE VOR Smartphone und Internet hat eine Infragestellung dieses Herrschaftsanspruchs begonnen. Beides hat den Prozess nur weitergetrieben.
Bereits in den 60er und 70er Jahren begannen Dialekte und Klassenjargons in den Schulunterrricht zu drängen und die sogenannte Schriftsprache zunehmend zurückgedrängt. Dabei hätte eigentlich darauf geachtet werden sollen, dass mündliche und schriftliche Kommunikation zu unterscheiden und in ihrer Verschiedenheit zu beachten seien.
Vor allem hätte klar gemacht werden sollen, dass und wo Adornos o.a.Satz unbedingt zu gelten hat.
Für die mündliche (oder digitale) Kommunikation mögen Dialekte und Jargons wegen ihrer informellen und emotionaleren Art die geeigneten Ausdrucksmittel sein. Im philosophischen Diskurs ist disziplinierte, hart erarbeitete Schriftsprache gefragt. In der FREITAG-Community wäre vielleicht eine ausgewogene Mischung ideal.
Wenn ich den Beitrag richtig verstanden habe, mangelt es derzeit an Schule und Universität vor allen am Training der Schriftsprache und eine Art Schlampigkeit macht sich breit. Was dagegen zu tun wäre,ohne wieder auf den Herrschafts- und Ausleseaspekt der Schriftsprache zurükzufallen, weiß ich nicht.
Lesen ist sicher wichtig, richtiger Medienkonsum auch - sofern man in den Medien überhaupt Qualität produziert, was in meiner Jugend noch ab und zu der Fall war.......
Das mit dem Klassenbesten hatte ich schon vermutet. So lesen sich Ihre Beiträge auch. Selbstgewiss und "lautstark".
"Sicher ist es besser, man lernt Schönschrift, als dass man gar nichts lernt."
Wie um Himmel Willen kommen Sie auf einen solchen demagogischen Satz? Ahnen Sie wenigstens, was der über Ihr Denken sagt?
Auch Sie entstellen das Zitat durch Weglassen des Kontext. Ich bezog mich ganz konkret auf den Zeitpunkt der Schönschreibübungen, nicht auf generelles Nichtslernen:
"Sicher ist es besser, man lernt Schönschrift, als dass man gar nichts lernt. Aber in der Zeit lässt sich auch anderes lernen und auf eine bessere Art als durch sklavische Wiederholung. Mit einem Stift in der Hand ist so vieles möglich."
„Umgekehrt sollten aber wir "Älteren" die neuen Medien genauso verstehen lernen.“
Es mit Sicherheit empfehlenswert, die grundlegenden Funktionsweisen der jeweils vorherrschenden Medien zu verstehen, um sich ein Bild machen zu können, wie sich Gesellschaft ausgehend von diesen strukturiert.
Nur wer die „Grammatiken“ der Epochen versteht, wird in der Lage sein zu verstehen, warum die „Welt des Buchdrucks“ eine ist, die auf diskreten Begriffen, Linearität und Argumentation basiert, in der als Folge Privatheit und Individualität eine wichtige Rolle spielen.
Die Welt des Digitalen hingegen ist vornehmlich eine wechselseitige, kollektive, die von größerer Nähe und tribaler Gruppenidentität, statt von argumentierenden Individuen geprägt ist.
Hierzu Marshall McLuhan im Jahr 1964 in 3 Minuten.
Dem Artikel kann ich nur zustimmen.
Eine Frage taucht allerdings für mich auf: Wie schafft man Uni-Abschlüsse, wenn man Probleme mit längeren Texten hat?
"Wie sollen junge Menschen, die Probleme mit schwierigen Texten haben, durchs Leben gehen? "
Ich schätze mal, die meisten tun dies. Selbst Analphabeten. Die Frage ist eben, auf welchem sozialen Niveau, und ob und wie sie dies z.B. mit h
handwerklichen Fähigkeiten kompensieren können.
Schriftsprache hieß früher nicht zufällig auch Hochsprache.
