Je irrwitziger die Geschwindigkeit des Börsenhandels, desto größeres Augenmerk schenken die Medien schnellen Kursrutschen. So wurden die Verluste der vorvergangenen Woche zu einem großen Thema. Doch jede größere Kursbewegung ist das Resultat von Millionen Transaktionen, ihre Motive sind nicht erkennbar.
Nützlicher ist der Versuch, das Spiel in seiner Gesamtheit zu begreifen. Als ich 1986 die Schwankungen des Dollarkurses erforschen wollte, interviewte ich zwei Tage lang Devisenhändler in Frankfurt. Bereitwillig erklärten mir die Händler ihre „technischen“ Handelssysteme. Sie beruhten auf – damals noch einfachen – Algorithmen und verwerteten nur vergangene Kurse. Nur: Laut der Theorie der Markteffizienzhypothese ist ein Markt dann effizient, wenn Informationen eingepreist sind und man mit derartigen technischen Modellen eben keinen Profit machen kann! Zugleich dominierte schon damals das „technical trading“. Daraus folgte ein unlösbares Dilemma für die Theorie: Entweder sind die Modelle profitabel, dann wären die freiesten Märkte völlig ineffizient. Oder die Modelle sind nicht profitabel, dann wäre die Annahme rationalen Verhaltens falsch. Ich nahm die Fährte auf.
Meine Analysen ergaben: Spekulationssysteme sind zumeist profitabel, allerdings braucht es Erfahrung – für Amateure gibt es einige „Fallen“. Außerdem wird das Trading immer schneller: Vor 25 Jahren waren Modelle auf Basis von Tageskursen noch profitabel, heute werden höhere Datenfrequenzen verwendet. Dafür braucht es komplexe Algorithmen.
Alle Systeme zielen darauf ab, das „trending“ spekulativer Preise zu nutzen: Diese verändern sich nämlich in Schüben. Die „trend-following systems“ springen in der Frühphase auf (kaufen, wenn’s aufwärtsgeht), die „contrarian systems“ setzen in der Spätphase auf eine Gegenbewegung. In ihrer Gesamtheit verstärken die Signale der Spekulationssysteme Muster und Geschwindigkeit der Kursdynamik.
Dominiert eine optimistische Marktstimmung („bullishness“), dann reagieren Trader stärker auf gute als auf schlechte Nachrichten und „investieren“ mehr in einen „run“ nach oben als nach unten. Aufwärtstrends dauern daher etwas länger als Gegenbewegungen, stufenweise entwickelt sich ein Bullenmarkt: Mehrere Mini-Trends auf Basis von Minutendaten, unterbrochen von erratischen Bewegungen („whipsaws“), ergeben einen Trend auf Basis von Stundendaten, diese akkumulieren sich zu Trends auf Basis von Tagesdaten, Letztere zu einem mehrjährigen Bullenmarkt. Analog entwickelt sich ein Bärenmarkt. Mit der Dauer eines Bullen- oder Bärenmarkts wächst der Zweifel an seiner Fortsetzung, außerdem zeigen sich Folgen in der Realwirtschaft. So wird eine steigende Überbewertung einer Währung Exporte und damit das Wachstum dämpfen. Jeder Bullen- und Bärenmarkt bereitet also den Boden für sein Ende. Deshalb reagiert die Finanzwelt so nervös auf die jüngsten Kursverluste: Die Börsenwerte der Unternehmen sind seit 2009 auf mehr als das Dreifache gestiegen, obwohl ihre „wahren“ Werte mangels realer Netto-Investitionen stagnierten, die Kurse sind also „reif“ für einen Bärenmarkt.
Lassen wir das Geld arbeiten
Ich bin in den 1950er und 1960er Jahren aufgewachsen. Bei stabilen Wechsel- und Aktienkursen, Rohstoffpreisen und Zinssätzen konnte sich das Gewinnstreben nur in der Realwirtschaft entfalten, ähnlich wie in China seit fast 40 Jahren. Vollbeschäftigung, Ausbau des Sozialstaats und sinkende Staatsverschuldung waren kein „Wunder“, sondern Folgen der „realkapitalistischen Spielanordnung“. Vielleicht hat mich auch das „Glück der frühen Geburt“ zu der Hypothese geführt: Die „finanzkapitalistische Spielanordnung“ ist die systemische Hauptursache der Krise Europas.
