Weil’s so schön ist, beginnen wir mit einem Gedicht: Du bist so prall und so glänzend /so samten und geschmeidig / das füllige Leben und der Abschied. / Geborgen in Stacheln kamst du zur Reife / Du hast dich geöffnet, um Lebendigkeit zu geben. / Du bist gefallen, um dem Wachsen die Hand zu reichen. / Ich trage Dich bei mir / Du bist mein Schatz ...
Wenn man bierselig im Waldviertler Kloster Pernegg sitzt, kann einem so was schon einfallen. Aber muss so etwas raus, muss die ganze Welt beglückt werden mit der Kastanie, ganz prall und glänzend? „Was raus muss, muss raus“, sagt Matthias Strolz, Parteichef der liberalen NEOS. Prompt druckte die Kronen Zeitung das ihr vom Autor zugesteckte Poem. Kritiker bezichtigt der gute Mann umgehend der „
mgehend der „Fremdabwertungssucht“, die aus mangelndem Selbstbewusstsein rühre.Sogar einen fast fertigen Roman soll Strolz in petto haben – der Mann scheint nicht nur ein politisches Talent, sondern eine epische Goldader. Geht es dagegen um handfeste Wirtschaftspolitik, dann toppt Strolz stets die Forderungen der christkonservativen Volkspartei (ÖVP). Natürlich ist er für Studiengebühren und trommelt für Privatisierungen. Aber aufgepasst, nicht das Wasser soll an Private gehen, sondern die Wasserleitung. Das Pensionssystem soll auf ein Fleximodell umgestellt werden, was nichts anderes heißt, als dass die Leute länger arbeiten müssen. Besonders das gesetzliche Rentenalter von Frauen soll umgehend angehoben werden, so der „Frauenversteher“ (Strolz über Strolz).Anders, aber nicht weniger absonderlich gebärdet sich das in Auflösung befindliche „Team Stronach“. Ohne Befehlsausgabe des Chefs herrscht Chaos. In Niederösterreich hat sich die Landespartei gleich in mehrere Teile zerlegt, in Kärnten ist sie mehr oder weniger vom Spitzenkandidaten gestohlen worden und in Tirol gab es vor der Wahl drei Listen, die sich bis aufs Messer bekämpften. So war 2013 kein Einzug in ein Landesparlament möglich – in einer Zeit, in der man Stronach in Umfragen bundesweit 15 Prozent der Stimmen prophezeite.Groteske FragenDie aktuelle Posse geht so: Kathrin Nachbaur, Stronachs Statthalterin in Wien, tritt – angeblich weil sie Mutter wird – aus der Partei aus, will aber Klubchefin (also Fraktionsvorsitzende) im Nationalrat bleiben. Vorausgegangen waren Differenzen mit dem Grantler aus Übersee. Der strich seiner ehemaligen Büroleiterin daraufhin prompt die saftige Zusatzgage von 140.000 Euro jährlich, was vermuten lässt, dass die Zuneigung etwas abgekühlt ist. Nachbaur droht nun der soziale Absturz von geschätzten 20.000 auf magere 5.000 Euro. Mit solch schmalem Abgeordnetengehalt sieht man ganz arm aus, mit der doppelten Klubchef-Gage geht es sich vielleicht noch gerade aus. Und ehrlich gesagt, wer von uns musste je eine abrupte Kürzung des Monatssalärs von 15.000 Euro hinnehmen? Unterdessen diskutierte die erstaunte Öffentlichkeit die groteske Frage: Muss die Chefin eines Parlamentsklubs auch Parteimitglied sein? Mittlerweile einigte man sich darauf, dass die 35-Jährige bis zur Geburt ihres Kindes das Amt bekleiden darf und nachher abgelöst wird. Ob die Lösung hält oder ob Stronach sie kippt, wird sich zeigen. Angeblich will er einen starken Mann installieren.Auf die Frage, warum sie denn nicht das Amt als Klubchefin aufgibt und lediglich ihr Mandat wahrnimmt, ist Nachbaur keine ernsthafte Antwort zu entlocken. Sie sei zwar aus der Partei ausgetreten, fühle sich aber nach wie vor mit ihr verbunden; sie sei „stolzes Mitglied im Team Stronach Steiermark“. „Ich stehe hinter den Inhalten, ich stehe hinter den Werten“, wiederholt sie bis zum Erbrechen. Noch dazu habe sie zwölf Jahre Managementerfahrung in einem wettbewerbsorientierten Umfeld. „Die Hälfte bei uns sind Unternehmer“, so Nachbaur. Wie ihr Meister glaubt sie, das sei ein Argument – und keine Drohung.Es sind marktliberale Sprechblasen, die da abgelassen werden, ein Vokabelkompott, das zwar auch die herkömmlichen Politiker absondern, das bei denen aber immer nur ein Teil des Repertoires ist. Die Etablierten sind eben breiter aufgestellt. Anders als bei Stronach. Jedoch sind er und seine Parteifiguren keine Realsatire, sondern irre Realität. Diese besteht darin, dass einige Hunderttausend Menschen solche Leute wählen und für gut befinden. Das zentrale Problem sind also die Fans. Der konservativen Journalistin Anneliese Rohrer ist zuzustimmen, wenn sie resümiert: „Das war absehbar. Wir blechen zurecht. Und in vier Jahren ist der Spuk vorüber.“ Doch der Spuk ist noch nicht vorbei, wenn einige Gespenster verabschiedet werden. Die Marke „Stronach“ ist zwar kaputt, aber der Typus noch lange nicht erledigt. Es verschwinden nur einige Obskuranten, damit neue sich in Szene setzen können.Rohe FabrikateMan sollte auch nicht vergessen, dass diese mentale Haltung jene ist, die Stronach in der Wirtschaft groß gemacht hat. Die Scheidung in einen gewieften Kapitalisten und einen vertrottelten Politiker ist nicht zulässig. In seiner Person ist das ein und dasselbe. Der ist authentisch. Auffällig ist, dass es keine Diskutanten gibt, die nicht die ökonomische Potenz des Milliardärs loben. Die vorgebrachte Kritik kapriziert sich so nur auf die Form, nicht auf den Inhalt.Dem politischen System wird das alles freilich nicht guttun. Frank Stronach war zwar mobilisierend für gewisse Wählersegmente, aber ebenso demobilisierend für andere. Was ist von einer Gesellschaft zu halten, die derlei ermöglicht? In der einige Milliardäre sich Parteien kaufen? Auch die NEOS sind übrigens nur zu einer Kraft geworden, weil der Beautycoon Hans Peter Haselsteiner sie großzügig alimentiert.Wir erleben in Österreich die ersten Anflüge einer Oligarchisierung des Politischen. Stronach wie Strolz vertreten die schärfsten Varianten des Marktradikalismus. Im Gegensatz zur FPÖ fehlt diesen Formationen jeder Sozialpopulismus. Sie sind die rohen Fabrikate der neoliberalen Revolution.Placeholder authorbio-1