Man kann das Problem auch von der anderen Seite her aufzäunen:
Welches Verhalten wird den Jungen eigentlich medial vorgelebt, wenn z.B. Journalisten Politikern ständig ins Wort fallen, permanent versuchen, IHRES an- und rüberzubringen, anstatt deutlich zu machen, dass man andere eingeladen hat, um DEREN Position kennzulernen? Wird hier komplexe Sprache, Entfaltung von Gedanken nicht von vornherein sabotiert, der AUSTAUSCH von Gedanken torpediert und sozusagen zur Nachahmung empfohlen?
Was lernt man, wenn sogenannter" investigativer" Journalismus in penetrantes Stalking ausartet?
Wie wirkt es sich aus, wenn in sozialen Netzwerken keine komplexeren Gedanken entwickelt werden, sondern sich gegenseitig platte Parolen an die virtuellen Köpfe geknallt werden?
Die gesellschaftlich Realität spiegelt sich in den Schulen wider und ein ordentlicher Sprachgebrauch geht u.U. AUCH mit einem ordentlichen Verhalten einher.
Und neben Literatur usw. braucht es vielleicht halt auch immer noch das ehrlich gelebte Vorbild.
Hier ein langer Text, kannst Textverständnis testen.
https://www.republik.ch/2022/04/14/russisches-kriegsschiff-fick-dich
>>Wie schafft man Uni-Abschlüsse, wenn man Probleme mit längeren Texten hat?<<
Der Widerspruch löst sich dann auf, wenn man von der These abrückt, Studierende hätten Probleme mit längeren Texten. Warum soll ein Mensch, der mit kurzen Texten keine Probleme hat, welche mit längeren haben?
"Eine Frage taucht allerdings für mich auf: Wie schafft man Uni-Abschlüsse, wenn man Probleme mit längeren Texten hat?"
Kreatives Ausnutzen von Gruppenarbeit kann hilfreich sein:)
Man kann Ansprüche ja immer weiter absenken, mittlerweile macht meines Wissens auch die Mehrheit Abitur, dann wird auch die Mehrheit irgendwann studieren. Die Professoren, die ich kenne, stöhnten immer, wie niedrig das Niveau vieler Studierender sei und das ist Jahrzehnte her. Und das heißt ja nicht, dass die Leute dumm sind, allerdings ggf. nicht für den Hochschulbetrieb in der gegenwärtigen Form geeignet.
Aber was will man erwarten? Eine Gesellschaft, die immer noch mehrheitlich denkt, ein Studium wäre anstrebenswerter und einem anderen Beruf in irgendeiner Form überlegen, das Monetäre jetzt mal Beiseite gelassen, erntet halt was sie sät.
>>Dabei hätte eigentlich darauf geachtet werden sollen, dass mündliche und schriftliche Kommunikation zu unterscheiden und in ihrer Verschiedenheit zu beachten seien.<<
Gewisse Dinge sollten Beachtung finden. So auch, ob ich mittels Handy schriftlich kommuniziere oder bspw. eine Seminararbeit verfasse, die in Papierform eingereicht werden muss. Deshalb sind Kurzschlüsse, die der Autor des Eingangstextes produziert, nicht zielführend, weil jeder, je nach Schreibanlass, unteschiedliche Formen nutzt.
So hat die OECD 2019 im Rahmen ihrer PISA-Studienfestgestellt:
>>In Deutschland sind im Bereich Lesekompetenz systematische Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen sowie zwischen sozioökonomisch begünstigten und benachteiligten Schüler*innen festzustellen.<<
Statt Pauschalierungen zu veröffentlichen, könnte durchaus gefragt werden, weshalb die Mädchen den Jungen, wenn es um Texte geht, überlegen sind, oder weshalb in sozial benachteilten Schichten der Gesellschaft die Kinder und Jugendlichen ein geringeres Leistungsniveau erreichen. Wer weiß, wie Adorno aufgewachsen ist, hat vielleicht schon eine gute These.
