Putin wird nicht Amerikaner

Kommentar Russlands euroasiatische Karte

Es ist unübersehbar! Die Symptome Putinscher Westorientierung häufen sich. Es begann mit dem Beitritt Russlands zur "Allianz gegen den Terror" im Herbst 2001. Es folgten die aktive Unterstützung des US-Feldzugs gegen Osama bin Laden und die Taleban, die Akzeptanz von US-Truppen in Usbekistan, die Besänftigung russischer Militärs, die amerikanische Berater in Georgien als Schlag gegen die Interessen Russlands beklagten, zuletzt die Gründung eines reformierten NATO-Russland-Rates.
Wladimir Putin erwartet im Gegenzug Investitionen aus den USA, die seinen Modernisierungkurs befördern. Optimisten in amerikanischen Think-Tanks haben bereits das Stichwort der DUOpolarität ausgegeben, das eine Welt projiziert, in der die führende Industriemacht USA und der führende Rohstofflieferant Russland gemeinsam für globale Stabilität sorgen. Wladimir Putin wird daher nicht müde zu betonen, dass der von ihm verfolgte Westkurs voll und ganz im eigenen Interesse liege und von der Bevölkerung geteilt werde. Das wird der Realität nur teilweise gerecht: Umfragen in Moskau zum Bush-Besuch ergaben, dass magere 29 Prozent der Befragten positive Erwartungen hatten. Gleiches galt für die NATO: Die große Mehrheit der Russen deutet deren Erweiterung noch immer als feindliche Einkreisung.
Bei Lichte besehen agiert selbst Putin in Sachen Westintegration weiterhin ambivalent, denn seit seinem Amtsantritt hat der Präsident immer wieder betont, dass Russland "ein euro-asiatisches Land" sei, ein - so wörtlich - "besonderer Knoten der Integration, um Asien, Europa und Amerika zu verbinden". Da war es nur konsequent, während des Bush-Besuches einen Wirtschaftsboykott gegenüber Teheran ebenso abzulehnen wie eine Teilhabe an Kriegsvorbereitungen gegen Bagdad. Und während in Reykjavik der neue NATO-Rat beschlossen wurde, gab Moskau zugleich grünes Licht für eine Militärallianz mit Belarus, Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Armenien, die den verschlissenen Vertrag zur kollektiven Sicherheit" von 1992 erneuert. Und noch einen Kontrapunkt setzte Putin in den Verhandlungen um Kaliningrad, indem er künftiges Wohlverhalten in Sachen EU- und NATO-Erweiterung von Konzessionen Brüssels gegenüber Moskau in dieser Frage abhängig machte. Letztes Signal ist die Gründung einer Euroasiatischen Partei durch Alexander Dugin. Schon 2001 hatte der gar mit Hilfe des Präsidialamtes die Euroasiatische Bewegung aus der Taufe gehoben. Jetzt entstand nun eine politische Kraft, die für sich in Anspruch nimmt, die Balance Russlands zwischen Europa und Asien, zwischen Sowjetökonomie und Markt zu garantieren, was die Kommunisten als letzte effiziente Oppositionspartei einschließt. Daran kann Wladimir Putin vorläufig nicht vorbei - selbst wenn er es wollte.

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