Seit fast 50 Jahren schwanken Wechselkurse, Rohstoffpreise, Aktien- und Anleihekurse in einer Abfolge von Bullen- und Bärenmärkten. Dies hat drei Hauptfolgen: Die damit verbundenen Bewertungsänderungen verursachen Ölpreisschocks, Schulden- und Finanzkrisen. Die Unternehmen verlagern ihr Gewinnstreben von Real- zu Finanzinvestitionen. Die Mentalität „Lassen wir unser Geld arbeiten!“ breitet sich aus.
Nach dem Aktiencrash 2000 bauten drei Bullenmärkte bei Aktien, Rohstoffen und Immobilien ein enormes „Absturzpotenzial“ auf, das sich 2007/2008 in drei Bärenmärkten entlud. Seit fast 50 Jahren hat der Unternehmenssektor viel mehr Finanzkapital gebildet als Realkapital, das Wirtschaftswachstum sank, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung stiegen. Diese Probleme wurden nicht als Folge deregulierter Finanzmärkte, sondern als die überregulierter Arbeitsmärkte und des Sozialstaats begriffen. Seine Schwächung wurde zum „Sachzwang“ und erweiterte den Geschäftsbereich der Finanzwirtschaft, besonders in der Altersvorsorge. All das wird durch eine Theorie legitimiert, die den Menschen nur als eigennütziges Wesen begreift. Doch der Finanzkapitalismus nährt einen anderen Eigennutz als der Realkapitalismus. Für einen Trader gilt: Je mehr die anderen verlieren, desto mehr gewinnt er selbst. Ein Unternehmer muss hingegen auch die Interessen seiner Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter berücksichtigen.
Realkapitalismus ist ein Plus-Summen-Spiel: Profit wird gemacht durch die Produktion „größerer Kuchen“, und das geht nur gemeinsam. Also zahlt sich soziales Verhalten im Sinn von Interaktion aus. Finanzkapitalismus in reiner Form ist hingegen ein Null-Summen-Spiel. Profit wird gemacht auf Kosten anderer. Also zahlt sich egoistisches Verhalten aus, „Liebe zum Geld“ ersetzt Vertrauen. Beides hat auf uns alle „abgefärbt“.
Finanzkapitalistische „Spielanordnungen“ zerstören sich selbst. Ökonomisch, weil immer mehr Finanzvermögen geschaffen werden, die keine realwirtschaftliche Deckung haben (überbewertete Aktien, faule Kredite, Staatsanleihen). Sozial, weil die Ungleichheit immer mehr steigt. Politisch, weil sich immer mehr Menschen von den Traditionsparteien abwenden, die durch „Marktreligiosität“ Identität und Orientierung verloren haben.
Nach einer Finanzschmelze sind unterschiedliche Wege möglich. In der Depression nach dem Börsenkrach 1873 organisierte sich die Arbeiterbewegung und setzte vieles in kleinen Schritten durch, insbesondere die größte politische Innovation Europas, den Sozialstaat. Nach dem Börsenkrach 1929 gelang es Roosevelt mit seinem New Deal, ein breites Bündnis zu schmieden. In Deutschland hingegen waren die Traditionsparteien völlig zerstritten, Hitlers Versprechen von sozialer Wärme und Ordnung in der Volksgemeinschaft wurde attraktiv. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügten die Eliten Europas zwar über eine gemeinsame, realkapitalistisch-sozialstaatliche „Navigationskarte“ auf Basis des Keynesianismus, doch Politik wurde für die Bürger gemacht, immer weniger mit ihnen, sie wurden zuerst mit dem Wiederaufbau und dann mit dem Konsum beschäftigt. Außerdem schienen die Errungenschaften des Sozialstaats für immer gesichert, „Verteidigungsmanöver“ also unnötig.