Der erste große Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache ist die Flüchtigkeit des Gesprochenen. Das Sprechen verhallt in kürzester Zeit, wird vom folgenden Sprechen instantan überschrieben (richtiger: übersprochen). Daher bleibt das gesprochene Wort unverbindlich, andrerseits vermag es die Gefühlsdynamik mimetisch wiederzugeben; da Sprache meist beide Aspekte aufweist, den Sach- und den Beziehungsaspekt, kann man die gesprochene Sprache mehr dem letzteren, die geschriebene mehr dem ersteren zuordnen. Hier kommt der Begriff der Objektivierung in seiner Doppelbedeutung zum Vorschein: Objektivierung ist Versachlichung und Entsubjektivierung.
Die zwei großen Steuerorgane der Menschen sind die Emotion und die Kognition, letztere ist entwicklungsgeschichtlich viel jünger und spielt eine sekundäre Rolle, allerdings ist die Kognition viel dynamischer, auf ihr beruht die (oberflächliche) Fortschrittsgeschichte der Menschenart, und die materielle Voraussetzung dazu ist die Sprachfähigkeit des Menschen zur Schriftsprache. Damit erst konnte ein Sinn für „Wahrheit“ entstehen, Wahrheit als etwas, das in den wechselnden Formen gleich bleibt, ein hinter den schillernden Formen der Erscheinung unveränderliches Wesen. Die Schriftsprache, das geronnene Wort, verweist sehr viel nachhaltiger auf diese gleichbleibende Wahrheit als das erinnerte mündliche Wort.
Die Emotion kann mimetisch dem Ereignisstrom folgen, die im geschriebenen Wort festgehaltene Denotation kann reflektiert werden. So sind Emotion und Kognition die zwei Bearbeitungs-/Reaktionsweisen des Synthetischen und des Analytischen zugeordnet, Emotionen können die Erfahrung integrieren, Kognition kann sie analysieren. Letzteres resultiert in der kognitiven Rekonstruktion der Welt, dem System der ineinander verzahnten Begriffe, mit den sich daraus ergebenden Wahrheitskriterien. So dienen beide der Komplexitätsverarbeitung der Welt, die eine der unmittelbar erfaßten subjektiven Wahrheit der Welt, die andere der mühsam erarbeiteten begrifflichen Konsistenz des kognitiven Modells der Welt.
Es gibt allerdings keine saubere Trennung beider Weltspiegelungen, sie macht auch keinen Sinn. Beide Ebenen interagieren miteinander, darin liegt ihre Stärke, genauer: in der virtuellen Trennung und kritischen Zusammenführung von Synthese und Analyse, in einem guten Gleichgewicht. Hier legt der Beitrag den Finger in die Wunde. Die Dominanz der Sprechkultur, schärfer formuliert die Verkümmerung der Schriftkultur ist ein gravierendes Problem unserer Zeit. Es gilt, diese sozialpsychologische Fehlentwicklung zu verstehen, sie kann nicht als individuelles Versagen, muß als systemischer Prozeß begriffen werden. Es gibt viele Antworten der kritischen Gesellschaftstheorie dazu, die auf den Prüfstein gelegt werden müssen.
