Heute blickt die Welt zum 74. Mal auf Hiroshima im Südwesten Japans. Am 6. August 1945 kam es hier erstmals zum Einsatz einer Atombombe als Kriegswaffe. Mehr als zwei Drittel aller Häuser verbrannten, bis zum Jahresende starben mehr als 140.000 Menschen.
Drei Tage später ließen im weniger hundert Kilometer entfernten Nagasaki 74.000 Einwohner ihr Leben, nachdem die Stadt durch eine Plutoniumbombe dem Erdboden gleichgemacht wurde. Es sollte der bis dato letzte Angriff dieser Art sein.
In Hiroshima riss die Bombe „Little Boy“ auch nahezu sämtliches Krankenhauspersonal samt Ärzten in den Tod. Die Infrastruktur war zerstört. Personen, die nicht unmittelbar der Hitze- und Druckwelle erlagen, verendeten durch die Folgen ihrer Verletzungen und freigesetzte Strahlung qualvoll, ohne jegliche Hilfe. Bereits sechs Jahre später stieg die Häufigkeit von Leukämie unter den Überlebenden signifikant. Zehn Jahre später erkrankten sie auch überdurchschnittlich häufig an Schilddrüsen-, Brust- und Lungen- und anderem Krebs. Bis heute steigt das Risiko solider Tumore unter den Überlebenden über ihre gesamte Lebensspanne hinweg. Unter Frauen war die Rate von Fehlgeburten und die Kindersterblichkeit nachweislich größer. Zudem hatten Kinder, die den Angriff im Mutterleib überlebt hatten, eine höhere Wahrscheinlichkeit für geistige Behinderungen und eingeschränktes Wachstum.
Nach wie vor ist das Gedenken der Schrecken und Qual der Nuklearangriffe ein bedeutender Teil der japanischen Kultur. Jährlich wird den Opfern in Hiroshima mit eindrucksvollen Zeremonien und einer Schweigeminute gedacht. Doch während im ostasiatischen Inselstaat die Welt erneut für einen kurzen Moment stehen bleibt, scheint Deutschland vergessen zu haben.
Es droht ein erneutes atomares Wettrüsten
Dabei ist der Atomkrieg wahrscheinlicher denn je. Inmitten egozentrischer Politik und Machtspiele endete mit dem INF-Vertrag am vergangenen Freitag einer der wohl wichtigsten Abrüstungsverträge unserer Zeit. Ein ziviler Aufschrei war kaum hörbar. Der 1987 zwischen der damaligen Sowjetunion und den USA geschlossene Vertrag verbot beiden Parteien Besitz und Herstellung sämtlicher landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen und stellte in der Hochzeit des kalten Krieges einen massiven Garant für die Sicherheit in Europa dar. Nach mehrfachen gegenseitigen Anschuldigungen des Vertragsbruchs erklärten zunächst die USA Anfang Februar ihren Austritt mit einer sechsmonatigen Frist. Da auch von Seiten Moskaus kein Interesse an der Fortführung des Vertrags bestand, lief dieser nun am 2. August aus.
Die Folgen könnten fatal sein: beide Staaten können ohne jegliche Beschränkung und Kontrolle erneut Mittelstreckensysteme herstellen. Zudem dürfen solche Raketen wieder frei stationiert werden – und damit auch mitten in Europa. Hier geht es nicht darum, den Teufel an die Wand zu malen. Vielmehr deuten die aktuellen Geschehnisse auf ein erneutes atomares Wettrüsten hin, wie es die Welt seit den 80er Jahren nicht mehr gesehen hat. Ganze zwei Tage nach Vertragsende kündigte US-Außenminister Mark Espen an, „so schnell wie möglich“ Raketen in Asien stationieren zu wollen. Zudem bestätigte er die Entwicklung neuer, mobiler, landbasierter Mittelstreckenraketen seit 2017. Trump betonte, man wolle an der Vormachtstellung der USA festhalten. Eine Aufrüstung gegen China, das in den letzten drei Jahrzehnten immerhin ungehindert neue Waffensysteme entwickeln konnte, ist somit nicht abwegig.
Und nun wird meiner Generation unterstellt, wir würden uns nicht genügend für die atomare Abrüstung einsetzen. Während in den 80ern noch Hunderttausende gegen den NATO Doppelbeschluss auf die Straße gingen, sind es heute die Schüler, die seit nun bald acht Monaten freitags gegen den Klimawandel demonstrieren.
Es liegt nahe, von den Schülern zu fordern, dass sie sich nun auch gegen Atomwaffen einsetzen sollten. So stellen sich beide Forderungen im schlimmstmöglichen Fall gegen eine Apokalypse mit bisher ungeahntem Ausmaß. In beiden Fällen würden die folgenden Generationen fragen: „Warum habt ihr damals nicht unternommen? Die Bedrohung war euch doch lange bekannt!“ Doch der Atomkrieg ist etwas, dass ich nur aus Geschichtsbüchern kenne. Vergessen haben wir ihn nicht. Doch auch für den Rest meiner Generation scheint er wie ein fernes Dystopieszenario. 1998 in einem Europa der offenen Grenzen geboren, ist mir weniges fremder als Krieg und Bomben. Die Angst vor einer drohenden nuklearen Katastrophe, die meine Eltern- und Großelterngeneration durchleben musste, kenne ich schlichtweg nicht. Macht das die vermeidliche Verantwortung der Jungend geringer? Sicher nicht.