Die neoliberale „Gegenoffensive“ musste daher „nur“ die Eliten zur „Marktreligiosität“ bekehren. Ihr größter Stratege, Friedrich A. von Hayek, formulierte schon 1949: Wir müssen die Intellektuellen zu „unserem Glauben bekehren“, der Rest erledige sich dann von selbst. In der Tat: Seit der „Neoliberalisierung“ der Ökonomik reproduziert sich diese Weltanschauung durch Ökonomenproduktion. Gleichzeitig wurden durch „Ent-Fesselung“ der Finanzmärkte jene Probleme geschaffen, die den Abbau des Sozialstaats und die Privatisierung der Politik zu Sachzwängen machen.
Ohne aufgeklärte Eliten, ohne aufgeklärte Bürger und ohne „Navigationskarte“ wird die kommende Finanzkrise kaum für eine Wende zum Besseren genutzt werden können.
Kommentare 7
"Lassen wir das Geld arbeiten"
Sicher eine ironische Überschrift ?? Denn so ein Satz kommt einem ja nur in den Sinn, wenn man eben nicht über den eigenen Tellerrand schaut. Geld arbeitet nicht. Das weiß heute jeder? Die Illusion, Geld würde arbeiten, führt geradewegs in das Desaster, das Sie hier zum Teil beschreiben wollen. Aber eben nicht nur in das eines destruktiven Finanzkapitalismus, der sich erst ergibt, wenn die Realwirtschaft sich weit genug in einem typischen kapitalistischen Geldsystem- und Entwicklungszyklus einerseits monopolisiert und ermächtigt, andererseits aufgerieben und entwertet hat. Diese Phase der Instabilität führt zu einem Transformationsversuch des Kapitals. Man redet heute von der Digitalisierung des Kapitalismus. Das ist ein ähnlicher Vorgang wie schon gehabt zB. in der frühen Industrialisierung durch etwa die Dampfmaschinen oder später durch den Taylor- bzw. Fordismus. Diesen Transformationen geht Elend voraus und sie erzeugen viel Elend durch die damit einhergehende totale Umstrukturierung der Gesellschaft. Dieses Krisenprinzip ist durchaus bekannt. Man schaue bei zB. Wallerstein nach. Und wir befinden uns akut mitten in einer solchen Transformation.
Der Kapitalismus funktioniert also ganz nach Plan. Er ist dieses ausgesprochene Krisenprinzip. Die Krisenphase ist dabei die attraktivste Gewinnphase wie man deutlich sieht - zumindest für die Gewinner. Das der Kapitalismus gleichzeitig auch immer sehr sehr viele Verlierer braucht, muss man sicher nicht en Détail erklären, denn das ist ja gerade das Krisenprinzip. Die Krise des einen ist der Profit des anderen, die Krise der Vielen der Profit der Wenigen. Und wenn "es" nicht weiter geht kommt der Wahnsinn der Spekulation mit heißer Luft, bei der sich hauptsächlich die ganz großen Player polstern, um die Krise bzw. die für sie notwendige Transformation halbwegs ungeschoren überstehen zu können und dann ....
Wenn wir also den Kapitalismus und seine Strukturen kritisieren, dann brauchen wir vor historischem Hintergrund nicht mehr darüber reden, ob da was reguliert oder reformiert werden kann. On the long run geht da nix. Der Kapitalismus assimiliert sogar die Planwirtschaft, wenn es denn sein muss.
Es ist also nicht die Frage zwischen realökonomischem Kapitalismus und Finanzkapitalismus. Das eine geht eben nicht ohne das andere. Nein, es geht um die Frage: Kapitalismus oder nicht? Und weil sich sehr viele, komischerweise auch der Verlierer, schwer tun diese Frage auch nur ansatzweise zu behandeln, stellt man sie besser in einer anderen Form.
Demokratie oder nicht? Zu dieser Frage werden sich die meisten für Demokratie aussprechen, selbstverständlich. Ist doch die Demokratie das geheuchelte Feigenblatt des modernen Kapitalismus. Geht es aber an die Umsetzung einer Demokratie in die Praxis oder auch nur um deren theoretische Antizipation, wird schnell klar, das Kapitalismus und Demokratie nichts mit einander zu tun haben, sich widersprechen, inkompatibel sind. Kapitalismus ist eine hierarchische Struktur und Gesellschaftsordnung, Demokratie eine egalitäre.