Der vorliegende Text ist da etwas unpräzis, er kommt von der Differenz Sprech- zu Schriftsprache auf die Differenz von Informations- zu Narrationskommunikation. Das ist aber eine andere Ebene. Richtig ist freilich, daß die Digitalisierung in der Veränderung der Kommunikation eine riesige Rolle spielt. Hier muß auf das Komplexitätsproblem und auf einen weiteren zentralen Gesichtspunkt der Versprachlichung zurückgegriffen werden. Wenn oben gesagt wurde, daß Sprache einen Sach- und einen Beziehungsaspekt hat, kann das mit einer Bedeutungsverschiebung auch so ausgedrückt werden, daß Sprache eine operative und eine repräsentative Funktion hat, oder daß Sprache denotativ und konnotativ ist. Sie ist informativ, und sie artikuliert oder erstellt Zusammenhänge, wir reden hier von Sinn, und wenn man genau hinschaut, bemerkt man, daß man überhaupt nicht sinnfrei Informationen formulieren kann. Das Sprechen erweist sich als eine Subjekt-Objekt-Dialektik. Wenn wir in Zusammenhängen reden, erzählen wir Narrative. Aber, erinnern wir uns, die Schriftkultur sollte das Sprechen objektivieren. Narration ist ein Mittel des komplexen Sprechens, und das Schreiben ist ein Mittel, das Sprechen reflexiv zu hinterfragen. Das Schreiben läßt so das Subjektive sichtbar werden. Die Maschine kassiert den Sinn der Eingaben. Wird das nicht mehr bemerkt, zersetzt sich Sprache. Wir produzieren nicht mehr Kommunikation und Sprache, sondern bedienen nur noch den logischen Formalismus.
Nicht falsch, aber ein wenig einseitig löst der Beitrag das Kommunikationsproblem: Ja, die niedergeschriebene Literatur ist die stärkste Quelle (ich möchte ergänzen: neben der Wissenschaft, allem voran der Philosophie und Kognitionswissenschaften) unseres menschlichen Selbstverständnisses, aber entscheidender ist, daß unsere Alltagskommunikation über die Fähigkeit zum emotional reichen intuitiven sowie zum reflektierten kognitiven Erfassen der Welt verfügt. Wir müssen das mündliche und schriftliche Sprechen besser lernen, dazu gehört das Begreifen der medialen Vorgaben als zu interpretierendem Material, dem wir nicht unkritisch in seinen schein-, dh formallogischen Narrationen folgen dürfen. Wir stehen vor einer neuen Stufe der Aufklärung, um einen weiteren Schritt aus unserer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu machen.
Er so:
"Die Texte dort imitieren überwiegend mündliche Kommunikation. Man schreibt also, wie man spricht. Die Texte missachten damit die Regeln der Schriftsprache, ihre Satzstruktur ist weniger komplex. Suchte man ein neues Babel, es wäre in den sozialen Medien bereits errichtet. Mündlich verständlich verbindet sich mit schriftlich falsch."
Ich so:
"Boah, chill, Digga!"
Längere Texte verlangen mehr Geduld, brauchen verlängerte Konzentrationsspannen, die Fähigkeit immer mehr Infos miteinander in Verbindung zu setzen, gesteigerte Komplexität oder Vielschichtigkeit zu begreifen, Durchhaltevermögen, systematisches Arbeiten.
Danke für die interessanten Gedanken!
>>Längere Texte verlangen mehr Geduld, brauchen verlängerte Konzentrationsspannen...<<
Das ist aber ein anderes Problem. Konzentration und auch Geduld sind für längere Texte nicht entbehrlich. Der Autor schreibt hingegen:
>>In der Schule lernen sie schreiben, auf dem Smartphone wenden sie es an, so sind sie ständig mit der falschen Schriftsprache konfrontiert. Das kann nur zu Verwirrung und Fehlern führen.<<
Wobei der Autor auslässt zu erklären, was er unter "falscher Schriftsprache" versteht, die die Kommunizierenden zu verwirren droht.
Ich kenne LehrerInnen, die gezwungen sind, in der vierten Klasse Grundschule für Diktate mit 90 Rechtschreib- und Orthographiefehlern auf einer halben DIN A4-Seite Diktat eine Drei zu geben, weil alles andere den Klassendurchschnitt zu sehr senken und die Eltern der erhofften Hochbegabten zu sehr irritieren würde. Ich habe an der Uni Hausarbeiten von deutschen Muttersprachlern durchwinken müssen, von denen ich kein Wort verstanden hatte, weil die Anzahl der Rechtschreib- und Orthographiefehler nicht mehr zählbar war und die Textaussagen völlig unverständlich machte. Hmm. M.Mn.n. geht das Problem der Schriftsprache weit über falsche Schreibweisen in digitalen Medien hinaus. Wenn wir Schwellwerte für zu erbringende Leistungen nach unten korrigieren, damit sich niemand als abgehängt fühlen muss, gerät langfristig die gesamte Gesellschaft in Schieflage. Wenn man die Diskussionen und den Diskussionsstil verfolgt, der in öffentlichen Medien seit geraumer Zeit vorherrscht, hat dieses Problem die deutsche Gesellschaft längst eingeholt.
