Profiteri

Linksbündig Jura-Professoren machen dem Lotto den Otto

Professor, das Wort stammt aus dem Lateinischen und zwar von profiteri, einem Verb, das so viel heißt wie "öffentlich bekennen". Profiteri ist sozusagen ein amicus falsus, wenn die Wortnähe dazu verleiten sollte zu glauben, dass profiteri etwas mit Profit (von profectus - Zunahme, Vorteil) zu tun hat. Aber auch wenn man das Latinum hat, wie wohl die meisten deutschen Jura-Professoren, lässt sich ab und an das eine mit dem anderen verbinden.

Eine solch glückliche Fügung ist aktuell einem Kampf zu verdanken, den einer der Beteiligten in einer großen Zeitungsanzeige auf die esoterisch anmutende Frage brachte: "Wem gehört das Glück?" Aber, wie so oft, wenn es angeblich ums Glück geht, geht´s in Wirklichkeit ums Geld. Lotto zum Beispiel ist eine ziemlich einträgliche Sache. Nicht so sehr für die Gewinner und erst recht nicht für die anderen 98,1 Prozent der Teilnehmer, sehr wohl aber für die Veranstalter. Lange Zeit hatten die Bundesländer ein Glücksspiel-Monopol, und der Deutsche Lotto- und Toto-Block hat die Zockersucht in klingende Münze für den Fiskus (und die aufgeblähten Apparate der Lottogesellschaften) umgesetzt. Kein Wunder, dass andere Glücksritter genäschig wurden. Private Anbieter, etwa von Sportwetten, drängten auf den Markt. In Zeiten von Internet und Globalisierung, Liberalisierungsdruck und Lobbyismus ließ sich das Glücksspielmonopol des Staates nicht mehr ohne Risse halten. EU-Kommission, Bundeskartellamt und Gerichte wollten zumindest eine gute Rechtfertigung hören, warum das Abzocken allein dem Staat vorbehalten bleiben muss. Ergebnis ist der Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrags, der 2008 in Kraft treten soll, um die Privilegien der Bundesländer zu retten. Die Frage nun: verstößt der Glücksspielstaatsvertrag gegen Europarecht?

Wenn sich Lottchen Normalverbraucherin fragt, ob der Baum des Nachbarn gegen Nachbarrecht verstößt, geht sie zum Anwalt, der geht zum Gericht und das Gericht entscheidet, wobei die Entscheidung meist so vorhersehbar ist wie eine Lottoziehung. Wenn sich aber große Unternehmen Rechtsfragen stellen, kaufen sie sich die teuersten Anwälte, und die kaufen sich teure Gutachten von verbeamteten Professoren, die wundersamerweise immer zu dem Ergebnis kommen, dass das Auftrag gebende Unternehmen Recht hat. Damit gehen die Anwälte dann in Verhandlungen. Neuerdings gehen sie damit nicht nur in Verhandlungen, sondern auch in die mediale Offensive. Sie schalten ganzseitige Anzeigen in allen größeren Tageszeitungen mit der Überschrift "Gegen das Lottochaos" - und einem Auftritt der Models: Graumelierte Herren, dank Bildunterschrift als Professoren renommierter Universitäten ausgewiesen, erregen sich gegen den geplanten Coup der Bundesländer. Mit einigen Sätzen sind sie zitiert, in denen sie juristisch gewunden zu erkennen geben, dass das doch wohl ziemlich unfair ist, wenn nur die Länder Lotto und Sportwetten anbieten dürfen.

Fünf Herrenköpfe in Passbildgröße boten die privaten Anbieter auf, doch die Bundesländer keilten drei Tage später mit sechs Richtigen zurück: "Ministerpräsidenten auf dem richtigen Weg - Staatsvertrag verfassungs- und europarechtlich zulässig", bescheinigten andere Professoren diesmal. Alle Angaben, wie immer, ohne Gewähr.

Die Zeitungsanzeigen machen einen Missstand der Universitäten öffentlich. Nein, nein, nicht den Missstand, dass Juristen keine klaren Ergebnisse produzieren können - getreu dem alten Vorwurf: zwei Juristen, drei Meinungen. Es geht auch nicht darum, dass Professoren vielleicht eher dem Gemeinwohl oder gar ihren Studenten verpflichtet wären statt ihre Zeit und ihren staatlichen Ruf an zahlungskräftige Mandanten zu verscherbeln. Woran es wirklich hapert: die Verkoofe! Die professoralen Zeitungsanzeigen muffen, als würde noch Klementine die Talare waschen. Reichlich unbeholfen etwa setzen sich die Professoren ins Bild: Verkniffene Augen hinter dicken Brillen, langweilige Bücherwände, schiefe Zähne, karierte Jacketts - einzig Ministerpräsidenten-Professor Torsten Stein (Uni Saarbrücken) und Lottochaosgegner-Professor Georg Hermes (Uni Frankfurt) lassen einen Hauch von Boston Legal ahnen. Die aus den Gutachten zitierten Sätze - zu lang, zu kompliziert, zu fremdwortlastig. Das ginge knackiger! Ein tolles Bekenntnis der Profiteure etwa wäre einfach: "Wir machen dem Lotto den Otto!"


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