Das Beste was man machen kann ist also für eine Demokratie zu kämpfen.
Ist diese erreichbar, wird sich die Problematik um den Raubtier-Kapitalismus und sein programmatisches Krisenprinzip schnell lösen lassen, nämlich auf demokratischem Weg. Die vielen Verlierer werden sich in einer Demokratie gegen das programmatische Verlieren im Kapitalismus aussprechen. Demokratie führt unweigerlich in eine nicht hierarchische Solidargesellschaft, eine Art Kommunismus ohne Hierarchie.
Ist Demokratie trotz Bemühungen nicht erreichbar, wird sehr viel deutlicher, was der Kapitalismus ist. Er erweist sich als das indoktrinierende und totalitäre Herrschaftssystem, das er ist, das selbst den freien Willen, die Freiheit, das Leben zur Ware macht, die sich die Gewinner nur kaufen können, weil es so viele Verlierer gibt. Was dieser Erkenntnisgewinn auslösen kann, bliebt offen. Einen kleinen Eindruck davon haben wir aber bereits alle in der akuten Transformation und seinem diesmal nahezu globalen Elend, denn die Kriegstrommeln werden geschlagen; dieses mal ein eindeutiges Symptom dafür, dass die vielen Verlieren erkennen, dass die Demokratie im Kapitalismus eine Lüge ist. Denn gegen wen wird im Kapitalismus Krieg geführt? Natürlich gegen die Verlierer. Man lässt sie gegeneinander kämpfen, um von den strukturellen, sozialen, ökonomischen, systematischen, paradigmatischen etc. Problemen und ideologischen Ursachen abzulenken, um das Krisenprinzip,um das Paradigma selbst des Kapitalismus und Herrschaftssystems zu schützen, das Eigentum, das sich auf der Krise des Anderen begründet seit es etwa vor 4500 Jahren in Persien ”erfunden” wurde.
die kirche der selig-machenden markt-radikalität
steht nun in glaubens-konkurrenz zur kirche der nationalen rettung
(beide sogar gleich-zeitig in einem verein namens afd).
über den atlantik leuchtend: papst trump.
beide glaubens-richtungen stehen gemeinsam
gegen den drei-faltigen satan:
recht, gesetzliche regelung und zivil-gesellschaftliche ansprüche.
alt-heiligen schriften und ewigen wahrheiten abgeneigt:
gilt es, die heils-erwartungen der gläubigen
durch kurz-getaktete repetitive botschaften zu nähren,
irdisch-sündigem fakten-glauben
durch gesponsorte verheißungen die basis zu entziehen.
"nur wenn ihr werdet wie die naiven kindlein,
werdet ihr ins himmelreich eingehen,
in dem einige(few/promis) es uns schon vor-leben."
<<Die vielen Verlierer werden sich in einer Demokratie gegen das programmatische Verlieren im Kapitalismus aussprechen. Demokratie führt unweigerlich in eine nicht hierarchische Solidargesellschaft, eine Art Kommunismus ohne Hierarchie.>>
Eine steile These! Demnach dürften die USA schon längst keinen Kapitalismus mehr haben. Und dass die Verlierer vor einem Jahr den Erzkapitalisten Trump gewählt haben, muss eine Fake-News sein.
Oder aber der Autor versteht unter "Demokratie" irgendetwas anderes? Darauf deutet diese Aussage hin: <<Die vielen Verlierer werden sich in einer Demokratie gegen das programmatische Verlieren im Kapitalismus aussprechen. Demokratie führt unweigerlich in eine nicht hierarchische Solidargesellschaft, eine Art Kommunismus ohne Hierarchie.>> Gesellschaften, die sich als "demokratisch" definieren, aber anders ticken als die US Demokratie wären z.B. China und Russland. In beiden Ländern stehen sich viele Verlierer und wenige Gewinner besonders krass gegenüber. Die politische Willensbildung hängt von einem "starken Mann" ab, der sich entweder auf eine Hierarchie von ihm ergebenen Oligarchen stützt oder auf eine hierarchisch durchorganisierte Einheitspartei.
Oder schwebt dem Autor beim Stichwort "Demokratie" das Rußland Jelzins nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor, als mehrere Parteien einigermaßen fair miteinander konkurrieren konnten und das Volksvermögen in Form von Anteilsscheinen an die Werktätigen verteilt wurde? Das Ergebnis war leider, dass sich das Volk die Anteilssscheine von wenigen Oligarchen abkaufen ließ und weiter in Armut ohne Mitsprache verharrte.
Ich glaube die Wahrheit ist eher diese: Die vielen Verlierer lassen sich vom Glanz der wenigen Gewinner verführen, dass sie es als Individuum vielleicht auch mal "nach ganz oben" schaffen werden. Daher wäre es kontraproduktiv, sich diese eventuelle individuelle Chance durch Rebellion zu versauen.
@ iDog
So einfach ist es nun doch nicht mit der Aussage, dass "Geld nicht arbeiten würde".
Wenn man 50.000 Euro in einer Plastiktüte in den Schrank legt, dann "arbeitet" dass Geld sicherlich nicht. Ganz im Gegenteil, am Ende des Jahres kann man sich inflationsbedingt sogar etwas weniger dafür kaufen als am Jahresanfang. (Das gilt beim aktuellen Zinsniveau der EZB allerdings auch dann, wenn man das Geld z. B. auf einem Tages- oder einem Festgeldkonto "anlegt".)
Wenn sich ein sogenannter "Investor" oder präziser gesagt, ein Kapitalanleger z. B. in den 70er Jahren in München, Stuttgart oder Hamburg für 100.000 DM eine Eigentumswohnung in guter bis sehr guter Lage gekauft hat, dann hat er seitdem Monat für Monat und Jahr für Jahr eine ordentliche Miete kassiert und kann die ETW heute inflationsbereinigt für mehr als eine Million Euro verkaufen. In diesem Fall hat das Geld unzweifelhaft "gearbeitet" und zwar wesentlich härter als die meisten Arbeiter, Angestellten und Beamten, deren Löhne, Gehälter bzw. Besoldungen in diesem Zeitraum zwar auch gestiegen sind, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß wie die Immobilienpreise und Mieten in den oben genannten Städten. Warum sonst werden die Einkünfte aus VuV (Vermietung und Verpachtung) und Kapital im "christlichen" Merkelland bei der Einkommen-/Lohnsteuer und der Sozialversicherung besser gestellt als die Einkünfte der Malocher. Warum gibt es eine Mehrwertsteuer auf Babywindeln, aber keine Finanztransaktionssteuer? Oder liegt es daran, dass "Mutti" Merkel immer so wunderschöne Sätze raushaut wie z. B. : "Deutschland geht es gut"?
Das Beispiel mit der Eigentumswohnung ist selbst für die Leser der "Bild" und die meisten Smalltalk-Gäste bei Frau Illner vielleicht noch durchschaubar. An den intransparenten "Finanzmärkten" geht es aber schon lange nicht mehr um derartige Zeiträume und solche geradezu lausigen Beträge, sondern um anonyme "Geldanlagen" in Milliardenhöhe, die um 10:45:02 Uhr gekauft werden und um 10:47:00 wieder verkauft werden.
Die Entscheidung über die "Geldanlage" treffen auch keine "Investoren" im klassischen Sinn, sondern Algorithmen, die wiederum auf statistischen Methoden und Wahrscheinlichkeitsberechnungen beruhen. Es spielt bei der Geldanlage daher auch keine Rolle, ob es sich um ein bestimmtes Unternehmen, Diamanten, Kaffee, Rohstoffe im Allgemeinen, Grundnahrungsmittel, Panzer, Guguruz oder Vermögensverwaltungen handelt, die sich an anderen Unternehmen beteiligen, die sich an anderen Unternehmen beteiligen. Es ist auch vollkommen egal, ob mit der "Investition" per Saldo Arbeitsplätze geschaffen oder vernichtet werden und welche Qualität diese Arbeitsplätze ggf. haben.
Nichstdestoweniger sprechen die meisten Journalisten, Politiker und neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler im "christlichen" Merkelland in diesem Zusammenhang aber immer noch wie die kleinen Kinder von "Investoren", obwohl es sich um Spekulanten handelt. Liegt das an mangelhafter sprachlicher Bildung oder daran, dass Spekulation einen negativen Beigeschmack hat und vor allem Politiker jedem Spekulanten, der sich als "Investor" bezeichnet, in den Allerwertesten kriechen?
Natürlich produziert Geld selbst nichts. Aber das Problem ist nicht das Geld per se, sondern die Tatsache, dass es seit den 70er Jahren zu viel Geld gibt, diese Geldmenge extrem einseitig verteilt ist bzw. sich auf ein wenige konzentriert, die deutsche Bundeskanzlerin "Mutti" Merkel mit ihren monetaristischen Hardlinern in der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank inzwischen ganz Europa mit billigem Geld geradezu überflutet hat und die Konzentration auf wenige Superreiche noch weiter zunehmen wird.
Es sei denn, man will das Geld in seiner Funktion als solches abschaffen und wieder zurück zur einfachen Tauschwirtschaft. Auch nach dem 2. Weltkrieg hat es für eine kurze Zeit lang eine Zigarettenwährung gegeben. Sollten wir unbedingt mal wiederholen oder etwa nicht?
"Eine steile These! Demnach dürften die USA schon längst keinen Kapitalismus mehr haben. " usw ...
Sie wissen also nicht was Demokratie ist ? Kann nicht sein, oder?
In den USA gibt es jedenfalls keine Demokratie, nicht in China, nicht in Russland... nirgendwo. Nach den Aussagen der us-amerikanischen Carter Foundation war die bislang demokratischste Wahl aller Zeiten die v0n 1992 in Venezuela. Da wurde Chavez gewählt. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Die anstehenden Wahlen in Cuba sehen auch recht vielversprechend aus. Dort sind zB. politische Parteien oder deren Mitglieder nicht zur Wahl zugelassen, sondern ausschließlich unabhängige Einzelkandidaten, also Bürger, die ihre persönliche Position öffentlich vertreten. Raul Castro kandidiert übrigens nicht....
Es sieht ganz so aus als sei Demokratie etwas ganz anderes als das Kasperletheater in den kapitalistischen Staaten, denen der Begriff "Demokratie" wie gesagt nur als ideologisches Feigneblatt dient, mit anderen Worten als Lüge. Wussten Sie, dass bis Mitte der 19.JHs. der Begriff "Demokrat" ein Schimpfwort war, und erst in der 2. Hälfte des JHs dann von den USA ausgehend zum Schlüsselbegriff der kapitalistischen Herrschafts-Propaganda wurde?
Ihr oben zitierter Satz und ihr ganzer Kommentar macht also in sofern keinen Sinn, als dass Sie davon ausgehen, es gäbe Demokratie, was allerdings nicht der Fall ist. Was nun? Könnte es sein , dass es Gründe gibt, dass Bestrebungen Demokratie zu erreichen, immer mit Gewalt begegent werden? Könnte es sein, dass es Gründe gibt warum akut immer mehr Bürgerrechte eingeschränkt werden, die man landläufig als demokratisch bezeichnet (, obwohl es nur die eine Variante einer Klassenjustiz ist). Könnte es sein, dass es Gründe dafür gibt, dass die internationale Finanzwirtschaft von nationalen Regierungen "demokratischer" Staaten fordert, sie sollen zu weit reichenden "demokratischen" Einfluss ihrer Bürger einschränken? ....
Zu ihrem letzten Absatz, Ihrer Kolportage des sogenannten american dream, kann ich nur sagen : Na dann mal los und rann ans Spülbecken, denn auch Sie werden zu den Verliereren gehören, sonst würde sie mir hier nicht antworten. Glauben Sie denn an diesen Myhtos für Dumme? Aha! Und wieso meinen Sie, ihre Mitmenschen seien dümmer als Sie? Es ist wohl doch nicht die Hoffnung auf den Hauptgewinn ... es ist wohl die Angst vor der angedrohten Gewalt ...
Hotspots und Lava-Landschaften (erstarrt)
(Zu den vielschreibenden Kapitalismus-Exegeten äußere ich mich nur bedingt: Schreibt mehr - so schafft ihr die Weltrevolution!)
An Sie, werter Herr Schulmeister, meinen Dank für den Artikel und eine Frage: Muss man, um sich solch aparten Themen innerhalb der VWL zu widmen, nach Österreich auswandern oder gibt es ähnlich kritische Ökonomiebeobachter auch an deutschen Fakultäten?
Der gesellschaftskritische Soziologe I. Blühdorn hat sich auch in Wien angesiedelt, ob nun freiwillig oder weil sein Vertrag in Großbritannien nicht verlängert worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls scheint sich Wien zu einem Hotspot kritischen Denkens zu entwickeln. - Wäre ich auch gern dabei! In der BRD gilt man, im Übrigen auch bei der Jugend, mit marktinkompatiblem Denken offenbar als bemitleidenswerter Spinner oder Extremist. Und wird entsprechend behandelt ...
@ger: "Muss man, um sich solch aparten Themen innerhalb der VWL zu widmen, nach Österreich auswandern oder gibt es ähnlich kritische Ökonomiebeobachter auch an deutschen Fakultäten?"
Natürlich gibt es auch im Merkelland nicht nur neoliberale Ökonomen bzw. präziser gesagt: Makroökonomen. Auch Betriebswirte sind schließlich "Ökonomen", wie die bekannte schwäbische Hausfrau jedoch beschränkt auf die Ebene und die Perspektive der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer und die Maxime: Wenn jeder sich so rational verhält wie der bekannte "homo oeconomicus" in den neoliberalen Lehrbüchern, dann werden alle Bürger irgendwann stinkreich werden.
Allerdings dürfte es sich bei den kritischen Volkswirtschaftlern im Merkelland um eine Minderheit handeln. Das liegt nicht etwa daran, dass die neoliberalen Volkswirte im Besitz der Wahrheit wären, sondern diese wissenschaftliche Disziplin schon lange ihre kritische Selbstreflexion verloren hat und regelmäßig Sachurteil mit Werturteil verwechselt. Die Lehrstuhlinhaber an den deutschen Universitäten und Hochschulen sind in der Mehrzahl inzwischen neoliberale Modelltheoretiker mit einem Tunnelblick. Wer als Assistent an der Hochschule etwas werden will, der redet dem "Herrn Prof. Dr. rer. pol oder oec." nach dem Munde und kritisiert ihn nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass deutsche Studenten inzwischen allgemein das Nachdenken verlernt haben und ihnen die Inhalte am Hintern vorbeigehen. Hauptsache man macht einen Abschluss und bekommt "gute" Noten, am besten an einer privaten "Elite-"Universität.
In der deutschen Öffentlichkeit fallen mir an dieser Stelle vor allem die Herren Flassbeck und Bofinger ein und auch deren kritische Ansichten tauchen in den deutschen "Qualitäts-"Medien so gut wie gar nicht auf.
Lediglich kurz nach Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers 2007 waren im neoliberalen Merkelland für ein paar Tage einige kritische Volkswirtschaftler zu hören. Welcher neoliberale Wirtschaftswissenschaftler konnte denn auch nur im geringsten ahnen, was passiert, wenn Banker mit unvorstellbar vielen Millarden Dollar auf ein und dasselbe Pferd wetten und dieser gedopte Gaul 100 Meter vor dem Ziel zummenbricht? Wie denn auch, bei den neoklassischen bzw. neoliberalen Modelltheoretikern gibt es das nicht, weil es das nicht geben kann. Der Markt ist für neoliberale Wirtschaftswissenschaftler schließlich der heilige Gral und unfehlbar. Vielleicht lernen neoliberale Volkswirte wie alle Neoliberalen und Konservativen nur dann etwas dazu, wenn es richtig ordentlich kracht, scheppert und knallt wie beim letzten Weltkrieg. Aus diesem Grunde sollten wir uns also auf den nächsten Crash freuen. Bedauerlich für die Bürger, die davon betroffen sind, weil sie dabei ihren Arbeitsplatz, ihr Geld oder sogar ihr Leben verlieren.
Frei zitiert nach Markus Barwasser alias Erwin Pelzig: Traue denen, die die Wahrheit suchen und misstraue denen, die behaupten, sie hätten sie gefunden.