Für 90 Rechtschreibfehler eine Drei. Das könnte eigentlich nur in Berlin sein. ;-)
Das führt dann dazu:
Laut dem Berufsbildungsbericht 2019 überschritt die Zahl der 20- bis 34-Jährigen ohne Berufsabschluss die Marke von 2,1 Millionen. Mit steigender Tendenz.
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/berufsbildungsbericht-2019-deutschland-hat-mehr-als-2-1-millionen-junge-ungelernte/24195504.html
Das geht auch anderswo :-) das gesamte schulische System macht sich m.E. überflüssig, wenn es die Grundlagen nicht mehr vermittelt, gleichgültig aus welchen Gründen.
Mutanten haben es nicht anders verdient, allein die grausamen Geräusche, die als MP3 aus ihren Geräten kommen, widerlich und dabei auch noch völlig Retro:
Dieselbe Art Leute, die früher jeden Punker von der Parkbank kloppen wollte, weil er es gewagt hatte im Vergleich zum heutigen Müll, den man 30 Mal dudeln muß, um überhaupt irgendwas zu verstehen, einen echte HiFi-Bombensound aus dem Radiorekorder zu plärren, macht sich heute in den Parks, Bahnen, Supermärkten und Badelöchern breit und nervt jahrzehntelang, jedes Jahr als neue Deppen-Generation, mit immer demselben verblödenden Disko-(meist)Techno-Müll, der in 30 Jahren nicht mal annähernd die Kreativität erreicht hat wie 50 Sekunden Hardcorepunk von der Parkbank, die zudem auch schon 30 Jahre out ist.
Irgendwie scheint das das entscheidende des Kapitalismus zu sein, das ständige Wiederholen irgendwelcher längst vergessener Hypes, meist so dosiert, daß die Generationen, die zuvor damit beglückt wurden, es längst wieder vergessen haben und ihre Nachkommen für derartig langweilige Infos eh nicht erreichbar sind:
Da baut man mit über 100 Jahre Verspätung wieder Motoren an Fahrräder und läßt sie zur Krönung auch noch auf dem eh schon zu engen Fahrradweg, da rennen wieder alle mit Kopfhörer rum, obwohl sich damit vor 30 Jahren eine ganze Generation mit Tinnitus so derartig verseucht hatte, daß sie sich heutzutage kaum noch unter Leute traut und man trägt auch wieder seine Uberbevölkerung um den Körper gebunden rum, als ob das nicht bereits in den 80er dank Haltungsschäden schon längst wieder out war und um das ganze zu toppen muß die ganze Welt zur Telefonzelle gemacht werden, als ob man wieder Nextel-Klapphandy wie im originalen Gangstarapvideo der früher 90er hätte; ein unfassbares Posertum von Nachaffentum.
Und Karl Marx hatte dann auch wieder recht, wenn sich Tragödie wiederholt ist es schlichtweg eine Farce:
So ist auch das Skateboard wieder "in", nachdem es jahrelang ein Verbrechen war und ums dann noch zu toppen, weiß auch kaum ein "Skater" heute, daß es sogar eine eigene Musik dazu gegeben hatte, den Skaterock, verewigt vom Thrasher-Magazine.
Man sollte eh alle Besitzer von Smartphone wegen Völkermord nach Den Haag überstellen, eine absolute Frechheit, daß der Dreck überhaupt erlaubt ist, würde er doch ohne das Abschlachten von Millionen unbezahlbar teuer sein; daß das die Jugend scheinbar nicht weiß, ist allerdings am erstaunlichsten.