Ponys on Ice

Sportplatz II Kolumne

In Berlin, wo es bekanntlich extremer zugeht als im Rest der Republik, machen die Eisdielen auf, wenn die Eislaufbahnen schließen. So sehr auch jedes Anzeichen für definitiven Saisonwechsel alles am Berliner in freudige Wallung versetzt, so sehr muss er sich von seiner Eislaufbahn gebührend verabschieden. Immerhin ist die Kufenkunst das einzige Fetzchen Wintersport, das ihm weit und breit zur Verfügung steht, und so etwas wie der 400-Meter-Eislaufring im Wilmersdorf, immer von neuesten Schlagern beschallt und adoleszenztechnisch betrachtet ein prima Äquivalent zum Freibad, versüßt so manchen grauen Wintertag. Das macht einen Abschied vom Eise nötig, und so dürfen, als Übergangsritual sozusagen, direkt nach Ende der Saison (die Eisdielen sind schon offen) Motorräder aufs gefrorene Nass oder Pferde.

Im Horst-Dohm-Stadion Wilmersdorf gab´s daher die überhaupt ersten Islandpferde-Europa-Meisterschaften auf Eis. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, imaginiere folgendes: Ein Lokalereignis, die Ränge und kalten Steinstufen des Stadions sind vollgepackt mit aufgeregten Kindern, denen sorgende Mütter isolierende Sitzkissen unter die zappeligen Hintern schieben. Von der Imbissbude "Eisbärchen", die einen Saisonwechsel fürs Bratfett auch dringend nötig hat, weht es kräftig rüber. In Island machen sie das ständig, sagt der Lautsprecher, mit Pferden aufs Eis gehen. Die Tiere haben eine Art Spikes unter den Hufen und kennen kein Rutschen. In Flutlicht (noch ist Winterzeit) und künstlichem Nebel rennen sie heran, die kleinen Geschöpfe, auf denen nur zierliche Damen und Hobbits wirklich gut aussehen, ihre imposant punkig gestutzten Mähnen zappeln mit im Schritt. "Wie beim Herrn der Ringe" ruft es von hinten, ja, das möchte man meinen.

Einzig das Islandpferd kennt die Gangart "Tölt", kann man bei der Gelegenheit lernen, das heißt, es macht vorne Galopp und hinten Trab oder umgekehrt, was eigenartig aussieht und sich stufenlos beschleunigen lässt. Je flotter das Pferd, desto ruhiger wirkt es unten, während oben beim Jockey das Hoppeln erheblich zunimmt. Mit bis zu 50 Stundenkilometern fegen Ross und Reiter im Rennlauf übers Eis, man bangt aber unnötig, dass ein Pferdchen aus der Kurve fliegt. So ein Isländer ist nervenstark.

Wer einmal das Wesen eines Islandpferdes kennengelernt hat, heißt es, möchte seinen inneren Gleichmut nicht mehr missen. Das gilt auch vom Hauptstadtbewohner, er sucht ganz jahreszeitbedingt sein Glück. Die Berliner Islandpferde Freunde - ein e.V. - tölten im Sommer schlicht auf unvereistem Gelände. Und im Treptower Spreegewässer gab´s schon eine Mini-Segelregatta auf kleinstem Raum, für alle Freunde des anderen Aggregatzustands, Beachlife-Atmosphäre inclusive. Adieu Eislaufbahn.


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