Wahre Sicherheit gibt es nur ohne Atomwaffen
Glücklicherweise gibt es auch junge Stimmen im Bereich der friedenspolitischen Akteure, wie beispielsweise die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN). Das globale Bündnis aus über 450 Organisationen setzt sich für die Ächtung und Abschaffung von Atomwaffen durch deren völkerrechtliches Verbot ein. Zudem fordert es allgemein die gewaltfreie Bearbeitung von Konflikten unter Achtung der Menschenwürde, sodass bei Verhandlungen über Atomwaffen nicht nur über Sicherheitspolitik, sondern auch über die humanitären Auswirkungen solcher Waffen
gesprochen wird. ICAN begleitete den Prozess zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag und wirbt durch zahlreiche Kampagnen für die Unterzeichnung, Ratifikation und Anerkennung ebendieses. 2017 wurden ihre Bemühungen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Bis heute wurde der Atomwaffenverbotsvertrag von 70 Staaten unterzeichnet, 24 ratifizierten ihn. Keiner dieser Staaten besitzt selbst Atomwaffen. Und auch Deutschlands Unterschrift steht noch aus. Doch wahre Sicherheit kann es nur in einer Welt ohne Atomwaffen geben. Und deswegen sollte es für uns alle – egal in welchem Alter – ein Anliegen sein, dafür auf die Straße zu gehen. Und das nicht nur freitags.
Kommentare 7
- schon der erste satz exponiert schlampiges denken/schreiben:
nicht eine atom-bombe zerstörte hiroshima und seine bevölkerung,
sondern der abwurf/die zündung einer a-waffe.
hinter dem gebrauch/der entwicklung einer waffe steckt ein aktor,
handelnde individuen/kollektive/eine organisation, die regiert.
die sich gegebenenfalls auch mit anderen waffen auf-munitionieren kann.
- die ächtung einer waffe schafft mitnichten "wahre sicherheit",
wenn regierungen sich aus arsenalen
auf andere "waffen-technische sicherheiten" verlegen können.
- es geht nicht um verträge zur ächtung von waffen,
sondern um verträge/einrichtungen,
die gewalt-verzicht unter regierungen sicher-stellen.
vulgo: die domestizierung der waffen-träger/-verfüger.
- darin ist es der beschränkung privaten feuer-waffen-besitzes
(wie von den USA-behörden gefordert)
eben nicht umstands-los vergleichbar.
Im Sommer der Klimahysterie ist die reale Krieggefahr völlig aus den Blick geraten. Zwischen Iran, China und der USA (der angeschossene, im Niedergang befindliche US-Papiertiger ist brandgefährlich, das wußte schon der längst verstorbene Mao) kann es jederzeit zum Krieg kommen. Die Situation ist wesentlich gefährlicher als im kalten Krieg.
Die Welt mag vielleicht durch den Klimawandel in 200 bis 400 Jahren untergehen, wer weiß das schon so genau. Genau wissen wir, wir stehen - 1914 ähnlich - vor einen Krieg. Diese unmittelbare Gefahr ist den KlimahysterikerInnen völlig egal!
Verkehrte Welt!
Ein Verbot würde niemanden daran hindern, im Konfliktfall neue zu bauen. Die Menschheit wird bis zu ihrem Ende mit dem Atomkrieg als Möglichkeit leben müssen. Und wer weiß, ob die Welt dadurch nicht sogar friedlicher geworden ist. #Paxatomica
Psychologie ist schon schwierig, aber mal versuchen: Also, ich sitze am Maschinengewehr, ein paar Meter weiter stehen ein paar junge Leute, die ich mit dem Maschinengewehr in Schach halte. Die jungen Leute erläutern mir, wie unrechtmäßig und gar explizit verboten das Benutzen eines Maschinengewehrs ist und fordern mich auf, das Maschinengewehr zu zerstören und die Überreste zu vergraben. Was tue ich? Ich meine, als Bösewicht, der seine Privilegien verteidigt, nicht als guter Mensch mit ausschließlich gemeinwohlützigen Absichten, von denen die Erde ansonsten nur so wimmelt? Wer weiß die Antwort?
Und Zusatzfrage für die Gummibärchen: Falls die erste Frage richtig beantwortet wurde, wie kommen die jungen Leute wohl an das Maschinengewehr heran, um es selbst zu zerstören?
Aha, der Atomkrieg, Kriege überhaupt, sind nicht so gefährlich wie der Klimawandel. Man muß mit diesen Übeln leben, bis die Welt untergeht. Nur, vielleicht geht die Welt früher an einem Atomkrieg zugrunde als an Klimawandel?
Oder andersherum, der Atomkrieg verhindert den Klimawandel, weil die Welt früher untergeht...
seltsame Logik?
In diesem Fall lautet die Antwort: Steine und Keulen.
Eine gewichtige Reminiszens. Allerdings scheint Einsteins Hinweis nicht dazu geführt zu haben, dass auch nur eine einzige Atomwaffe weniger gebaut worden wäre. Sollten Sie aber gar nicht so hoch gegriffen, sondern die Bermerkung situationsgebunden gemeint haben, wäre darauf hinzuweisen, dass schon die Speere der südamerikanischen Indianer den Musketen und Kanonen der Spanier nicht gewachsen waren, selbst wenn mal der eine oder andere Speer getroffen hat. Und das waren damals noch keine Massenvernichtungswaffen.
Aber misserstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin kein Apologet der Gewalt. Ich weise nur darauf hin, dass Widerstand etwas anderes ist, als in der Hoffnung auf eine einschlägige Darstellung in den Medien auf der Straße mit seinen paarhunderttausend engsten Freunden "lustvoll" und "selbstermächtigt" und um Gottes willen mit korrekten Gendersternchen big party zu machen, in der Erwartung, dass die darob zutiefst erschrockenen und geläuterten Träger der Macht am Ende der Veranstaltung ihre Macht übergeben und ins Kloster gehen.