Pressekrieg

Linksbündig Von der Kampagne zur Farce

Zunächst sah es aus wie eine Kampagne der konservativen Blätter gegen die rot-grüne Regierung. Zuerst schoss einer der FAZ-Jungschützen auf den Satiriker Harald Schmidt mit dem Argument, der beweise zu wenig Ernst angesichts von Millionen Armer und Arbeitsloser. Ebenso gut könnte man Nonnen das Beten vorwerfen. Aber dann zog der emeritierte Professor Arnulf Baring mit einem Aufruf zur "Revolution" ins Gefecht. "Revolution" im Geiste von lebenslänglich Verbeamteten? Dass die Skurrilität ernst gemeint war, zeigte sich einen Tag später. Bild kürte Baring zum "Vordenker Deutschlands" und druckte den FAZ-Artikel nach. Das von klugen Köpfen Geschriebene und Gelesene erwies sich als bestens kompatibel mit dem Groschenblatt und mit den populären Kurzsätzen. Man konnte das als Fanal zur Kampagne gegen die Regierung deuten, wenn man sich daran erinnert, wie Springers Artilleristen in Kooperation mit Ressentiment-Spezialistinnen wie Bettina Röhl gegen Fischer, Trittin und die ganze grüne Führungsriege in den letzten Pressekrieg zogen. Trotz schwerer Geschütze - Bildfälschung, Zeitzeugenmassage und Demagogentricks - wurde die grüne Bastion nicht sturmreif geschossen. Springers Armee blieb zwar im selbst aufgewühlten Dreck stecken, aber eine Schlacht war es schon.

Und dieses Mal? Kaum begonnen, löste sich Schirrmachers Kampagne in Luft auf. Bild hatte keine Lust den "Vordenker" Baring, der sich mit seinen Rezepten wie mit seiner Diktion blamiert hatte, weiterhin zu pflegen. Ausgesprochen mühsam wurde in der FAZ solo weitergefochten mit dem aussichtslosen Versuch, den Vergleich der Kanzler Schröder und Brüning zu retten. Filmkritiker dilettierten im Historischen und Literaturkritiker mühten sich mit Sozial- und Rentenpolitik ab. Den peinlichsten Tiefpunkt erreichte das FAZ-Scharmützel mit dem Beitrag des Nachwuchspoeten Rainer Merkel (FAZ 6.12.02). Er trug in seinem "Notruf aus der Generation der Verlierer" ein paar Klischees über "fröhliche Alte" ("schwarzwälderkirschtortenbewaffnete", "kamelfarbene Socke") vor, die in "süßstoffgeschwängerter Andacht" im "antizipationslosen Autismus der Rundumversorgung" ihre Rente verprassen, während der arme Poet aus der "New-Economy-Branche" verzweifelt in die Zukunft blickt - "die Wüste des Alters" mit "Altersarmut". Eine solche Sprache, sagte Merleau-Ponty, erfindet man nicht - "man trägt sie in sich." Die Kampagne, die mit dem Ruf nach "Barrikaden" und "Aufstand" begann, endete in weinerlichem Gesülze und purer Lächerlichkeit.

Als ob es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die vielleicht geplante, vielleicht improvisierte Kampagne längst zur Farce geworden war, bestieg Don Frank Schirrmacher von La Mancha seine alte Rosinante und hetzte sie ins letzte Gefecht (FAZ 17.12.02). Publizistisch in die Defensive geraten und persönlich zur Spottfigur geworden, entschloss sich Ritter Frank zur Konterattacke mit der totalen Verbalkeule. Damit die so richtig treffend knallt, musste er sich den feindlichen Pappkameraden - die Grünen - erst zusammenbasteln. In Schirrmachers Phantasiewelt wird deshalb aus dem eher braven und konfusen grünen Kobold ein Riese: "Bewegung der Aufrechten, Avantgarde, Anführer, Wegbereiter" mit obligatem "revolutionärem Elan", kurz: die Keimzelle aller "ökologischen, biologischen, medizinischen Werte in der Gesellschaft".

Ist die grüne Partei zum gesellschafts-, welt- und obendrein menschheitsrettenden Riesen aufgepumpt, folgt der finale Stoß. Sancho Pansa Francis Fukuyama singt das Requiem auf "unsere nachmenschliche Zukunft". Dann besteigt Don Frank die Kanzel und verkündet den "späteren Menschen", bevor er die Grünen mit seiner Verbalkeule totschlägt, warum diese Verräter sind: Während der Ritter und sein Knappe mit dem Klonen, mit Erbgut-Patenten und Embryonenschutz - also im FAZ-Feuilleton - verbal Krieg führen, reden die Grünen über "das Zwangspfand auf Bierdosen" und arbeiten an ihren Karrieren als Minister (Künast, Trittin) oder Prodi-Nachfolger (Fischer). Letzteren trifft außer dem Vorwurf des Verrats verschärfend jener der Faulheit: "Mehr als zwei Jahre keine einzige buchenswerte Äußerung."

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden